Vergabeverfahren für WM-Karten in der Kritik: Kundenunfreundlich und rechtswidrig - 300 000 Bestellungen in zwölf Stunden
Berlin - In den ersten zwölf Stunden lief alles wie gewünscht, mehr als 300 000 Eintrittskarten wurden nahezu ohne technische Pannen bestellt. Doch bereits einen Tag nach Beginn des Vergabeverfahrens der Karten für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland droht dem deutschen Organisationskomitee (OK) Ärger. Denn die Bundeszentrale für Verbraucherschutz kritisiert das Verfahren und erwägt rechtliche Schritte.
"Nach unserer Ansicht ist das Verfahren kundenunfreundlich und zum Teil sogar rechtswidrig", sagt Patrick von Braunmühl, Vorstandsmitglied der Bundeszentrale. "Wir haben dem Deutschen Fußball-Bund eine Abmahnung geschickt und ihn aufgefordert, Änderungen vorzunehmen. Sollte der DFB nicht bereit sein, müssen wir uns vorbehalten, Klage zu erheben." Zwei Wochen bleiben dem OK, den Forderungen nachzukommen.
Konkret beanstandet die Bundeszentrale, daß die Weitergabe der Karten an andere Personen praktisch unmöglich sein soll. Nur in "schwerwiegenden Fällen" - Tod eines Angehörigen, Hochzeit, schwere Erkrankung mit ärztlichem Attest - stimmt das OK zu, sagt dessen Sprecher Jens Grittner.
"Ein Umtausch der Karten ist für die Kunden mit einem hohen Aufwand verbunden", kritisiert von Braunmühl. "Die Weitergabe muß auch zeitnah vor dem Spiel erfolgen können und so unbürokratisch wie möglich sein." Weiterhin bemängelt der Verbraucherschützer, die Aufklärungsarbeit des OK lasse zu wünschen übrig. "Simple Fragen, was etwa bei kurzfristigen Erkrankungen oder spontan angesetzten Dienstreisen mit dem Ticket passiert, sind nicht ausreichend beantwortet worden."
Zwar versteht von Braunmühl die Absicht des OK, Hooligans den Stadioneintritt zu verwehren und Schwarzmarkthandel zu unterbinden. Er sagt aber auch: "Der vom OK vollzogene Registrierungsaufwand ist übertrieben. Am Stadion werden nur stichprobenartig Kontrollen durchgeführt. Es kann nicht bei jedem die Paßnummer kontrolliert werden."
Von Braunmühls Vorschlag: "Es reicht, wenn jeder, der eine Karte bekommt, seine Daten angeben muß. Die Datenerfassung aller Ticketbewerber, von den schließlich neun von zehn leer ausgehen, ist überzogen."
Auch Datenschützer äußern sich kritisch zum Vergabeverfahren. "Es werden Dinge erfaßt, die nicht erforderlich sind. Die Personalausweisnummer und der Geburtstag sind unerheblich", sagt Thilo Weichert, Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz (ULD) Schleswig-Holstein. Für ihn verstößt der Vergabemodus gegen geltendes Recht. Weiter kritisiert die Verbraucherzentrale, daß Karteninhaber bei Spielverlegungen nicht problemlos zurücktreten können. Sie müßten laut Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des OK nachweisen, daß für sie der Besuch an einem anderen Ort oder zu einem neuen Termin "nicht zumutbar" ist. "Diese Vorschrift haben wir gegenüber dem DFB rechtlich abgemahnt. Üblicherweise kann der Verbraucher in solchen Fällen problemlos seine Karte zurückgeben und erhält den Kaufpreis erstattet", sagt von Braunmühl. "Wenn nicht, muß der Veranstalter beweisen, daß die Teilnahme an einem Ersatzspiel zumutbar ist. Das hat der DFB in seinen Geschäftsbedingungen umgedreht."
Der Verbraucherschutz fordert zudem die Veränderung der AGB in Hinblick auf die Persönlichkeitsrechte. "Das OK verlangt beim Verkauf der WM-Tickets, daß jeder auf seine Persönlichkeitsrechte verzichtet. Das geht eindeutig übers Ziel hinaus. Stadionbesucher, die beispielsweise in Großaufnahme in einer peinlichen Situation gezeigt werden, wären für die Boulevardpresse zum Abschuß freigegeben."
Kai Psotta
Die Welt, 05. Februar 2002
Original: http://www.welt.de/data/2005/02/02/457360.html?search=WM+Tickets&searchHILI=1