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Die Spione im Einkaufskorb

Schnüffelchips. Eine neue Technologie zur Warenauszeichnung, die die Strichcodes ersetzen wird, bestätigt bereits in der Testphase schlimmste Befürchtungen des Datenschutzes.

"RFID in Kundenkarten - Test wird beendet." hieß es Ende Februar in einer Pressemeldung des deutschen Handelsriesen Metro. Und weiter: "Um möglichen Vorbehalten den Chips gegenüber zu begegnen hat sich die Future Store Initiative entschlossen, diese Chips in den Extra Future Store Cards nicht mehr einzusetzen. Bereits herausgegebene Karten werden in den nächsten Wochen gegen konventionelle Karten ohne Chips ausgetauscht."

"Metro hatte sich stets auf die Einhaltung des Datenschutzgesetzes berufen."

Mit diesen Extra Future Store Cards wollte Metro, die in der Schweiz den Media Markt unterhält, neue Zeiten für Kundinnen und Kunden einläuten. Ausgegeben wurden sie im Future Store, dem "ersten Supermarkt der Zukunft", der im April letzten Jahres im westdeutschen Rheinberg eröffnet wurde. Neue Technologien, die bisher nur unter Laborbedingungen oder einzeln getesten worden waren, kommen hier erstmals kombiniert und in der Praxis zu Einsatz (work Nr. 16/2003). Herzstück des Ganzen ist die RFID (Radio Frequency Identification). Sie ermöglicht es, große Datenmengen mittels Funk berührungslos und ohne Sichtkontakt abzurufen. Sobald alle Waren mit entsprechenden "intelligenten" Etiketten ausgerüstet sind, wird sich die Arbeit im Einzelhandel revolutionieren.

- Die heute sehr personalintensive Kontrolle, Lekung und Abrechnung der Warenströme ist auf Basis der neuen Technologie automatisierbar.

- In den USA wird bereits Arbeitskleidung mit einem integrierten Chip eingesetzt. Das ermöglicht die ständige Kontrolle des Personals.

- Die Kundinnen und Kunden können Informationen über die einzelnen Waren abrufen (z.B. Herkunft, Alter, Zusätze, Verarbeitung). Und der Einkauf selbst wird erheblich bequemer, weil sich auch der Zahlvorgang automatisieren lässt und die Warterei an den Kassen überflüssig wird.

Datenschutz in Gefahr

Die Extra Future Card sollte der Kundschaft das bequeme Zahlen eröffnen. Sie hatte also weit mehr zu bieten als herkömmliche Rabattkarten (wie die Cumuluskarte oder die Supercard). Doch nun wird sie erst einmal wieder verschämt zurückgezogen.

Die Brisanz an der Pressemeldung: Metro hatte zuvor beteuert, dass beim Verlassen des Ladens alle RFID-Chips auf Waren deaktiviert würden. Zudem hatte sich die Firma stets auf die Einhaltung des Datenschutzgesetzes berufen. Denn aktivierte Chips können immer wieder gelesen werden. Die dadurch gewonnenen Daten ergeben in Kombination mit den "intelligenten" Kundenkarten genaue Profile der Einkaufenden. Nicht einmal Skeptiker hatten allerdings damit gerechnet, dass Metro die Kundenkarten ohne Wissen der Konsumentinnen und Konsumenten mit RFID-Chips bestücken würde.

Bekannt wurde dies durch einen Zufall: Ende Januar hatten die amerikanische Verbraucherschützerin Katherine Albrecht und Rena Tangens, eine deutsche Mitstreiterin, den Future Store besucht. Albrecht hat die Verbraucherorganisation CASPIAN (Consumers against Supermarket Privacy Invasion And Numbering - Konsumenten gegen das Eindringen von Supermärkten in die Privatsphäre) gegründet und engagiert sich schon länger gegen die schleichende Einführung der Schnüffelchips.

Bei der Auswertung des Besuchs stellten Albrecht und Tangens nicht nur fest, dass die Metro entgegen allen Versprechen die Daten auf den mit Chips bestückten Produkten am Ladenausgang nicht löschte. Sie stiessen zudem auch auf die Chips in den Kundenkarten. Im Klartext: Wer immer über das nötige Lesegerät verfügt, konnte an die gespeicherten Daten heran. Eine Vernetzung mit bestehenden Datenbanken und das Erstellen eines individuellen Personenprofils wären so problemlos möglich. Daraufhin organisierten sie eine Demonstration "gegen die unkontrollierte Einführung von Schnüffelchips" vor dem Futuer Store. Noch am gleichen Tag reagierte Metro mit ihrer Pressemeldung und versprach, die rund 10.000 Kundenkarten aus dem Verkehr zu ziehen. Bis heute ist jedoch nichts passiert.

Bei Metro hätte man allerdings Grund, die Vorwürfe ernst zu nehmen. Denn die Radio Frequency Identification gilt als die Technologie der Zukunft schlechthin. Warum sollten wir künftig dem Versprechen der Unternehmen glauben, wenn gleich beim ersten Test die Leute für dumm verkauft werden und ihr Vertrauen missbraucht wird?

--------------------------- Fotos: Personal Shopping Assistant Display, Obst- und Gemüsewaage, Infoterminal.

Bildunterschrift: Im Future Store ersetzt der Computer schon weitgehend das Personal. Die Kundschaft verliert dafür ihre Anonymität.

--------------------------- Infokasten:

RFID - Smart Chips

Polizist in der Schuhsohle

Das Prinzip der Radio Frequenca Identification ist einfach: Die elektromagnetische Welle eines Senders aktiviert ein Empfangsgerät, den Transponder. Der shcickt, gleich einem Echo, seine gespeicherten Daten zurück. Bisher waren allerdings die Transponder zu gross, ihre Speicherkapazität zu klein und die Produktion zu teuer, um massenhaft eingesetzt zu werden.

Dank der Entwicklung der Kunststoffhalbleiter können die Transponder nun immer billiger, kleiner und leistungsfähiger und hergestellt werden. Die Industrie behauptet, es dauere nur noch Monate bis zur Produktion von winzig kleiner Funkchips zum Stückpreis von einem Rappen. Schon bald kann damit jedes Produkt eine eigene kleine Datenbank erhalten. Diese neue Etikettierung eröffent auch die Möglichkeit, jede Ware mit dem Käufer zu verbinden und ihre genaue Nutzung zu verfolgen. Die "Süddeutsche Zeitung" malte kürzlich aus, dass man einen Bankräuber künftig dadurch überführen kann, dass der RFID-Chip in seiner Schuhsohle verrät, wann, wo und von wem der Schuh gekauft wurde.

Renée Gruber

work (Schweizer Gewerkschaftszeitung), 16. April 2004
Original: Nicht bekannt

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