Rotzfreche Mädels moderieren flippige Fernsehmagazine, kecke Spice Girls küssen den verdutzten Prinz Charles und in TV-Krimis ballern die Frauen längst so ungerührt wie die Kerle. Aber oft entpuppt sich die vermeintliche Gleichberechtigung nur als bloáe Inszenierung selbstbewuáter Weiblichkeit.
"Bei genauem Hinsehen
herrscht auch nach 30 Jahren neuer Frauenbewegung immer noch eine
eindeutige Schieflage", hat Renate Röllecke von der Bielefelder
Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK)
herausgefunden. Warum das so ist, woran es liegt und wie es zu
ändern wäre, diskutieren Wissenschaftler und Praktiker auf
Einladung von GMK und der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF)
vom 21. bis 23. November in Bielefeld.
Allerdings dreht sich Wyberspace, so der Titel der Tagung, nicht nur
um Frauen im Cyberspace. In Vorträgen, Arbeitsgruppen und
Streitgesprächen nehmen die Experten das gesamte Spektrum der
audiovisuellen Medien von Fernsehen über Film bis Multimedia unter
die Lupe. Die GMK-Organisatorinnen Renate Röllecke und Sabine Eder
haben hochkarätige Wissenschaftlerinnen, Journalistinnen,
Medienmacherinnen, Filmexpertinnen und Medienpädagoginnen
eingeladen: Darunter sind die WDR-Redakteurin Inge von
Bön.ninghausen, Conny Hermann vom TV-Magazin Mona Lisa, Katja
Mildenberger vorn Kölner Frauenfilmfestival Fen7in,iie, Martina
Zender vom Frauensender tm3, die Bielefelder Medienkünstlerin und
-theoretikerin Rena Tangens oder Kerstin Grether vom Musikmagazin
Spex. Daá sich nur wenigem männliche Referenten zu Wort melden,
hat nichts damit zu tun, daá diese Tagung als exklusiv weibliche
Domäne verstanden wird. Sie ist offen für alle. "Uns geht es um
einen Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis, zwischen Männern
und Frauen", so Renate ,Röllecke. Dabei ist die thematische
Bandbreite der dreitägigen Veranstaltung so groá wie das mediale
Spektrum.
Im Bereich Mulitmedia stehen Fragen wie "Ist das Internet mannlich?"
und "Computer oder Stöckelschuh?" ebenso zur Debatte wie
Identität und Geschlecht in Online-Rollen-Spielen. Die Fernseh- und
Filmexpertinnen werden unter anderem darüber streiten, ob die
speziell auf Frauen zugeschnittenen Programme und Festivals einen
Käfig oder einen Freiraum darstellen. Auáerdem werden speziell
auf Mädchen und Frauen zugeschnittene Medienprojekte
präsentiert. Das klassische Thema Geschlechtsrollenbilder in den
Medien wird fortgeschrieben.
Daneben fächern die Teilnehmer den schillernden Bereich der
Popkultur kritisch auf. Signalisieren Androgynitäten und Travestien
eine Synthese der Geschlechter oder nur eine andere Seite des Altbekannten?
Demonstrieren extrovertierte Girlies wie Blümchen und
selbsternannte Schlampen wie Courtney Love ein neues
Selbstbewuátsein oder sind sie nur das Ergebnis einer
Produktstrategie?
groe
Für 50 Mark zuzüglich einer Verpflegungspauschale von 30 Mark steht die Tagung in der Ravensberger Spinnerei allen Interessierten offen. Anmeldungen sind bis zurn 15. Oktober an die GMK-Geschäftstelle, Körnerstraáe 2, 33602 Bielefeld, Telefon (052 1) 6 77 88, Fax (052 1) 6 77 27 zu richten. Dort kann auch ein ausführliches Programm angefordert werden.
Neue Westfälische, 03. Oktober 1997