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Rabatt um jeden Preis?

Meist sind sie bunt und aus Plastik. Außerdem handlich, damit sie in jedes Portmonee passen: Kundenkarten. Millionen Deutsche sammeln mit ihnen Punkte, Meilen oder Digits. Und geben dabei jede Menge Daten preis.

Die einen bekommen Rabatt, die anderen Daten. Dass sich beides nicht ganz die Waage hält, stört die Kunden wenig. 28 Millionen Personen sind nach Angaben des Betreibers beim Payback-System angemeldet - dem Marktführer unter den Rabattkartenanbietern - , 24 Millionen beim Konkurrenten Happy Digits. Sie sparen durchschnittlich magere 0,25 bis drei Prozent, wie "Stiftung Warentest" ausgerechnet hat. Das Prinzip: Für das Geld, das sie bei den beteiligten Partnerunternehmen wie Karstadt, T-Mobile oder Tengelmann ausgeben, bekommen die Kunden Guthaben in einer Scheinwährung auf ihr Konto gutgeschrieben. Ab einer bestimmten Höhe können sie die gesammelten Bonuspunkte in Prämien umwandeln oder auch in einen Einkaufsgutschein.

Preise vergleichen bringt oft mehr

Rabattkarten zahlen sich grundsätzlich nur für denjenigen aus, der bereits Stammkunde in einem Geschäft ist. Sein Einkaufsverhalten sollte niemand nur dafür ändern. Ein Preisvergleich lohnt sich meist mehr. Außerdem, so Roland Stuhr vom Bundesverband der Verbraucherzentralen, sei häufig in kleineren Geschäften mehr Rabatt möglich als bei den großen Ketten: "In Unternehmen, die an diese Kundenbindungssysteme angeschlossen sind, können Verkäufer oft nicht über ein Prozent Rabatt hinausgehen. Im mittelständischen Einzelhandel kann man besser handeln."

Nachlass durch Sonderaktionen Das Gegenargument der Kundenkartenanbieter: Der Basisrabatt sei nicht mehr entscheidend. Kunden der großen Kartensysteme bekommen regelmäßig Gutscheinhefte, mit denen sie in einem bestimmten Zeitraum deutlich höhere Preisnachlässe und Extra-Sammelpunkte bekommen können. Für Roland Stuhr ist das eine Frage der Abwägung: "Zuerst sollte man prüfen, wie hoch der Rabatt wirklich ist und dann entscheiden, ob diese Ersparnis es wert ist, seine Privatsphäre aufzugeben."

Auf der Jagd nach persönlichen Daten

Vor allem die beiden großen Kartensysteme Payback und Happy Digits stehen in der Kritik von Datenschützern. Ein Grund dafür: Die Betreiber speichern viele Angaben, die für den Rabatt gar nicht nötig wären. Es fängt schon bei der Anmeldung zum Rabatt-Programm an: Dabei werden nicht nur Basisdaten wie Name und Adresse abgefragt. Wer freiwillig weitere Felder auf dem Anmeldebogen ausfüllt, kann erste Punkte für das virtuelle Konto oder eine Reise gewinnen. Payback zum Beispiel wüsste gerne Näheres zum Einkommen, zur Anzahl der Kinder und wann sie geboren sind. Der Nachwuchs inklusive komplettem Geburtsdatum interessiert auch IKEA bei der Anmeldung zur Family Card. Als Gegenleistung gibt es vom schwedischen Möbelhaus Preisaktionen mit Rabatt auf ausgewählte Produkte und eine Transportversicherung für alle gekauften Möbel. Für alle Kartenbesitzer gibt es auf jeden Fall Eines umsonst: Werbung.

Damit sie ihre Werbung möglichst zielgerichtet verschicken können, interessiert die Firmen vor allem das Einkaufsverhalten ihrer Kunden.

Jeder Kauf mit der Rabattkarte wird bei dem jeweiligen Unternehmen gespeichert, im Fall von Payback und HappyDigits zusätzlich zentral bei den Betreibern. In der Datenschutzerklärung von Payback heißt es, auf Anforderung teile man gerne mit, ob und welche persönlichen Daten gespeichert seien. Eine Payback-Kundin hat das für ARD.de getestet: Beim Anruf im Service-Center bekommt sie nur die Basisdaten und den Punktestand bestätigt. Erst auf Nachfrage findet der Hotline-Mitarbeiter in der Datenbank auch die Liste darüber, wann die Kundin wo eingekauft hat und wie viele Paybackpunkte sie dabei gesammelt hat. Dass auch gespeichert wird, was sie gekauft hat, erfährt sie weder an der Hotline noch auf ihrem virtuellen Konto im Internet.

Toilettenpapier oder Wein?

Immerhin versichert Payback-Sprecherin Nina Purtscher, dass die eingekauften Waren nur nach Warengruppen erfasst werden. Es könne also nicht nachvollzogen werden, wer wie viele Flaschen Wein oder welches Toilettenpapier gekauft habe. Bei Happy Digits heißt es, eine detaillierte Speicherung wäre viel zu aufwändig. Rena Tangens vom Bürgerrechtsverein "FoeBuD" (Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e.V.) lässt dieses Argument nicht gelten: "Das ist lächerlich. Dafür gibt es Computerprogramme. Und je mehr Daten im System sind, desto besser funktionieren die Verknüpfungen." Sicher ist: Technisch ist es schon heute möglich, die gekauften Produkte dem Kundenkarteninhaber zuzuordnen.

Wer nicht möchte, dass seine Daten für Werbung benutzt werden, kann dem widersprechen. Doch das machen die Rabattkartenanbieter dem Kunden nicht gerade leicht. Bei vielen Anbietern muss man die entsprechende Erklärung durchstreichen, um nicht automatisch zuzustimmen. Wer sich bei IKEA online anmeldet, muss sogar ein zusätzliches Online-Formular ausfüllen. Dementsprechend verhindern nur wenige Kunden die Datenweitergabe. Die Anzahl liege "im einstelligen Bereich", sagt ein Sprecher des Happy-Digits-Programms. Bei Payback sind es nach Angaben der Betreiberfirma immerhin etwa 20 Prozent.

Daten nur sparsam herausgeben

Der wichtigste Rat der Verbraucherschützer: Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Kundenkartensysteme gut durchlesen und persönliche Daten nur sparsam herausgeben. Denn: viele Angaben sind freiwillig. Und je weniger Daten über Sie im Umlauf sind, desto geringer ist auch die Gefahr des Missbrauchs. Damit der Preis, den Sie für den Rabatt bezahlen, auch angemessen bleibt.

Kundenkarten gehören zum Alltag der meisten Deutschen dazu. Bei Datenschützern sind sie dagegen nicht besonders beliebt. Rena Tangens vom Bürgerrechtsverein FoeBuD gehört zu den größten Kritikern dieser Art von Kundenbindung.

ARD.de: Frau Tangens, Kundenkarten sind meist kostenlos und bringen Rabatte - ist das die ganze Wahrheit?

Tangens: Das Wichtigste ist, den Menschen bewusst zu machen, dass Daten, die sie als belanglos ansehen, etwas Wertvolles sind. Welche Kaffeesorte ich einkaufe, das ist erst mal eine banale Information. Die meisten Menschen sehen kein Problem darin, dass ein Geschäft das von ihnen weiß. Aber es wird übersehen, dass Daten, die in Mengen gesammelt werden, vielfältige Schlüsse zulassen, zum Beispiel auf das Einkommen. In Kombination damit, dass die Daten lange aufbewahrt werden, kann daraus ein aussagekräftiges Profil werden.

ARD.de: Aber die Betreiberfirmen großer Kundenkartensysteme wie Payback betonen, dass sie nicht im Detail wissen, welches Produkt der Kunde gekauft hat ...

Tangens: Wenn Sie mit ihrer Real-Paybackkarte bei Real einkaufen, dann haben Sie Ihre Daten Real preisgegeben, selbst wenn Payback sie nicht zentral speichert. Und auch wenn die Datensätze derzeit vielleicht noch nicht ausgewertet werden - die Datenbanken, mit denen diese Firmen arbeiten, sind darauf angelegt, die Produkte einzeln zu erfassen. Alexander Rittweger, Geschäftsführer von Loyalty Partner - der Firma, die hinter Payback steht -, hat in einem Interview auch nahe gelegt, dass einzelne Produkte analysiert werden sollen, zum Beispiel in Bezug auf die Packungsgröße. Die Möglichkeit ist also da, und die grundsätzliche Einwilligung der meisten Kunden auch.

ARD.de: Was werfen Sie Firmen wie Loyalty Partner, Betreiber von Payback, oder CAP, Betreiber von Happy Digits, vor?

Tangens: Es geht bei den Bonussystemen nicht wirklich um Kundenbindung, sondern knallhart ums Datensammeln. Aber die Kundenkartenanbieter verschleiern ihre wahren Absichten. Dadurch können sich die Menschen nicht vorstellen, dass Ihnen echte Nachteile entstehen. Nehmen Sie den Fall Tchibo, bei dem Kundendaten an einen Adressenhändler weitergegeben wurden. In den Geschäftsbedingungen hieß es: "Die Weitergabe Ihrer [...] persönlichen Daten an unberechtigte Dritte außerhalb des Unternehmens Tchibo ist grundsätzlich ausgeschlossen." Daraus schließen arglose Menschen, dass die Daten auf keinen Fall weitergegeben werden. Das Gegenteil ist der Fall, denn es gibt auch berechtigte Dritte - nämlich Unternehmen, mit denen Tchibo einen Vertrag geschlossen hat. Tchibo sagt, das ist doch legal. Wenn das Unternehmen die Kunden vorher gefragt hätte: "Sind Sie einverstanden, dass Ihre Adresse, angereichert mit Wohnortgröße, Kaufkraft und Versandhandelsneigung auf dem kommerziellen Adressmarkt verkauft wird?" - dann wäre es fair gewesen. Es bleibt die Frage, wer da "ja" angekreuzt hätte.

ARD.de: Worauf sollte man also achten?

Tangens: Wenn Sie etwas unterschreiben, sollten Sie immer genau auf die Informationen achten, die angeben, wie Ihre Daten verarbeitet werden. Dann sollten Sie überlegen, welche Daten für Ihr Anliegen wirklich notwendig sind und nur diese angeben - und alles durchstreichen, was Ihnen nicht plausibel erscheint.

Zu erwähnen sind auch positive Beispiele, wie die Aktion von Aral, bei der Autofahrer Marken sammeln, die sie in ein Heft einkleben müssen. Um die Punkte gegen Prämien einzutauschen, muss man keine persönlichen Daten angeben. Das zeigt: Kundenbindung geht auch anders.

ARD.de: Sie verleihen jährlich den "BigBrotherAward". Kaum gestartet, war das Payback-Programm Preisträger. Steht bei Ihnen dieses Jahr auch ein Rabattkartenanbieter auf der Liste?

Tangens: Unsere Kandidaten geben wir im Vorfeld nicht bekannt. Wir müssen alle Vorschläge erst recherchieren. Dieses Jahr sind es bisher etwa 250 mögliche Preisträger - wir nehmen aber noch bis zum 15. August Vorschläge an. FoeBuD - Verein für den Datenschutz Der spendenfinanzierte Verein will die öffentliche Diskussion um Privatsphäre und Datenschutz fördern. Er vergibt jährlich die "BigBrotherAwards" an Firmen, Organisationen oder Personen, die persönliche Daten Dritten zugänglich machen oder die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigen.

Sandra Kaupmann

Allgemeiner Rundfunkanstalten Deutschland (ARD), Köln, 29. Juli 2005
Original: http://www.ard.de/ratgeber/finanzen/kundenkarten/-/id=13258/mpdid=324900/nid=13258/did=324900/9dyjdk/index.html

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