FoeBuD e.V.  ·  Marktstraße 18  ·  D-33602 Bielefeld
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Was brachte die Woche #43?

Der Rückblick auf gulli.com, mit wechselnden Gesprächspartnern: Sehr umtriebig war und ist aktuell der FoeBuD, der Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e.V. Die Big Brother Awards wollten ausgerichtet sein, die anstehenden dezentralen "Freiheit statt Angst"- Demonstrationen ebenfalls. Wie der FoeBuD all diese Aktivitäten unter einen Hut bekommt und das eine oder andere mehr erzählt Florian Glatzner.

Florian ist Politikwissenschaftler, schrieb seine Magisterarbeit zum Thema externer Link in neuem Fenster folgtVideoüberwachung im öffentlichen Raum und arbeitet beim externer Link in neuem Fenster folgtFoeBuD. Seit 2000 organisiert der Verein die Verleihung der externer Link in neuem Fenster folgtBigBrotherAwards, klärt zu zahlreichen Themen der Informationsgesellschaft aus, organisiert Treffen und Aktionen.

Korrupt: Florian, wie immer meine erste Frage: Welche Neuigkeit hat dich diese Woche am meisten gefreut?

Florian: Ich habe diese Woche die Buchungsbestätigung für meinen Urlaub erhalten ;)

Korrupt: Und welche am meisten geärgert?

Florian: Dass die deutsche Bundesregierung plant im Zuge der "Cybercrime-Konvention" die "Vorratsdaten", die ab 01.01.08 gespeichert werden, an 52 Staaten in Europa und weltweit weiter zu geben. Darunter sind auch Staaten wie Azerbaijan, Russland und die USA. Diese Daten sollen dann nicht nur der Verfolgung von Computerstraftaten dienen, sondern allem was im jeweiligen Ausland unter Strafe steht! Ohne rechtsstaatliche Sicherungen, also ohne vorherige richterliche Anordnung, ohne Schutz engster Vertrauensbeziehungen, ohne nachträgliche Benachrichtigung der Betroffenen, ohne Beschränkung der Nutzung oder Weitergabe der Daten und ohne Rechtsschutz durch unabhängige Gerichte könnten diese Staaten dann auf sensibelste Daten über unser Privatleben und unsere sozialen Beziehungen zugreifen.

Das bringt mich fast zum Erbrechen.

Korrupt: Die BB-Awards wurden verliehen, ihr habt die letzte "Freiheit statt Angst" mitorganisiert, seid auch bei der anstehenden dezentralen Demo mit dabei, richtet euren Dienstagskreis aus, bald kommt der CCC-Congress, auf dem ihr auch vertreten sein werdet, die Bielefelder Erklärung kam heraus und so weiter. Wie schafft ihr das grade alles? Gehts auf diesem Aktivitätslevel weiter?

Florian: Die letzte Zeit war schon sehr stressig. Der Herbst ist - gerade wegen der BBAs - eindeutig die arbeitsintensivste Zeit bei uns und wie du schon sagt, diese Jahr kam da noch recht viel dazu. Auf der anderen Seite ist aber auch die Unterstützung die wir momentan erhalten enorm - beispielsweise in Form von Freiwilligen, Spenden, Medienberichten oder auch "einfachem" Lob. Wie es weiter geht kann ich dir leider nicht beantworten, da ich nicht sagen kann, ob wir auch weiterhin diese gewaltige Unterstützung bekommen werden. Ich bin da aber sehr zuversichtlich.

Korrupt: Andrej Holm ist draussen, die BAW hat auf die Mütze bekommen, gegen die VDS wird protestiert, an der Terrorhysterie sind inzwischen Zweifel aufgekommen, und den einschglägigen Akteuren glaubt kein Mensch mehr, dass es bei den "wenigen und gezielten" Maßnahmen bleiben wird, was z.B. Onlinedurchsuchung und ähnliches mehr angeht. An sich läuft alles prima - aber vieles geht auch in der Versenkung unter. Videoüberwachung ist gar kein Thema mehr - Kai Raven sagte mir mal sinngemäß, das sei durch -, oder RFID interessiert auch nicht wirklich. Ist das normal, muss man nach aktueller Lage Prioritäten setzen, ist es überhaupt noch möglich, das ganze Ausmaß der aktuellen Entwicklung verständlich zu vermitteln? Habt ihr da ne Strategie, und wie schätzt ihr da die aktuelle Lage ein?

Florian: Da muss ich dir (und auch Kai Raven) ein wenig widersprechen. Sicher ist es so, dass wir in unserer Arbeit Prioritäten setzten. Das muss auch so sein. Jedes Thema hat seine besonders heiße Zeit, in der man auch besonders viel bewegen kann. Die anderen Themen laufen dann aber trotzdem im Hintergrund weiter. Wir bekommen im Moment wieder recht viele Anfragen zu Videoüberwachung. In dieser Woche habe ich beispielsweise dazu zwei Vorträge gehalten. Und auch zum Thema RFID gibt es weiterhin eine großes Interesse von Bürgern und Journalisten. Wir versuchen beim FoeBuD das Gleichgewicht zu bewahren, zwischen Themen die zur Zeit "in Mode sind" und den anderen, die dennoch wichtig bleiben.

Bei der Vermittlung dieser Probleme wollen wir natürlich nicht, dass die Menschen, mit denen wir sprechen, sich wegen der Komplexität und des Ausmaßes überfordert fühlen. Wir glauben aber, dass wenn man die Überwachungs-Problematik erst einmal anhand eines Bereiches verstanden hat, es einfacher fällt diese Erkenntnis auch auf andere Themen zu übertragen und neue Techniken, Gesetzesvorschläge etc kritisch zu hinterfragen.

Korrupt: Auf der letzten Demo eskalierte das eine oder andere, der FoeBuD selbst sieht einiges recht, nun, locker - eine der nettesten Geschichten in eurem Shop sind imo die Warnaufkleber, die sich "zum Überkleben von Kameraobjektiven eignen". Die leidige "Welcher Protest ist OK" - Debatte kochte nach der Freiheit statt Angst wieder hoch, verortet ihr euch da irgendwo? Kameras überkleben ja, Tomaten schmeissen nein, Schäublonen sprühen bedingt?

Florian: Wir positionieren uns da als FoeBuD eigentlich gar nicht (die individuellen Meinungen sind da natürlich auch unterschiedlich). Es ist für uns aber entscheidend, dass auf einer demokratischen Basis "alle Macht vom Volke" ausgeht. Ist dies nicht mehr gegeben, kann ziviler Ungehorsam oder möglicherweise als ultima ratio Gewalt notwendig sein, wie es auch in Art. 20 des Grundgesetzes steht. Damit es nicht soweit kommt ist es wichtigste, dass die Menschen Bescheid wissen und politisch gebildet sind.

Korrupt: Ihr habt euer Bielefelder Treffen, ich nehm mal an, auch so relativ viel Reallife-Aktivitäten. Wer auf dem Dorf am Rechner sitzt, hat die nicht. Was rätst du Leuten, die auch offline das eine oder andere machen wollen, wo aber der Möglichkeiten eher wenige sind?

Florian: Was jeder machen kann, ist andere Menschen "aufzuklären". Und das geht auch auf dem Dorf. Man kann mit Freunden und Bekannten diskutieren. Man kann beim nächsten Dorffest einen Info-Stand machen. Oder man kann einfach mal vor seinem Kegelclub, Stammtisch oder einem anderen Verein etc. sprechen. Man kann die lokale Presse anschreiben, oder auch mal den Abgeordneten "nerven". Wer nicht weiß, wie das geht, dem geben wir gerne Unterstützung.

Korrupt: Wie schaffst du es, angesichts der aktuellen Lage motiviert und engagiert zu bleiben und dabei auch Spass zu haben? Was rätst du den gelegentlich frustrierten Zeitgenossen?

Florian: Wir sehen einfach, dass unsere Arbeit Erfolg hat und das gibt uns Kraft. Bei der ersten Demo gegen die Vorratsdatenspeicherung vor 1 1/2 Jahren kamen noch ca. 300 Leute, im September waren es dann 15.000. Als wir beim BBA die RFID-Chips (bzw Metro) für die Nutzung dieser Chips) auszeichneten, wusste kaum jemand, wovon wir reden. Inzwischen kann kaum mehr über RFID gesprochen/geschrieben werden ohne auch auf Datenschutzaspekte einzugehen. Von solchen Beispielen könnte ich dir noch mehrere nennen.

Natürlich ist es mühselig, natürlich denkt man manchmal man kämpft gegen Windmühlen. Aber man muss sich bemühen, auch die kleinen Erfolge zu sehen und zu wertschätzen. Aber vor allem darf man die großen Erfolge nicht kleinreden.

Was auch noch sehr hilft, ist die Arbeit in der Gruppe. Und das ist auch mein Tipp an Frustrierte. Sucht euch "eure" Organisation, vernetzt euch mit Menschen, die so denken wie Ihr. Oder gründet selber eine Initiative, einen Verein oder führt eine Kampagne durch. Auch hier können Interessierte gerne von uns Tipps haben.

Korrupt: Dazu passend: Warum kommen demnächst zweifellos bessere Zeiten?

Florian: Ist doch klar: Die Guten übernehmen die Weltherrschaft und wir haben das Paradies auf Erden ;)

Korrupt: Florian, danke für das Interview, und für ein Statement, das ich anbringen kann, wenn mir mal wieder zu viel Optimismus vorgeworfen wird.

Gulli, Bochum, 28. Oktober 2007
Original: http://www.gulli.com/news/geschichte-wird-gemacht-was-2007-10-28/

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