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StadtBlatt 6. Januar 2000

Von Fährleuten und Höllenhunden

Seit dreizehn Jahren im Dienste der Datendemokratisierung: der FoeBud e.V.

Matthias Harre

Wer sich aufmacht, Geschichte und Visionen des Vereins zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs o FoeBuD e.V. zu erkunden, gerät bei der ersten Kontaktaufnahme an zwei nette Menschen: Rena Tangens und padeluun erscheinen als Pförtner zur Welt von Zerberus, Charon und Co und begreifen sich durchaus als Server im umfangreichen Netz des unorthodoxen Vereins. Sie sind rührend bemüht, jedem noch so unbedarften Unwissenden den Zutritt zur Welt der Eingeweihten zu ermöglichen. 1987 gründete sich FoeBuD als Verein, die Eintragung ins bürgerliche Register hatte rein pragmatische Gründe. Denn wenn es um Fragen einer Vereinsphilosophie geht, scheint eher Groucho Marx Pate zu stehen: "Einem Verein, der mich als Mitglied aufnimmt, würde ich nicht beitreten."

Seit 1987 gibt es auch die vom Verein ausgerichtete Veranstaltungsreihe Public Domain. In den Anfangsjahren waren das unregelmäßige Treffen von Atari- und C64-Piloten im Bunker Ulmenwall, die ihre eigenen Rechner mitbrachten und auf den heute längst entsorgten Holztischen des Jazzkellers aufbauten. Der Sinn der Zusammenkünfte lag im unkomplizierten Austausch von selbst- und fremdgestalteten Computerprogrammen, in der Lust am Entkleiden von Verschlüsselungen. Es war die große Zeit der Hackervereinigungen - in Deutschland angeführt vom Chaos Computer-Club aus Hamburg -, als Pentagon- und KGB-Rechner vor den zwar meist harmlosen, aber unberechenbaren Bugs der anarchistischen Experten erstarrten.

Als bei den schon bald monatlich stattfindenden Treffen das reine Kopieren von Programmen in den Vordergrund zu treten drohte, steuerte der FoeBuD mit neuen Konzepten gegen. Das informelle Hackertreffen hatte weiterhin Bestand, ergänzend wurden jedoch Referenten eingeladen, die, ganz im Sinne des selbstgestellten Auftrags, den Blick für Neues zu schärfen hatten. Wer weiterhin den eigenen Rechner in den Bunker mitbrachte, hatte auch bei den nach und nach eingeführten Themen-Domains keinen Eintritt zu zahlen. Neben Experten aus der Szene gesellten sich bald auch öffentliche Personen zum Kreis der Vortragenden. So sollte zur Wachsamkeit für die Problematik im Umgang mit sich exponential vergrößernden Datenbankinformationen aufgerufen werden. Und fast zwangsläufig erweiterte sich die Liste der eingeladenen Redner. Die rasant voranschreitende Hardwareentwicklung machte es notwendig, auch Bereiche, die nur mittelbar mit dem eigentlichen Programmieren zu tun hatten, einzubeziehen. Rena Tangens formuliert das so: "Wenn wir früher für einen herrschaftsfreien Raum angetreten waren, so muss es, angesichts der Anarchie im Bereich der Computermonopole, heute darum gehen, die Angelegenheit wieder zu demokratisieren." Soll heißen, anstelle von Konsum Kommunikation zu fördern. Womit die nächsten Themen angeschnitten sind: Information, Interaktion, Medienkompetenz. Das sind die Kapitelüberschriften des Beitrags von Rena Tangens und padeluun für die Enquetekommission des deutschen Bundestages Zukunft der Medien.

Die Autoren sprechen der technischen Entwicklung die Zwangsläufigkeit unabänderlicher Naturgesetze ab und weisen im Gegenteil darauf hin, dass Entwicklung gemacht wird, also abhängt von denen, die entwickeln. "Kurz: Wir vom FoeBuD wollen nicht Menschen den technischen Entwicklungen anpassen, sondern wollen Technik und Rahmenbedingungen so gestalten, dass sie unsere Vision der Welt von morgen ermöglichen und befördern." Information allein ist nichts, sie muss benutzt werden, Informierte müssen in Interaktion treten. Haben wir das nicht alles schon mit dem Internet? Vehementer Widerspruch der beiden FoeBuDs: Internet ist nichts weiter als die Vernetzung der sowieso fortschreitenden Kommerzialisierung, das ist keine wirkliche Kommunikation, sondern im Gegenteil eine durchsichtig einseitige Konsumangelegenheit. Interaktion ist mehr als das bloße Aufsaugen von Internetinhalten (Surfen:Zappen), "interaktiv ist nur etwas, das sich auch selbst ändern kann." Miteinander handeln findet nicht im Breitbandnetz statt, ist mehr als bloßes Chatten, das der Unterhaltung dient. Schon die Bezeichnung user: Nutzer beinhaltet Passivität. FoeBuDs Folgerung: Der Weg in eine Kommunikationsgesellschaft, die diesen Namen verdient, kann nur über die Ausbildung individueller Medienkompetenz gegangen werden. Medienkompetenz beinhaltet notwendig folgende wesentliche Punkte: Kenntnis, Anwendung, Kritikfähigkeit, Kreativität und Innovation. Das sind die Fähigkeiten, die im üblichen Miteinander von Menschen alltäglich stattfinden. Im neuen Medium Netz scheint es allerdings notwendig zu sein, an sie zu erinnern, um die Kommunikationsmöglichkeiten nicht naiv den Informationsmonopolen zu überlassen. Zur Verständigung ist Austausch mit Menschen nötig, Austausch auch über das Medium, in dem kommuniziert wird, Austausch über Entwicklungsmöglichkeiten dieses Mediums. FoeBuDs Vision: das Mediencafé. Nicht zu verwechseln mit Internetcafés, in denen Kommunikation nur in einer Richtung stattfindet, also keine ist. Das Mediencafe; ist als Bürgerzentrum zu denken, in dem innerhalb der Besucher ein Austausch stattfindet, wo Fachmenschen zu aktuellen Fragen Hilfestellung leisten, in dem die neue Form der Kommunikation gemeinsam erfahren wird. Und natürlich auch Kaffee und Kuchen nicht fehlen sollen. Tausend Dorfplätze also fürs weltweite Dorf. Und wer finanziert Dorfplätze üblicherweise? Alle, die davon ihren Nutzen haben: Wirtschaft und öffentliche Hand genau so wie Marktstandbetreiber und Kuchenesser. Globalisierung durch Regionalität. Das Konzept Mediencafe" wird kosten, die Fachkräfte wollen angemessen bezahlt werden, die laufenden Kosten sind nicht zu unterschätzen. Wer allerdings eine informierte demokratische Gesellschaft will, wird das Mediencafé als Investition in die Zukunft erkennen.

Das alltägliche Geschäft allerdings wird nicht von der Entwicklung von Visionen bestimmt. FoeBuD tummelt sich in verschiedenen freien Netzen, kümmert sich mit der vierten Auflage des Handbuches zum Verschlüsselungsprogramm pgp (pretty good privacy), um die Datensicherheit im e-mail-Verkehr, war Bestandteil des transnationaien Netzwerkes Zamir, das in den zersplitterten Staaten des ehemaligen Jugoslawien mit 7 Servern die Möglichkeiten der e-mail-Kommunikation aufrecht erhielt. Mittlerweile gibt es nur noch einen Server in Zagreb, der selbstständig und erfolgreich arbeitet. Das Ganze läuft nicht übers Internet, sondern über freie Netze wie Zerberus, CreenNet und AdriaNet, die auch mit pentiumfreier Hardware zu betreiben sind, also auf NetScape und MS-Explo-rer verzichten können. Die niedrige Hardwareschwelle der freien Netze rührt noch aus der Zeit, als Speicherplatz Mangelware war. Aus der Not vergangener Jahre heute die Tugend eines wirklich globalen Netzzugangs zu erkennen, widerspricht den Verkaufsabsichten der global players. Deren Demokratieverständnis endet beim cash: Mitmachen dürfen nur die, die es bezahlen können. WWW heißt also WestWorldWide. Heißt Zugangsbeschränkung per Kontoauszug. Heißt Kontrolle über Ressourcenzuteilung.

Die "Internetdissidenten" (padeluun) setzen weiter auf freie Netze, freuen sich aber über die reichlich vorhandenen Gegner. Denn denen soll ab nächstem Jahr die erste deutsche Version des Big Brother Award verliehen werden. Der von Privacy International erfundene Zitronenpreis ist für Institutionen und Personen bestimmt, die dem Ideal des Orwellschen Großen Bruder am ehesten entsprechen. Ob die Trophäe angenommen wird, ist nicht das Entscheidende, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit wird dem Preisträger gewiss sein. Und das ist auch das Ziel. Denn FoeBuD e.V. versteht sich als Informator einer potentiell informierten Gesellschaft, fokussiert Punkte, die andere gerne unbeleuchtet lassen. Und ist die Fortbewegung im Informationszeitalter so einfach wie Autofahren:

Fahrstunden, theoretische und praktische Prüfung und los gehts? "Nur fast richtig," sagt Rena, "denn es geht auch um das Fahrzeug, das du bewegst."


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