Bielefeld (WB). Buchstaben- und Ziffernkolonnen rollen über den Computerbildschirrn. In der Struktur eines Stammbaumes baut sich das Inhaltsverzeichnis der BIONIC-Mallbox auf. Padeluun (ein Künstlername) erklärt die verschiedenen "Bretter" (nach Themen in Dateien geordnete Texte) des "elektronischen Briefkastens" samt Zeitung: Informationen zum Umweltschutz, zu Sport, Gesundheit, UdSSR, Hoyerswerda, Computem, Menschenrechten, Kultur, Veranstaltungshinweisen und erschlagend viel mehr lassen sich einsehen. Und wer zu Hause oder in der Firma über einen Computer mit Modern verfügt, kann alt diese Mitteilungen bequem von dort aus einsehen - er oder sie braucht nicht In die Marktstraße 18 zu gehen, wo die eigentliche Mailbox - ein Computer, dessen darin gespeicherte Informationen über das Telefonnetz von anderen Computern abgerufen werden können - in der Galerie Art d'Arneublement steht. Mit dieser Mallbox und dem sie betreuenden Verein FoeBul) (Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs) beherbergt die Stadt Bielefeld ein Kleinod an Kreativität, Know how und Gemeinnutz im weiten Bereich der EDV.
Entstanden ist der FoeBuD in den Folgewirkungen einer Kunstausstellung: 1985 wurde der Chaos Computer Club in der Galerie Art d'Ameublement als Kunstwerk ausgestellt. Das rege Interesse und die Faszination die diese merkwürdige Ausstellung hervorrief veranlaßte Rena Tangens und padeluun, Betreiber von Art d'Ameublement, zusammen mit Corinna Luttmann vom Bunker Ulmenwall die Veranstaltung Public Domain (eigentlich "öffentlicher Bereich" - abgekürzt PD) zu initiieren. Einmal im Monat werden unter diesem Titel im Ulmenwall-Bunker Vorträge und Aktionen zu Themen aus dem EDV-Bereich geboten. Vom eindeutigen Erfolg der Public Domain Veranstaltung bestärkt gründeten die Aktiven 1987 den FoeBuD.
Der Verein hat heute rund 60 Mitglieder, ist auf der CeBIT mit einem
eigenen Stand vertreten, zeichnet verantwortlich für eine Mailbox,
die 400 eingetragene Nutzer hat und weltweit erreichbar ist, und hat
mit det Public Domain-Veranstaltungsreihe Bielefeld zu einem festen
Begriff in der landesweiten Computerszene gemacht. Gerade dieser
sogenannte "Bielefeld-Versuch" der PD-Veranstaltungen werde in der
Teuto-Stadt selbst sehr unterschätzt, meinen Rena Tangens und
padeluun.
So sei es vor allem den guten persönlichen Kontakten der
FoeBuD-Mitglieder zu danken, daß Referenten wie Steffen Wernery vom
Chaos , Computer Club oder einer der herausragenden Experten in
Sachen EDV-Recht, Günter Freiherr von Gravenreuth, sowie erst
kürzlich die Astronautin Claudia Kessler für die PD-Nachmittage
gewonnen werden können. Finanziell seien- diese Veranstaltungen für
die Referenten in keiner Weise reizvoll. Hier wünscht sich der FoeBuD
Hilfe durch die Stadt.
Noch mehr liegt dem Verein jedoch an städtischer Unterstützung für die
CeBIT. Im MesseBereich "Chancen 2000" präsentieren die Mitglieder ihr
Know how, ihre Ideen und ihre praktische Arbeit, wobei sie auf reges
Interesse von Wirtschaft, Forschung und auch Po.Iitik gestoßen sind.
Mit der Einrichtung der Bionie-Mailbox vor etwa zwei Jahren ist der
FoeBuD auch für eine n Teil der eher außerhalb der engeren EDV-Szene
stehenden Öffentlichkeit bedeutend geworden. Die Verbindung von
Computer zu Computer über das Telefonnetz, über DATEX-P oder ISDN wird
fraglos weiter zunehmen. Damit steht der FoeBuD also auch praktisch
als erninent zukunftsorientierter Verein da. Die Mailbox ist mit dem Z
dem CL und dem Umweltnetz APC verbunden. Durch die Vernetzung mit
Mailboxen in anderen Städten können Informationen aus diesen zum
Ortstarif genutzt werden. Wie wichtig alternative Informationsquellen
sind, zeigt sich auch daran, daß insbesondere während des Golf-Krieges
oder zur Zeit des Putschversuches in der UdSSR die Mailbox starke
Nutzungszu wächse verzeichnen konnte. Fanden sich doch darin
unmittelbar aus den betroffenen Ländern stammende Berichte, wie man
sie ansonsten vielleicht nur noch im Amateurfunkbereich hat.
Für die Zukunft streben die BIONIC- Betreiber eine
Professionalisierung ihrer Box an. Dafür wird die Verbindung zu Firmen
gesucht, die zwar eine Mailbox für ihre Arbeit nutzen könnten, aber
die Einrichtung einer eigenen aus Kosten- und Wartungsgründen nicht
leisten wollen. Druckereien, Reisebüros Softwarefirmen, Banken, aber
auch viele andere Brachen kommen dafür in Betracht. Mit der kommer
ziellen Nutzung dürfte dann wohl eine Abkopplung vom gemeinnützigen
FoeBuD verbunden sein.
Für die Zukunft des Vereins wünscht sich padeluun eine bessere Präsenz
in Bielefeld, so eine exponierte Lage für die Vereinsräume. Zudem
sollte die Stadt den FoeBuD seinen Aktivitäten und seinen
gemeinnützigen Leistungen entsprechend ernst nehmen - womit padeluun
auch eine finanzielle Unterstützung meint. Zur Zeit bemüht sich. der
Verein um Hilfen aus EG- Mitteln. Auch Firmen könnten das im FoeBuD
durch seine Mitglieder vertretene Know how für Schulungen und im
Unternehmensberatungsbereich nutzen.
Eine offene Zukunft also für einen Verein, der seiner Zeit ohnehin
schon ein wenig voraus zu sein scheint.
Westfalen Blatt, 25. November 1991