Von Manfred Horn
Der gemeinsame Antrag der Kreisverbände Bielefeld und Münster fand die Zustimmung von rund Zweidrittel der Delegierten, der Gegenantrag des Kreisverbandes Düsseldorf, der sich für eine Ausweitung der Videoüberwachung im Behrenschen Sinne aussprach, fiel durch. Die Fraktion muss jetzt in den Verhandlungen mit der SPD über eine die Videoüberwachung erlaubende Veränderung des Polizeigesetzes das Votum der Landesdelegiertenkonferenz berücksichtigen. "Es gibt jetzt eine klare Positionsbestimmung der Partei", sagte Klaus Rees gegenüber dem WebWecker. Sollte die Landtagsfraktion den Entwurf Behrens trotzdem akzeptieren, sei dies zumindest "erklärungsbedürftig". Rees freut, dass seine Partei, die gerne mit der Wahrung der Bürgerrechte argumentiere, eine klare Differenzierung vorgenommen habe und an einem konkreten Punkt formuliere, was Bürgerrechte bedeuten.
Rees sah in dem Beschluss einen "guten Tag für die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger in NRW" und verwies in der Fußnote darauf, dass der Landesdelegiertenkonferenz-Beschluss am Tag des Grundgesetzes, also am 23. Mai, gefasst wurde. Nach gültigem Gesetz, dass bereits 2000 verschärft wurde und dem dann ein Pilotprojekt in Bielefeld folgte, kann Videoüberwachung dann eingesetzt werden, um im Gesetz einzeln aufgezählte Straftaten mit erheblicher Bedeutung zu verhindern. Behrens plant, die Beschränkungen deutlich zu reduzieren. Auch mögliche Diebstahlsdelikte würden dann eine Videoüberwachung rechtfertigen. Der jetzt gefasste Beschluss der Landesdelegierten-Konferenz kritisiert, dass Videoüberwachung keinen Beitrag zur Verbesserung der Sicherheit der BürgerInnen leiste, aber das Grundrecht zahlloser Unverdächtiger, sich unbeobachtet in der Öffentlichkeit zu bewegen, beeinträchtige und außerdem ein Mittel sei, um etwa soziale Randgruppen aus den Innenstädten zu vertreiben. "Die Videoüberwachung öffentlicher Plätze breitet sich in Deutschland aus wie ein Ölfleck auf dem Wasser", sagte Holger Niehaus von der Arbeitsgemeinschaft Demokratie und Recht aus Münster. Der Gesetzentwurf würde dieser Entwicklung den Weg nach NRW bahnen.
Der Bielefelder Datenschutzverein FoeBuD war bei der Landesdelegiertenkonferenz ebenfalls dabei: Im Foyer machte der Verein die Delegierten auf die Unsinnigkeit von Videoüberwachung aufmerksam. Das Votum der Landesdelegiertenkonferenz beurteilte FoeBuD anschließend als "bisher größten Erfolg in seinem Engagement gegen das Unwesen der Videoüberwachung". FoeBuD arbeitet bereits seit Jahren gegen die Videoüberwachung und verlieh als Organisator des deutschen Datenschutz-Negativpreises Innenminister Fritz Behrens wegen der von ihm vorangetriebenen Videoüberwachung einen "Big-Brother-Award".
Der Ravensberger Park in Bielefeld war Ort eines Pilotprojekts, bei dem untersucht werden sollte, ob durch Videoüberwachung Kriminalität gesenkt werden kann. Doch die Überwachung vom Februar 2001 bis Ende März 2002 brachte zweifelhafte Ergebnisse. Während das NRW-Innenministerium auf die "erfolgreichen Zahlen des Bielefelder Modellprojekts" verwies und sich in der Umsetzung in ein Gesetz bestärkt sah, sahen Kritiker wie der Bielefelder Datenschutzverein FoeBuD, dass die Zahl der Straftaten im Zeitraum der Kamerainstallation sogar um 50 Prozent anstieg, von sechs Straftaten im Jahr 2000 auf neun Straftaten im Jahr 2001. Die Zahl der Delikte sei bereits vor Einführung der Kameras zurückgegangen, weil bereits im Jahr 2000 auf dem Gelände Sträucher zurückgeschnitten und neue Beleuchtung installiert worden sei. Gleichzeitig seien in der Stadt die Angebote für Alkohol- und andere Suchtkranke deutlich verbessert worden: Damit sei die Notwendigkeit verringert worden, sich im Park aufzuhalten.
Umstritten ist auch, ob bei einer derart geringen Zahl von Straftaten überhaupt von einem Kriminalitätsbrennpunkt gesprochen werden kann. Nur circa 0,2 Prozent der in Bielefeld verübten Straftaten finden im Ravensberger Park statt. Die geringe Zahl der Straftaten war für den Gutachter Klaus Boers vom Institut für Kriminologie der Universität Münster auch der Grund zu sagen, eine Evaluation könne es nicht geben, da nicht genügend Zahlen vorliegen. Kommunalpolitisch steht der Ravensberger Park immer wieder im Rampenlicht. Im vergangenen Jahr gab es dort eine Razzia gegen eine Ansammlung von Obdachlosen und Alkoholikern, örtliche Medien schufen den Begriff des "Tals des Todes". Vermutlich stecken dahinter Interessen, den Park als geschütztes Refugium für reiche und ordentliche Bürger anzulegen. Dafür sprechen auch aktuelle Überlegungen, den Park zu privatisieren. Dann könnte der Zugang beschränkt und auch ohne Änderung des Polizeigesetzes videoüberwacht werden. Videoüberwachung privater Räume ist grundsätzlich zulässig.
Nach geltendem Recht ist lediglich dann eine Aufzeichnung von Videoaufnahmen möglich, wenn diese zur Strafverfolgung benötigt werden. Der Entwurf von Innenminister Fritz Behrens sieht vor, dass Aufzeichnungsdaten einen Monat gespeichert werden dürfen. Die Überwachungsinstallation müsse aber für jeden Bürger erkennbar sein. Behrens hofft vor allem auf eine abschreckende und damit vorbeugende Wirkung. Trotz der Auflagen von Behrens fürchtet die Landesdatenschutzbeauftragte Bettina Sokol zunehmend Eingriffe in die Privatsphäre der Menschen. Für sie ist Videoüberwachung kein Allheilmittel. Andere Maßnahmen seien oft wirkungsvoller und würden weniger stark in die Rechte der Bürger eingreifen. Sie lehnt die geplanten Neuregelungen ebenso ab wie der Datenschutzbeauftrage von Baden-Württemberg und einige Polizeipräsidenten in NRW.
WebWecker, 26. Mai 2003
Original: http://www.webwecker-bielefeld.de/servlet/is/13250/