Sich mit Freunden vernetzen, auch wenn sie andere Netzwerke nutzen – das versucht das Projekt Social Swarm. Ein offener Standard soll Diaspora oder Friendica verbinden.
Als am vergangenen Freitag in New York gerade der Handel mit den Facebook-Aktien begann, projizierte der Datenschutz-Verein FoeBuD bei der SIGINT in Köln die Namen von mehreren alternativen Netzwerk-Projekten an die Wand. Die meisten von ihnen dürften dem durchschnittlichen Facebook-Nutzer völlig unbekannt sein.
Wie viele der 900 Millionen Facebook-Mitglieder kennen schon Diaspora, Friendica, buddycloud, Lorea, identi.ca oder SecuShare? Der FoeBuD will das ändern. Nicht, indem er einzelne bekannter macht, sondern indem er die Netzwerke miteinander vernetzt.
All diese alternativen Angebote sind dezentral organisiert. Das bedeutet, Daten der Nutzer laufen nicht auf zentralen Servern eines Unternehmens zusammen und können somit auch nicht für Werbe- oder sonstige Zwecke verwendet werden. Stattdessen können die Nutzer alles auf dem eigenen Server hinterlegen, oder auf einem, dem sie vertrauen. Sie behalten also die Kontrolle über ihre persönlichen Daten. Kurz: Facebooks Schwächen sind die Stärken der dezentralen Netzwerke.
Facebooks Stärke wiederum ist ihre Schwäche: Die schiere Masse der Mitglieder. Die Chance, bei Diaspora oder den anderen Alternativen alte Freunde wiederzufinden, ist eher gering.
Ein Zugang für alle Netzwerke
Facebook zu verlassen ist also nur dann eine Option, wenn man seine Kontakte trotzdem weiter pflegen kann. Hier setzt der FoeBuD mit seinem Projekt Social Swarm an, das vor einigen Monaten ins Leben gerufen wurde und nun in eine neue Phase gehen soll.
Social Swarm will eine Plattform sein, auf der die verschiedenen dezentralen und datenschutzfreundlichen Netzwerke an einem gemeinsamen offenen Standard arbeiten können. Ziel ist, die Netzwerke dem E-Mail-Prinzip anzugleichen: Niemand muss ein Konto von GMX oder Googlemail haben, um E-Mails von anderen GMX- oder Googlemail-Kunden zu erhalten oder ihnen schreiben zu können. Genauso soll in Zukunft jeder Diaspora-Nutzer die Statusupdates , Fotos und Kommentare seiner Freunde sehen können, auch wenn sie Mitglieder bei Friendica sind. Bislang funktioniert das nur in Ansätzen. Leena Simon vom FoeBuD sagt, der Verein wolle "neutraler Gastgeber für die Projekte" sein und beim Fundraising helfen. Bislang reden die Macher der Netzwerke eher informell miteinander, sagt sie, der Kontakt sei nicht immer einfach. "Wir wollen jetzt ein Commitment, dass sie wirklich einen gemeinsamen Standard entwickeln wollen." Der Zeitpunkt sei günstig, "weil die Kritik an Facebook gerade besonders laut ist". Dazu müssen die Betreiber überzeugt werden. Denn statt auf eigenes Wachstum zu setzen, müssten sie ihre Technik dem neuen Standard anpassen und darauf setzen, durch die Interkommunikation mit den Konkurrenten selbst attraktiver zu werden.
Dass ein Netzwerk wie Diaspora reizvoller wird, wenn es die Nutzer anderer Netzwerke praktisch genauso behandelt wie die eigenen, ist nachvollziehbar. Die entscheidende Frage lautet, ob das die Priorität der Anbieter ist – oder ob sie nicht lieber möglichst schnell mehr Nutzer zu sich zu holen wollen.
Jan-Christoph Borchardt, Webdesigner und Spezialist für dezentrale Ansätze, hält es durchaus für möglich, dass die Anbieter mitmachen. Borchardt versucht derzeit, mit dem Projekt remoteStorage den dezentralen Ansatz auf Web-Apps auszuweiten, damit diese auch ohne persönliche Daten funktionieren. In den Anfangstagen von Diaspora aber hatte er viel Kontakt zu den Entwicklern, bezeichnet sie teilweise als "enge Freunde". Denen gehe es um mehr als das nächste große Ding im Internet, ist er überzeugt. Es gehe um die Ideale der dezentralen Netzwerke: "Die wollen ja nicht nur Anti-Facebooks sein. Diaspora zum Beispiel zielt derzeit nicht zuallererst auf mehr Nutzer, sondern darauf, attraktiver zu werden."
Attraktiver wäre ein Angebot mit einer solchen Funktion. Eine Prognose, wann es einen gemeinsamen Standard geben könnte, will Borchardt trotzdem nicht abgeben.
Patrick Beuth
Zeit Online, 23. Mai 2012
Original: http://www.zeit.de/digital/datenschutz/2012-05/facebook-alternativen-social-swarm