Im Büro von FoeBuD, dem Bielefelder "Verein zur Förderung
des öffentlichen bewegten und
unbewegten Datenverkehrs",
herrschte Aufbruchstimmung.Draußen filmte ein Kamerateam
vom WDR, derweil noch die letzten Sachen für die anstehende
Reise zusammengepackt wurden.
Grund für die ganze Aufregung
war die Verleihung des Multimediapreises "Sinnformation", den
FoeBul) am 26. Mai für sein Projekt "Zamir Transnational Network" von der Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen erhalten hat. Dazu allein mit konventionellen Verkehrsmitteln
anzureisen, wäre den Bielefeldem zu wenig spektakulär gewesen; als Kontrast zur Arbeit am
Monitor, und um alternative
Verkehrswege aufzuzeigen, starteten deshalb sieben der insgesamt 80 FoeBuD-Mitglieder am
Freitagmorgen zu einer fünftägigen Reise zur Preisverleihun
nach Bonn. Auf Inlineskates.
Padeluun, Künstler und Mitbegründer des Vereins, sieht einen
engen Zusammenhang zwischen
der Organisation von Straßenund Datennetzen: "Bei der Planung der Strecke ergaben sich erhebliche Schwierigkeiten, da die
Straßenkarten nur auf den Autoverkehr ausgerichtet sind. Žhnlich ist es auch mit den Kommunikationsstrukturen. FoeBuD
tritt für eine Kommunikationsstatt einer Informationsgesellschaft ein: Die Menschen müssen die Möglichkeit haben, an einem demokratischen Diskurs
teilzuhaben".
Mit diesem Ziel entwickelte
die Mediengruppe auch das Zamir-(deutsch: "Für den Frieden")-Projekt, für das ihnen jetzt
der mit 3.000 DM dotierte Preis
verliehen wurde. FoeBuD-Mitglied Eric Bachman, der bereits
seit Beginn des Konfliktes im
ehemaligen Jugoslawien in der
dortigen Friedensarbeit engagiert
war, erregte 1992 weltweit Aufsehen, als er Menschen aus beiden
Teilen des Kriegsgebietes über
die Bielefelder BIONIC-Mailbox
vernetzte: je ein Mailbox-Systern
in Zagreb und Belgrad sollten
nicht nur die fast unmöglich gewordene Kommunikation innerhalb der Friedensgruppen, sondern auch den Aust4usch von
Briefen zwischen allen Menschen in den Gebieten der
Kriegsparteien und den Kontakt
mit dem Rest der Welt wieder
herstellen.
Es folgte der Anschluß weiterer
Mailboxen in Ljubliana, Sarajevo, Tuzla, Pakrac und Pristina, so
daß bis 1997 bereits 5.000 Gruppen und Einzelpersonen durch
Zamir vernetzt waren. Dabei war
das Besondere an dem Projekt,
daß es ausschließlich mit LowTech-Ausrüstung zustande kam:
Anfangs wurden 3.000 Teilnehmer mit nur drei Telefonleitungen bedient. Auch ein Fraueninformationszentrum gehört zum
noch heute existierenden ZamirNetz: Ober "Zenska Infoteka" in
Zagreb oder "Medica Zenica" in
Bosnien kommunizieren vergewaltigte und traumatisierte Frauen online.
Obwohl padeluun sich über
die Auszeichnung des Projektes
und die damit verbundene finanzielle Honorierung der Arbeit
von FoeBul) freut, ärgert er sich
doch ein wenig darüber, daß die
Arbeit des Vereins immer noch
nicht die gewünschte öffentliche
Resonanz erzeugt: "Wir hätten es
gerne gesehen, wenn unsere Arbeit als Gesamtkonzept verstanden würde, aber Zamir ist wahrscheinlich unser am besten vermittelbares Projekt." Auch über
die Medienpolitik derjenigen,
die den Preis ausgelobt haben,
sind die Mitglieder des Bielefelder Computerclubs nicht so
recht glücklich: "Statt auf alternative Strukturen haben auch
Bündnis 90 / Die Grünen irgendwann auf das Internet gesetzt."
In ihrer Rede bei der Preisverleihung am Dienstag werden padeIuun & Co. daraus sicher keinen
Hehl gemacht haben.
Imme Witzel
Stadtblatt, 28. Mai 1998