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Carmen Thomas und Computer-Kids

Auf der Spur von Tetris und Mario

Bielefeld (bp); "Machen Sie es doch so wie die Marienkäfer - rücken Sie dicht zusammen, dann ist es für alle wärmer!" forderte Carmen Thomas, selbst in dickem Mantel, das Publikum gestern morgen auf. Es war nur ein Häuflein Bielefelder gekommen, um live dabei zu sein, als die populäre Rundfunk-Moderatorin mit ihrem Ü-Wagen, der "Violetta" (die nicht nur so heißt, sondern auch violett ist) zu Gast in der Bielefelder Marktstraße war.

Der Platz daheim vorm Radio war einfach wärmer. Viel wärmer. Behandelt - zwischen Nachrichten, Werbeblocks und Musikeinspielungen - wurde das Thema "Abgeschirmt? - Kinder und Computer". Erste Frage von Carmen Thomas, die seit 19 (!) Jahren mit ihrem ÜWagen "auf Achse" ist: "Wer hat noch keinen Computer?" Gut die Hälfte der knapp 50 Zuhörer meldete sich. Trotzdem versuchte die WDR-Moderatorin während der gesamten 160 Sendeminuten ebenso verzweifelt wie vergeblich jemanden zu animieren, in die Marktstraße zu kommen und einen bei Computer-Kids so beliebten Gameboy (Tetris, Super Mario) mitzubringen ("Der macht so merkwürdige Geräusche").

Die Experten (unter ihnen die Bielefelder Pädagogin Dorothee Meister und Rena Tangens vom Bielefelder Verein zur Förderung des öffentlich bewegten und unbewegten Datenverkehrs)tauschten Argumente aus - meist die der gängigen Art: Die einen meinten, Kinder würden vorm Computer "vereinsamen", sie würden, die Fähigkeit zur Kommunikation verlieren, sich isolieren, den Kontakt zu anderen Menschen vernachlässigen; für die anderen kann es gar nicht früh genug los gehen mit der Beschäftigung mit dem Computer - am liebsten schon im Kleinkindalter, weil er die Kreativität fördere, weil Computer-Spiele lehrreich seien. der PC besser auf die Zukunft vorbereite. . . Und Dirk (13) meinte schlicht: "Ich setze mich an den Computer, wenn ich Langweile habe."

Familientherapeut Ekkehard Krebs warnte davor, den Computer als "Kindermädchen" einzusetzen : "Die Kinder fühlen sich abgeschoben, lernen nicht mehr, mit ihren Gefühlen umzugehen." Eine Untersuchung der Bielefelder Universität, so Dorothee Meister, habe bewiesen, daß "Cornputerspiele keine Domäne von Jungen" sind: "Allerdings das Programmieren gilt als männliches Medium."

Carmen Thomas verstand es, trotz der eher zögerlichen Zuhörerschaft vor Ort, den einen oder anderen Bielefelder zu einem Besuch auf dem Ü-Wagen zu bewegen, ging auf ihre Gesprächspartner intensiv ein - auch auf die, die gleich von Anfang an bekannten: "Computer - das ist nicht mein Fall." Die WDR-Moderatorin hat es sich zur Aufgabe gemacht, ihre Donnerstagssendung Alltagsproblemen zu widmen, auch solchen, über die "man" nicht so gern spricht, erst recht nicht öffentlich. Sie schafft es, jedermann die Scheu zu nehmen, sich zu äußern. Und an Themen für künftige Sendungen mangelt es ihr nicht - für die nächsten Jahrzehnte wäre sie bestens versorgt. Beim WDR stapeln sich mittlerweile annährend 2 000 Vorschläge von Zuhöreren. . .

Westfalen Blatt, 12. Februar 1993

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