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Private Mailbox-Systeme auf der Cebit

py. HANNOVER, 27. März. Datenfernübertragung ist längst nicht mehr ein nur von Unternehmen professionell genutztes Mittel zur Nachrichten- übermittlung. Nachdem sich die Ökologische Bewegung und die aus ihr hervorgegangenen Gruppierungen lange mit neuen Techniken überhaupt und dem Teufelsding Computer im besonderen schwertaten - bestes Beispiel die Grünen in Bonn -, hängen nun sie, aber auch regionale und international operierende Umweltschutz-Gruppen im elektronischen Netz. Sie erhoffen sich davon einerseits vierbesserte Kommunikation untereinander, aber auch größere Breitenwirkung. Ganz umweltbewußt charakterisiert die in der Bielefelder Mailbox "//Bionic" mitarbeitende Künstlerin Rena Tangens das Medium als "Zeitung ohne Altpapier".

Unter dem Dach der für die Jugend gedachten Ausstellung "Chancen 2000" auf der Cebit sind eine ganze Reihe privater Mailbox-Systerne vertreten. Mailboxen können eine Kombination aus Anrufbeantworter, telefonischem Auftragsdienst, Datenbank, Archiv mit automatischer Wiedervorlage und Nachrichtenbeförderung sein. Stand in der Vergangenheit eher der Reiz im Vordergrund, diese technisch nicht ganz anspruchslose Computeranwendung überhaupt zu bewältigen, wird nun von den Benutzern reibungsloser Service gewünscht. Den aber werden nach Schätzung von Rena Tangens allenfalls zehn Prozent der existierenden Boxen leisten können.

Der Aufwand für eine wirklich funktionierende private Mailbox läßt sich nur noch dadurch verwirklichen, daß die Hobby-Systembetreiber es den kommerziellen Anbietern nachtun und Gebühren erheben. Bei der mit mehr als hundert anderen Systemen in der Bundesrepublik und dem benachbarten Ausland vernetzten "//Bionic" in Bielefeld, wo man beispielsweise die Nitrat-Werte von Hausbrunnen der Region abfragen kann, zahlt der Benutzer zwischen sechs und neun Pfennig je Minute, die er "on line' ist. Das ist wenig verglichen zu den Kosten, die bei einem der großen Anbieter entstehen - wobei deren Leistungsangebot allerdings auch wesentlich größer ist. Wer jedoch eher selten ein Telex nach Tokio absetzt und keinen Durchstieg in amerikanische Datenbanken benötigt, erhält für wenig Geld die wichtigsten Mailboxfunktionen und in manchem privaten System auch sehr spezialisierte Angebote, die sonst nirgends übers Telefonnetz angeboten werden. So wandelt sich das Spektrum der Benutzer: Zunehmend sind es nicht 'mehr bloß Computerfans. Vielfach wird der Kostenvorteil privater Mailboxen auch dazu genutzt, überhaupt erst einmal mit dieser Kommunikationsform Erfahrungen zu sammeln.

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Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. März 1990

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