Von Konrad Lischka
"Chipkarten und Überwachung", "Biometrie - Funktionsweise und Sicherheit", "Datenfunk-Übertragungstechniken'': Solche Themen beschäftigen den Chaos Computer Club. Das erstaunt, entstand doch der CCC im linksalternativen, oft technikfeindlichen Milieu der achtziger Jahre. Genau wie einige andere Initiativen, die sich mit den gesellschaftlichen Folgen von Informationstechnologie beschäftigen. Eines haben sie alle - auch die im Hightechboom der neunziger Jahre gegründeten Gruppen - gemein: Sie wollen nicht weniger, sondern anders angewandte Technologie.
Der CCC ist mit seinen 1400 Mitgliedern die formal größte und zudem älteste deutsche Organisation auf dem Gebiet. Gegründet wurde der Verein am 12. September 1981 in den Berliner Redaktionsräumen der alternativen Zeitung taz am Tisch der Kommune 1. Der im vergangenen Jahr gestorbene Gründervater Wau Holland erinnerte sich an die Widersprüche der Herkunft: "Die Redakteure der taz haben das 1981 überhaupt nicht begriffen, was da irgendwelche Leute, die mit Computern anreisten, wollen." Eine Frau aus der Abonnementabteilung hätte erkannt, wie wichtig Computer sind, und das Treffen ermöglicht. Bald danach beriet der CCC Grünen-Politiker in Technikfragen.
Als Organisation ein wenig jünger, beim Durchschnittsalter jedoch wohl etwas älter ist das "Forum Informatikerlnnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung" (FIfF). 250 Computerwissenschaftler, Praktiker und Studenten gründeten den Verein am 2. Juni 1984 bei einem Treffen an der Bonner Universität. Auch hier ist der Hintergrund politisch. Vorstandsmitglied Ralf E. Streibl: "Es gibt einen Zusammenhang mit der Friedensbewegung. Damals haben sich viele berufsständische Initiativen gegründet." Doch das FIfF mit seinen derzeit 900 Mitgliedern hat sie überlebt. Streibl vermutete als Grund dafür: "Wir haben uns eher gegenüber anderen Themen geöffnet." Die reichen nun von einer bundesweiten Aktion gegen Videoüberwachung über eine lokale Kampagne in Bremen gegen Chipkarten für Asylbewerber bis zum weiten Feld "Technik, Geschlecht, Gesellschaft", das im Oktober auf der Jahrestagung beackert wurde.
Das FIfF ist in erster Linie ein Diskussionsforum für die Fachwelt mit Interesse an der gesellschaftspolitischen Bedeutung von Informationstechnologie. Mit Gutachten und Stellungnahmen bei Anhörungen beeinflusst das FIfF die Politik. Mangels finanzieller Möglichkeiten fehlt aber eine darüber hinausgehende Lobbyarbeit. An die Öffentlichkeit wendet sich das Forum seit einigen Jahren verstärkt, beispielsweise über die Beteiligung an der Verleihung der deutschen Big-Brother-Awards.
Organisiert wird die vom ebenfalls in den achtziger Jahren gegründeten "Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs" (Foebud). Die Bielefelder Initiative starteten die Künstler padeluun und Rena Tangens. Ihr Charisma und kreative Aktionen wie die "Privacy-Card" gegen das Payback-Rabattsystem brachten den Wahl-Bielefeldern überregionale Bedeutung.
Die zweite Welle deutscher Initiativgruppen an den Schnittstellen von Informationstechnologie und Gesellschaft entstand in den neunziger Jahren. Der Unterschied: Hintergrund waren weniger als in den achtziger Jahren politische Entwicklungen, sondern vielmehr technologische. Computer eroberten als PCs immer mehr Haushalte, und das Internet wurde mit dem World Wide Web populär. Vor diesem Hintergrund gründeten 1996 in München sieben Netzaktivisten den "Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft" (Fitug). "Eigentlich wollten wir nur unsere Aktivitäten bündeln. Damals ging es noch darum, das Medium und seine Benutzung bekannter zu machen - mehr in Richtung Information", erinnert sich Jürgen Plate, Gründungsmitglied und Informatik-Professor an der Münchner Fachhochschule.
Seminare und Beratung über Chancen und Risiken der Informationstechnologie sind heute nicht mehr das wesentliche Tätigkeitsfeld des Fitug. Anfingen werden beantwortet oder an die entsprechenden Experten unter den 80 Mitgliedern weitergeleitet. Die diskutieren vor allem intern. Bei großen Themen wendet sich Fitug auch über Presse und Diskussionsveranstaltungen an die Öffentlichkeit oder mit Briefen an verantwortliche Politiker. Wichtig sind für den Verein derzeit "Privacy, Sperrverfugungen, teils das Patentrecht".
Fragwürdige Patente sind der Existenzgrund des "Fördervereins für eine Freie Informationelle Infrastruktur" (FFII), der 1999 in München gegründet wurde. Gehörten zuerst vor allem Linux-Freaks dazu, die sich von Münchner Installationsfesten kannten, sind die 187 Mitglieder heute bundesweit verstreut. Sie engagieren sich für offene Schnittstellen und einen fairen Wettbewerb, ohne proprietäre Programme wie Windows per se zu verdammen. Den Mitgliedern schwebt ein Gegengewicht zum Branchenverband Bitkom vor, geführt von Softwarefachleuten statt Juristen, Managern und Werbern.
Noch ist der FFII davon weit entfernt - wie alle anderen Initiativen. Zwar gibt es in Deutschland mehr bekannte Organisationen als etwa in den USA, doch ist keine von ihnen groß genug für eine Lobbyarbeit, die sich mit der von Industrieverbänden messen kann. Deshalb waren bisher wohl auch jene Initiativen am erfolgreichsten, bei denen viele der Gruppen sich zu einer Plattform zusammengeschlossen haben: etwa beim .Big-Brother-Award oder .Privatkopie.net.-Vielleicht aber sind die netzartigen Strukturen dem Thema förderlicher als alte Lobbyhierarchien.