Ein sympathisches Lächeln werden die Kontrollbeamten wohl immer seltener zu sehen bekommen, wenn sie den neuen Reisepass aufschlagen. Und wem bisher die Vorfreude aufs Reisen auch in seinem Ausweis ins Gesicht geschrieben stand, der wird sich ab November beim Fotografen mimisch zurückhalten müssen. Denn in rund vier Wochen führt Deutschland als erster EU-Staat den ePass ein. Dieser „elektronische Pass“ – äußerlich identisch mit dem Vorgänger – wird den derzeit gültigen in den nächsten Jahren ablösen. Und damit der Übergang zu einer elektronisch gestützten Grenzkontrolle möglichst reibungsfrei verläuft, hat das Bundesinnenministerium neue Richtlinien erlassen – die unter anderem vorschreiben, wie die Passbilder der Zukunft auszusehen haben.
Die betreffende Person muss frontal und mit möglichst neutralem Gesichtsausdruck aufgenommen sein. Eine weitere Regelung gibt vor: Augen auf und Mund zu. Auch Haare, Brille oder Kopfbedeckung dürfen das Bild im EU-Biometrie-Pass, so der vollständige Titel des Dokumentes, nicht stören. Diese strengen Vorgaben sind notwendig, weil es der ePass auf lange Sicht ermöglichen soll, durch elektronische Ablesung den Ablauf der Grenzkontrollen zu vereinfachen und somit zu beschleunigen. Zudem werde der neue Reisepass schon jetzt „alle internationalen Sicherheitsbedingungen erfüllen“, teilt das Bundesinnenministerium mit.
Neben den EU-Mitgliedern werden auch die USA, Japan, Russland, Australien, Kanada und andere Staaten ab Mitte des Jahres 2006 den biometrischen Reisepass einführen. Die Empfehlungen zu internationalen Sicherheitsstandards leitete die Internationale Zivilluftfahrtbehörde aus der Arbeit des verantwortlichen Gremiums ab, in dem auch das Bundesinnenministerium, das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) vertreten waren.
Um die elektronische Erkennung auch auf internationaler Ebene zu gewährleisten, wurde dem ePass ein RFID-Speicherchip (Radio Frequency Identification) implantiert, der von den Kontrollgeräten verschiedenster Länder gelesen werden kann. Auf dem Chip sind die biometrischen Daten des Passinhabers gespeichert. Diese umfassen zunächst nur die im Pass enthaltenen Angaben zur Person sowie eine digitale Version des Passbildes. Die derzeitigen Pässe seien zwar schon „hoch fälschungssicher“, wie Michael Dickopf, der Pressesprecher des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), betont, aber das digitale Foto „bindet die Person noch stärker an den Ausweis“. Da die Festlegung auf zwei biometrische Merkmale nicht nur die Sicherheit, sondern auch die Flexibilität bei der Kontrolle ermöglicht, werden ab März 2007 auf den Chips auch die Fingerabdrücke des rechten und linken Zeigefingers als digitale Bilder abgelegt.
Vereinzelt wurden biometrische Kontrollverfahren – die den Beamten auch zukünftig nur unterstützen, nicht ersetzen sollen – bereits auf ihre Alltagstauglichkeit getestet. Der Frankfurter Flughafen startete im Februar 2004 ein „Biometrisches Grenzkontrollprojekt“, dessen Laufzeit erst kürzlich um weitere zwei Jahre verlängert wurde. An dem Praxistest beteiligen sich inzwischen etwa 15 000 Bürgerinnen und Bürger, zumeist Vielflieger. Nach einer einmaligen Registrierung der Pass- und Irisdaten stehen den Teilnehmern so genannte AutoControll-Spuren zur Verfügung, auf denen sie ihre Ein- und Ausreise maschinell abwickeln können.
Klaus Ludwig, Pressesprecher der Bundespolizei Frankfurt a.M., zieht „von der Akzeptanz her eine positive Bilanz“ und ist erfreut, dass es kaum „Berührungsängste mit der neuen Technik“ gebe. Auch die Technik habe sich bewährt: „Die Fehlerquote liegt bei einem Prozent derzeit.“ Natürlich, so Ludwig, sei das Projekt am Flughafen Frankfurt „ein Probelauf, da gibt es immer wieder Optimierungsbedarf“. Wenn sich „einer in der Kontrollspur nicht richtig verhält“, etwa die Augen halb geschlossen halte, „dann kann es sein, dass eine Ausleitung erfolgt“. Aber selbst wenn es zur Nachkontrolle durch einen Beamten komme – „es geht immer noch schneller als in der Schlange“.
Der amtlichen Vorfreude auf die Sicherheitssysteme der Zukunft steht die Skepsis verschiedener Institutionen gegenüber. Sowohl auf Bundesebene als auch bei lokalen Initiativen wurde Kritik laut - nicht nur bezüglich des Preises. Der ePass kostet 59 Euro, mehr als doppelt so viel wie der alte (26 Euro). Für Ira von Wahl, die Sprecherin des Bundesbeauftragten für Datenschutz, sei grundsätzlich fragwürdig, „ob der Aufwand im Verhältnis zum Sicherheitsgewinn steht“. Die deutschen Pässe seien schon „verhältnismäßig sicher“, die „neue Technik noch nicht ausgereift“. Deutschland solle lieber die „Zeit nutzen, die verbleibt, um die Sicherheit des Einzelnen in diesem Verfahren zu gewähren“. Stattdessen presche das Innenministerium vor, was „aus unserer Sicht nicht sein müsste“, da die EU einen längeren Zeitplan vorsehe und selbst die USA die ursprüngliche Frist aufgeschoben hätten.
Nach den Anschlägen im September 2001 hatten die Vereinigten Staaten auf eine schnelle Umsetzung neuer internationaler Sicherheitsrichtlinien gedrängt. Michael Dickopf vom BSI entgegnet knapp: „Die Entscheidung der Amerikaner kam zu spät, da war bei uns schon alles in trockenen Tüchern.“ Ausführliche Tests der Methoden hätten zudem ergeben, dass Fingerabdruck und Gesichtserkennung „hoch sicher“ seien, lediglich das Verfahren der Iris-Scannung – hierbei werden die Augen gefilmt und mit einem gespeicherten Bild abgeglichen – habe sich als „nicht so optimal“ erwiesen. Aber, daran lässt Dickopf keinen Zweifel: „Bis das eingeführt wird, ist die Technik so weit.“
Der Bielefelder „Verein zur Förderung des öffentlichen und nicht öffentlichen Datenverkehrs“, der sich kritisch mit Datenschutz und den Folgen technischer Überwachung auseinander setzt, steht dem biometrischen Reisepass ebenfalls ablehnend gegenüber. „Fatal“ sei die Kombination von „individueller Personennummer und einem individuellen Pass“, die möglicherweise „per Funk abgefragt werden kann“, argumentiert FoeBuD-Gründungsmitglied Rena Tangens.
Persönliche Daten könnten mit entsprechenden Geräten praktisch jederzeit und überall abgerufen werden. So könne ein „internationales Bewegungsprofil erstellt werden“, das im ungünstigsten Falle den arglosen Urlauber in Erklärungsnot bringen könnte. Es gebe Länder, „die sich aufgrund datenschutzrechtlicher Bedenken nicht so einfach bereit erklärt haben“, den ePass einzuführen. Letztlich sieht Rena Tangens hinter dem hohen Preis für den ePass, der sich „keinesfalls mit dem eingesetzten Chip rechtfertigen lässt“, eine „verdeckte Wirtschaftsförderung der Bundesdruckerei“.
Dort hingegen ist zu erfahren: Nicht allein der Chip sei Grund für die Gebührenanhebung, „sondern es muss auch eine Infrastruktur aufgebaut werden“, sagt die Pressesprecherin der Bundesdruckerei, Iris Köppke. An den Grenzübergängen müssten entsprechende Hard- und Software installiert, in den Passämtern neue Formulare angelegt werden. Auch Bedenken in Fragen der Datensicherheit seien unnötig, wie Iris Köppke versichert, „alle datenschutzrechtlichen Belange wurden beachtet“. Und in der offiziellen Mitteilung des Innenministeriums ist zu lesen: Die Daten könnten weder unberechtigt ausgelesen noch verändert werden, das „unberechtigte Abhören der Biometriedaten während der Kommunikation zwischen Chip und Lesesystem wird durch Verschlüsselung verhindert“.
Derzeit ist man im Ministerium vor allem damit beschäftigt, die Richtlinien für die Fotoaufnahmen an Behörden und Fotografen zu versenden. Gudrun Vekony, Fotografin in Frankfurt, weiß, was nun auf sie zukommt. Sie finde vor allem eines schade: „Ich kann die Bilder jetzt nicht mehr künstlerisch gestalten.“ Bisher habe sie immer versucht, „was Schönes draus zu machen“, zumal Passkunden die Kunden seien, „die später auch mal wieder kommen für ein Porträt“. Im Grunde machen die neuen Regelungen Sinn – aber „nicht Lachen – das ist ein Witz“.
Boris Halva
Frankfurter Rundschau, 01. Oktober 2005
Original: http://frankfurterrundschau.de