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Freiheit für das Smartphone! Wie Sie Ihr Handy von Google und Apple abklemmen

Kennen Sie nicht auch dieses nervöse Kribbeln, wenn Sie Ihr Smartphone benutzen - als würde einem dauernd jemand über die Schulter sehen? Dieser Jemand sind die Smartphone-Konzerne Google und Apple, von deren Geräten niemand so genau weiß, welche Daten sie an den Großen Bruder weitermelden. Doch damit soll jetzt Schluss sein. Die Free Software Foundation Europe (FSFE) hat eine Kampagne zur »Befreiung« der Smartphones gestartet. Die Geräte sollen endlich vom Gängelband der Konzerne abgeschnitten werden.

Achtung – es sieht Ihnen jemand über die Schulter! Ja, Ihnen! Nein, nicht da hinten – vorne! Direkt vor Ihrer Nase! Ihr Smartphone! Sehen Sie nicht die beiden bunten Pfeile in der Statusleiste des

Displays? Ein grüner für ankommende Daten und ein roter für gesendete Daten. Mal leuchtet der grüne Pfeil auf und mal der rote. Aber wieso der rote? Was wird da eigentlich gerade gesendet? Wissen Sie das überhaupt? Informiert Sie das Handy über die momentan übertragenen Daten? Und wenn: Könnten Sie dieser Information von Google beziehungsweise dessen Handy-Betriebssystem Android überhaupt trauen?

»Was macht mein Smartphone da eigentlich?«, fragt jetzt auch der renommierte Bielefelder Bürgerrechtsverein FoeBud e.V.: »Kaum ein iPhone-Besitzer kann das beantworten. Auch Besitzer von Telefonen mit dem Android-Betriebssystem können nie sicher sein, ob ihr Telefon gerade vertrauliche Daten an irgendjemanden im weltweiten Telefonnetz versendet. Zudem: Vor dem Nutzen des eben gekauften Telefons muss man sich registrieren lassen, bevor es funktioniert«.

Smartphones sind etwas zu smart

Anwendungen wie Kalender, Navigation und E-Mail würden »bei jeder Benutzung Daten (zum Beispiel über den Aufenthaltsort, die persönlichen Planungen oder Gemütszustände) produzieren.« Google zum Beispiel hat es besonders gern, wenn man seine Termine gleich auf Google-Servern führt – und zwar über den Google-Kalender. Was mit den Daten passiert, so FoeBud, sei »noch immer weitgehend unklar. Denn egal, ob iPhone oder ein Android-Mobiltelefon – Benutzer liegen an der Leine eines Konzerns.«

Nach dem Geschmack von Nutzern und Datenschützern sind Smartphones daher etwas zu smart: Nach dem Kauf eines solchen Gerätes werde man als erstes aufgefordert, »sich einen entsprechenden Account anzulegen. iPhones und der gesamte Appstore funktionieren nur, wenn man sich mit seinem Telefon anmeldet. Auch das freie Betriebssystem Android kann nicht richtig genutzt werden ohne Anmeldung eines Google-Accounts«, bemängelt der Datenschutzverein FoeBud. Und: »Welche Daten genau mit diesen Accounts verknüpft werden, bleibt für die Otto-Normal-Anwenderin undurchsichtig«.

Kunden als elektronische Geiseln

Im April 2011 erhielt die Apple GmbH München den Big Brother Award von FoeBud »für die Geiselnahme ihrer Kunden mittels teurer Hardware und darauf folgende Erpressung, den firmeneigenen zweifelhaften Datenschutzbestimmungen zuzustimmen.« Als Kern des Problems sahen die Datenschützer ausgerechnet die »Datenschutzrichtlinie« von Apple: Dort erlaube sich das Unternehmen, die Daten des Kunden mit »verbundenen Unternehmen […] aus[zu]tauschen und sie nach Maßgabe dieser Datenschutzrichtlinie [zu] nutzen«. Dabei gehe es nicht nur um eine Kreditkartennummer, sondern um »Daten wie namentlich Beruf, Sprache, Postleitzahl, Vorwahl, individuelle Geräteidentifizierungsmerkmale sowie Ort und Zeitzone, wo Apple-Produkte verwendet werden«. Darüber hinaus könne Apple »präzise Standortdaten erheben, nutzen und weitergeben, einschließlich des geographischen Standorts Ihres Apple-Computers oder Geräts in Echtzeit.« Im selben Monat kam heraus, dass Apples iPhones die Standorte ihrer Benutzer tatsächlich über ein Jahr lang gespeichert haben – ein komplettes Bewegungsbild also. Laut excite/digiweb wurden die Daten gar an Apple weitergeleitet, wenn auch nur »verschlüsselt«.

Free your Android!

Sicher doch. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Aber bekanntlich ist Kontrolle besser als Vertrauen. Besser wäre es also, man würde die Smartphones von der Leine der Schnüffelkonzerne abschneiden. Dafür empfiehlt FoeBud eine Kampagne der Free Software Foundation Europe (FSFE). Motto: »Free your Android«. Das Ziel laut FoeBud: »Alles funktioniert ohne einen Google-Account, und die Kontrolle über das Gerät und die darauf gespeicherten Daten bleiben in Nutzerhand«. Außerdem sollen Optionen zur Verfügung stehen, »die auf vom Provider künstlich gedrosselten Geräten nicht existierten. Viele Optionen, die rein technisch kein Problem wären (wie zum Beispiel ein Daten-Backup auf dem eigenen Rechner anzulegen...), werden gezielt unterbunden, was einer Drosselung des Gerätes gleich kommt. Die Nutzerinnen und Nutzer sollen abhängig bleiben. Kontrolle über die eigenen Daten? Fehlanzeige!«

»Die Menschen müssen sich die Souveränität über ihre Geräte neu erkämpfen – ohne sie sind Bürgerrechte und Privatsphäre in einer freiheitlichen Gesellschaft nicht denkbar«, sagt Leena Simon vom FoeBud. Auf der FSFE-Kampagnenseite »kann man sich sowohl über die politischen Hintergründe informieren, als auch darüber, wie man sich selbst ein solches Telefon einrichten kann.«

Keine Angst vor Replikanten

Angst vor Software und Computern darf ein solcher »Handy-Freiheitskämpfer« freilich nicht haben. Wer zum Beispiel ein anderes Betriebssystem als das originale Google Android installieren will, sollte sich beim Handykauf vergewissern, ob der »Bootloader« (das Startprogramm) des Gerätes entsperrt werden kann. Wobei manche Hersteller ihre Apparate »mit bereits entsperrtem Bootloader ausliefern oder Ihnen die Möglichkeit geben, die Geräte zu entsperren«, heißt es auf der FSFE-Webseite. Welche Geräte mit freien Android-Versionen laufen, sagt man Ihnen hier.

Ist die Frage nach dem Bootloader positiv beantwortet, steht der bunten Welt der Replikanten (Kopien) nichts mehr im Wege. Wie wär's zum Beispiel mit der Android-Variante ReplikantOS, »die zu 100 Prozent aus freier Software besteht«? Da sie jedoch nur auf wenigen Geräten läuft, käme stattdessen auch das freie Betriebssystem CyanogenMod in Frage – »die verbreitetste Android-Variante zum Nachinstallieren«. Im Gegensatz zu ReplikantOS laufe sie auf vielen Telefonen und biete mehr Möglichkeiten als »die von Herstellern mit ausgelieferten Android-Varianten«. CyanogenMod werde ohne Google-Anwendungen ausgeliefert und gebe dem Benutzer mehr Freiheit im Umgang mit seinem Handy. Noch brauche CyanogenMod allerdings »nicht-freie Treiber und Firmware«.

Schließlich wäre da noch das Ärgernis Android Market. Wer hier seine kleinen nützlichen Handy-Programme einkauft, wird leicht zum gläsernen Kunden. Als Gegengift empfiehlt die »Free Handy«-Kampagne F-Droid. Die F-Droid-Initiative stelle »eine Sammlung von leicht zu installierender freier Software zur Verfügung«, außerdem Möglichkeiten, »die Softwaresammlung zu durchsuchen, Programme zu installieren und diese auf aktuellem Stand zu halten.« Selbst auf eine bequeme Synchronisierung seiner Daten muss der moderne Handy-Rebell FSFE zufolge nicht verzichten. Glücklicherweise gebe es auch dafür eine freie Software...

Gerhard Wisnewski

KoopTech.de, Dieburg, 12. März 2012
Original: http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/enthuellungen/gerhard-wisnewski/freiheit-fuer-das-smartphone-wie-sie-ihr-handy-von-google-und-apple-abklemmen.html;jsessionid=510A071B636E75CECE4D73139464DAFD

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