Bielefeld. Die BBC war da, das japanische Fernsehen auch. Le Monde hat über sie berichtet, und die größten deutschen Zeitungen und Magazine sowieso. Sie werden nach New York oder Montreal eingeladen, um ihre Arbeit vorzustellen, und doch sagen Rena Tangens und padeluun über ihren Standort Bielefeld: "Es ist genau richtig, hier zu sein." Seit 20 Jahren sind sie das, was im Englischen "watchdogs" genant wird, "Wachhunde", die Alarm schlagen, wenn Freiheit und Demokratie eingeschränkt oder Bürgerrechte ausgehöhlt werden.
Für ihr "Gesamtwerk" zeichnet das Hagener Karl-Ernst-Osthaus-Museum die beiden Künstler und Aktivisten am Samstag aus. Die Jury würdigt die beiden als "evolutionäre Zelle", als eine Triebfeder der Gesellschaft. Seit 20 Jahren kämpfen Tangens und padeluun gegen die Resignation, gegen das "Wir können ja doch nichts tun". Sie alarmieren die Medien und setzten Themen, sie sind ein Frühwarnsystem, wenn Entwicklungen in eine verkehrte Richtung laufen. "Wir w ollen die Welt verbessern", so padeluun.
Es begann mit dem französischen Komponisten Erik Satie. An dessen Konzept der "Musique d?Ameublement" orientieren sich die beiden heute noch. Satie setzte seine Musik mit Möbeln gleich. Die Musik soll die Zuhörer unauffällig umgeben, ihnen aber nicht ehrfurchtsvolles Lauschen und passives Verhalten aufzwingen. 1984 konzipierten die beiden Künstler, die ihrer Arbeit den Titel "Art d?Ameublement" gaben, in Bielefeld und später auch in anderen deutschen Städten eine Aufführung von Erik Saties Werk "Pages Mystiques". Das dauert von zwei Pianisten gespielt ungefähr 15 Stunden. Kein Mensch hält das passiv aus, und so soll es auch sein. Einen Rahmen zu schaffen, in dem Menschen kommunizieren und ihre eigenen Aktivitäten entfalten, das ist auch heute noch das ganz besondere Verständnis, das Rena Tangens und padeluun von Kunst haben. "Wir wollten schon immer, dass sich die Kunst ausbreitet und nicht Dekoration oder elitäre Nische ist, sondern Freiheit ermöglicht, die nicht repressiv ist ", sagt padeluun. Die beiden sind nicht einsam werkelnde Künstler, sondern Galionsfiguren einer Bewegung vieler Menschen, die ihre speziellen Fähigkeiten einsetzen, um etwas zu bewegen und zum Denken anzuregen. Viele ihrer Aktionen haben in den vergangenen 20 Jahren weltweit Wellen geschlagen. Großes Aufsehen erregten die Bielefelder mit dem Zamir Tansnational Network, das zwischen 1992 und 1996 das wichtigste unabhängige Kommunikationsmedium in den Regionen Ex-Jugoslawiens war. Die Telefonleitungen zwischen den Regionen waren unterbrochen. Von Serbien aus konnten die Menschen nicht nach Kroatien telefonieren. Also lief die Kommunikation über die intakten Auslandsleitungen. Der Umschlagplatz für alle Nachrichten war ein Bielefelder Kommunikationssystem, die BIONIC-Mailbox.
In den vergangenen fünf Jahren hat das aufklärerische Engagement der beiden eine Dimension erreicht, die ehrenamtlich kaum mehr zu stemmen ist. Seit 2000 organisieren Rena Tangens und padeluun mit ihrem Verein FoeBuD im Rücken die Verleihung der deutschen "Big Brother Awards". Den bekommen Unternehmen, Institutionen oder auch Regierende, die Menschen überwachen, in deren Privatsphäre eingreifen oder uferlos Daten sammeln. Also grundsätzlich alle Bestrebungen, die darauf abzielen, Freiräume und selbstbestimmtes Handeln zu gefährden.
Alle Beteiligten leisten diese Arbeit unentgeltlich. "Das ist sehr teuer und bringt nichts ein. Aber das sind eben die Schwierigkeiten der politischen Arbeit", so padeluun. Da freut es die Künstler, wenn die Stiftung "Bridge" oder auch private Spender ihre Arbeit unterstützen.
Aber es gibt noch viel zu tun. Ob Schnüffelchips im Handel, biometrische Daten auf Pässen oder Videoüberwachung ? gefährliche Entwicklungen gibt reichlich. Und immer mehr Menschen interessieren sich dafür und sind bereit, die nicht mehr hinzunehmen. "Jetzt gehts erst richtig los", sagt padeluun. man könnte auch sagen: Die fetten Jahre sind vorbei.
Copyright © Neue Westfälische 2004 Erscheinungsdatum 08.12.2004
Anke Groenewold
Neue Westfälische, Bielefeld
Original: http://www.nw-news.de/nw/news/kultur/?cnt=308924