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Kein Vorteil für Patienten

Der private Datenschutzaktivist Padeluun im Gespräch

Missbrauch von Technik aufzeigen und die öffentliche Diskussion um die Privatsphäre und den Datenschutz fördern, dies sind einige der Ziele des FoeBuD, dem "Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs".

Mit Gründungsmitglied Padeluun hat Ricarda Stiller über die Risiken der Gesundheitskarte gesprochen.

Obwohl es die Gesundheitskarte noch nicht gibt, sind die Befürchtungen groß, dass die Daten missbraucht werden.

Nur Daten, die nicht erhoben und gespeichert werden, sind sicher. Auch die Krankenkarte ist ein reines "Bringt den IT Bonzen Geld"-Projekt. Einen "Benefit" für die Leute, die das bezahlen sollen (also wir Patienten) habe ich noch nicht erkennen können. Warum also soll ich mich dem Risiko des Datenmissbrauchs aussetzen? Ich möchte noch betonen, dass "Missbrauch" bereits durch den Gebrauch der Daten "streng nach Datenschutzgesetz" entsteht. Ein Datum über mich, das ich gestern vielleicht noch als harmlos angesehen habe, ist morgen vielleicht schon der Grund, warum meine Versicherung heute schon um 100 Prozent höher ist als gestern. Ich kann mir schon vorstellen, dass Versicherungen an Konsumdaten von Menschen interessiert sind. Leute, die Rindfleisch essen, erkranken ja vielleicht doch eher an Creutzfeld-Jakob . . .

Können Krankenkassen heute schon personenbezogene Krankheitsprofile erstellen?

Privatkassen können das sowieso; seit der Modifizierung des "Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung" (GKV-Modernisierungsgesetz) Anfang 2004 und durch die ICD-10-Codierung ist das nicht nur sehr einfach, sondern zum Teil regelrecht zynisch. Die von der Gesundheitsministerin geplanten zentralen Datenbanken sollen dazu führen, dass den Versicherten jeweils ein "Morbiditätsfaktor" zugewiesen wird, mit dem die individuell in Zukunft erwarteten Krankheiten und damit deren Kosten eingestuft werden. Die Maßnahme ist unter dem Vorwand des Risikostrukturausgleichs zwischen den Kassen eingeführt worden. Diese Gesundheitstaxierung wird zwangsläufig dazu führen, dass eine -- von der Zahlungsfähigkeit und der "Morbidität" abhängige -- Mehrklassenmedizin eingeführt wird.

Wie genau dürfen Krankenkassen über Krankheiten oder Gewohnheiten von Patienten informiert sein?

Nach meiner Meinung gar nicht. Ich halte es für wichtig, dass zwischen dem Arzt und der zahlenden Kasse eine Clearingstelle sitzt.

Können die Karten auch gefälscht werden?

Im Grunde kann jedes elektronische System gefälscht werden. Die Frage ist, welcher Aufwand dahinter steckt. Oftmals benötige ich gar keine Fälschung, um Schaden anzurichten. In Kreisen von Sicherheitsberatern kursiert ein Foto einer elektronisch gesteuerten Schranke, wo die Reifenspuren deutlich zeigen, dass die Autos einfach rechts oder links neben der Schranke fahren und das vielleicht sichere elektronische System "austricksen".

Können die Karten von nicht autorisierten Menschen ausgelesen werden?

Sobald der erste PIN-Code, mit dem ein Arzt so eine Karte aufschließen kann, im Internet auftaucht, werden wir wissen, dass Technik selten sicher ist.

Wird mit der Gesundheitskarte die ärztliche Schweigepflicht verletzt?

Schon mit dem Modernisierungsgesetz wird die Schweigepflicht de facto ausgehebelt.

Ricarda Stiller

Stuttgarter Zeitung, 03. August 2005
Original: Nicht bekannt

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