Seit unser Chef neuerdings cyber-heftig auf Überstunden besteht, weil nach Büroschluß der Netzzugang billiger ist (Folge: er ist beim Schweinkram-Anklicken nicht mehr alleine, Meta-Folge: alle müssen ihre Überstunden wieder zu Hause ableisten), kommt der Fortbildunsgredakteur kaum noch zum Handbuch-Lesen. Aber dies hier doch:
Datenreisende. Die Kultur der Computernetze. Die Bielefelder Bionicer wiesen uns darauf hin, weil sie und wir, wenn auch sachlich etwas daneben, darin stehen (die Bionic mit ihrem Ex-Jugoslawien-Netz, wir mit dem Tageskalender auf Draht) - die VW-Stiftung hat es bezahlt (daraus folgt gerade nicht Industriefreundlichkeit), und die Uni Trier hat es geschrieben.
Deshalb ersaufen die Informationen in den Fakten, deshalb ist ein Drittel der Theorieansätze schon wieder überholt (Abschluß der Studie 1994, da hielt unser Chef HTML noch für einen Fernsehstandard) und deshalb ist das Ergebnis eh klar: Emanzipative Ansätze finden, Selbstorganisation entdecken ... und aus ein paar Hundert Befragten nichtkommerziellen Nutzern in den virtuellen Nischen ein gesellschaftlich relevantes Profil hochrechnen. Das ist ein gutes Anti-Dot zur kom-merz-orientierton Internet-Medien-Hype ... aber das verfehlt die Wirklichkeit darum erst recht. Und die Leser, weil es so unhip geschrieben ist, das hyper und cyber und wired und schockwellenreitend als soziola-lische Muster einer globalen Subkultur ganz aus dem Verständnis fallen. Schade, denn die Feldforschung unter ein paar Hundert Modem-Usern in der Netz-Frühgeschichte (also bis gestern) ist sauber gemacht. Ein Must für die Offline-Bibliothek, solange sie noch steht. (341 S., Westdeutscher Verlag, Opladen/Wiesbaden).
Ultimo, 7/1996