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RABATTE

Schnäppchen haben Konjunktur

Jenkins Island ist eine idyllische kleine Insel nahe der kanadischen Küste. Tannen wachsen dort und wilde Blumen, direkt gegenüber liegt das Fischerdörfchen West Green Harbour. Viel los ist hier nicht. Touristen kommen nur ganz selten vorbei. Trotzdem ist die Insel Tausenden deutscher Internetsurfer ein Begriff. Denn Jenkins Island ist die Hauptprämie für Sammler von Webmiles. Wer ausreichend viele dieser Internet-Treuepunkte angehäuft hat, bekommt die Insel geschenkt.

Gierig nach Meilen

Mehr als eine Million Deutsche haben bei Webmiles schon ein Punkte-Konto eingerichtet, jeden Tag kommen 1.500 hinzu. Das funktioniert ähnlich wie beim Flugmeilen-Sammeln: Wer viel einkauft, bekommt entsprechend Bonuspunkte gutgeschrieben, die später gegen Sachprämien oder Bargeld eingetauscht werden können. Das gilt allerdings nur für die Online-Shops, die mit Webmiles zusammenarbeiten.

Eine kleine Sucht

Auch wer sich freiwillig mit Werbemails zumüllen lässt, bei Gewinnspielen mitmacht, Fragebögen ausfüllt oder Reklame anklickt, kann punkten. Oliver Schilcher zum Beispiel, ein 22- jähriger Bankangestellter aus München, hat die meisten seiner gut 10.000 "Ebuxx" auf diese Weise verdient. So heißen die Rabattpunkte beim Webmiles-Konkurrenten Ecollect. "Es ist toll, zu beobachten, wie der Punktestand wächst", sagt er. "Das ist schon eine kleine Sucht."

Nach dem Motto "Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft" hoffen immer mehr Händler, durch Punkteverteilung Kunden an sich zu binden. Drei Prozent der Kaufsumme, seit Abschaffung des Rabattgesetzes manchmal auch mehr, erstatten die meisten Internet-Händler in der jeweiligen Bonuswährung zurück. Zudem veranstalten sie Sonderaktionen: So öffnete die Kaufhof-Kette beim Sommerschlussverkauf für Punkte-Jäger eine Stunde früher.

Cash ist wichtiger als Kaffeemaschine

Vor allem die Firma Payback profitiert von dem Bonusboom. Obwohl sie noch nicht mal zwei Jahre auf dem Markt ist, sammeln schon mehr als elf Millionen Kunden Payback-Rabatt. Mit 800 Millionen ausgezahlten Punkten im Wert von 16 Millionen Mark ist die Lufthansa-Tochtergesellschaft mit großem Abstand Marktführer, was laut Geschäftsführer Alexander Rittweger zwei Gründe hat. Erstens sei es "wichtig, dass der Kunde Cash kriegt und nicht irgendeine Kaffeemaschine", sagt er, "und zweitens haben wir als Einzige das Online- und das Offline-Geschäft konsequent verknüpft."

Der Markt ist noch nicht gesättigt

Mit einer Plastikkarte, die jeder Kunde nach der Registrierung erhält, kann die Sammel-Tour auch außerhalb des Internets fortgesetzt werden: beim Tanken, beim Einkaufen oder an der Kinokasse. Dass der Markt für Kundenbindungsprogramme lange nicht gesättigt ist, hat eine Untersuchung des stern ergeben. Demnach will sich jeder vierte Deutsche eine Rabattkarte zulegen.

Webmiles setzt nicht zuletzt deshalb nun auch verstärkt auf das Offline-Geschäft. Gemeinsam mit Visa gibt die Bertelsmann- Tochter eine eigene Kreditkarte heraus, neuerdings können auch mit der ADAC-Kreditkarte Webmiles-Punkte gesammelt werden. Die Deutsche Telekom hat gerade ein eigenes Bonussystem namens "Happy Digits" gestartet. Ein weiterer großer Anbieter, die "Family & Friends AG", plant ebenfalls die Einführung einer Kundenkarte. Vor allem mittelständische Betriebe sollen dabei mitmachen.

Kritiker der Sammelleidenschaft sehen den Boom mit Besorgnis. Daten- und Verbraucherschützer warnen, dass die Firmen das Einkaufsverhalten ihrer Kunden ausspionieren. Das räumen Payback & Co. auch offen ein: Jeder Kauf wird penibel aufgezeichnet, wodurch exakte Kundenprofile erstellt werden können - für Werber ein Traum, für Datenschützer ein Albtraum. Der Bielefelder Verein "FoeBuD e. V." hat Payback deshalb im vergangenen Jahr mit dem "Big- Brother-Award" ausgezeichnet. Payback habe eine "äußerst gefährliche Struktur" geschaffen, die nur dazu diene, "Daten zum Kaufverhalten von Verbrauchern zu gewinnen und kommerziell zu nutzen, ohne dass diese darüber informiert werden". Das Landgericht München beanstandete in einem Urteil das Payback-Antragsformular, weil es zu wenig Datenschutz gewährleiste.

Der Verbraucher muss informiert sein

Dirk Klasen von der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände steht Rabattkarten generell skeptisch gegenüber: "Nur wenn der Kunde Bescheid weiß und akzeptiert, dass Daten über sein Einkaufsverhalten gesammelt werden, ist das in Ordnung." Das sieht Payback-Chef Rittweger nicht anders: "Die Leute sind erwachsen. Sie dürfen Häuser bauen, Kredite aufnehmen, Kinder kriegen - und dann sollen sie mit einer Payback-Karte überfordert sein?"

Jenkin Island ist noch in weiter Ferne

Überfordert wären sie auf jeden Fall, wenn sie ernsthaft versuchen würden, Jenkins Island zu ersammeln. Denn wer die Insel besitzen will, muss eine Million Webmiles-Punkte zusammenhaben. Und das schafft nur, wer beispielsweise für zwei Millionen Euro beim Buchhändler BOL einkauft. Oder für zwei Millionen Mark Wein bei Chateau-Online bestellt. Oder für drei Millionen Mark bei Vobis Computer kauft. Bis es soweit ist, wird wohl noch so manche Atlantikwelle die Schnäppchen-Insel umspülen.

Ulf Schönert

Stern Online, Februar 2002

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