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Der Visa-Payback-Deal

Bielefelder Datenschützer befürchten den Datenschutz-GAU mit der neuen Rabatt-Kreditkarte

Christiane Schulzki-Haddouti 

Daten, Daten, Daten - und etwas Rabatt. Visa-Kunden werden auf ihre Einkäufe künftig von Payback Rabatt erhalten. Kommt jetzt der Riesen-Rabatt-Reibach - oder droht ein Datenschutz-GAU? Die Interessen von Verbrauchern und Konzernen laufen quer, meint jedenfalls Big-Brother-Preis-Ausrichter Foebud.

Für die Bielefelder Organisatoren des  Big-Brother-Preises ist das wohl ein Daten-GAU: die Münchner Firma  Loyalty Partner bietet jetzt die  Payback-Rabattkarte gemeinsam mit dem Kreditkartenunternehmen  Visa und der Landesbank Baden- Württemberg (LBBW) an. Dabei war die Fusion von Bonusprogramm und Kreditkarte nur noch eine Frage der Zeit - in den USA, wo Online-Kundenbindungssysteme schon lange  Tradition sind, praktiziert dies der Branchenriese Mypoints schon seit längerem.

Große Hoffnungen für Visacard und Payback

Das Ziel von Geschäftsführer Alexander Rittweger ist überaus ehrgeizig. Er will damit die Payback-Karte zur "Kreditkarte für alle" machen, die "den Status der 'ersten Karte im Portemonnaie'" erlangen soll. Derzeit, so Rittweger auf einer Pressekonferenz in Frankfurt vor ausgesuchten Wirtschaftsjournalisten, halte Payback einen Marktanteil von 30 Prozent in Deutschland. Durchschnittlich setze jeder Kunde etwa 1300 Euro um.

Rittweger will damit dem Bonusprogramm Happy-Digits von Karstadt-Quelle und Deutscher Telekom Konkurrenz machen und noch in diesem Jahr bis zu 200.000 Kombikarten ausgeben. Karstadt-Quelle und Deutsche Telekom geben ab dem zweiten Quartal gemeinsam Happy-Digits-Karten aus. An dem Programm werden sich auch T-Online-, T-Mobile und Neckermann betetiligen.

Bis heute nutzen 15 Millionen Verbraucher die Payback-Karte, am Jahresende sollen es bis zu 20 Millionen sein. Laut einer Studie sind 60 Prozent der Payback-Mitglieder an der Visa-Funktion interessiert. Erhältlich ist sie ab Mitte Februar von Payback und seinen Partnern Apollo-Optik, DEA, Europcar, Galeria Kaufhof und Palmers für 20 Euro pro Jahr. Die Handelskette Real, die nach Informationen von Reuters etwa 5 Millionen Payback-Karten ausgegeben hat, ist noch nicht beteiligt, die Verhandlungen laufen jedoch schon. Neu an der Karte ist, dass es zusätzlich zu den Punkten bei den Partnern auch Punkte auf die monatlichen Visa Umsätze gibt.

Visa-Manager Patrick Diemer hofft damit seine Marktanteile in Deutschland vergrößern zu können. Mit Lufthansa hatte Visa zuvor eine gemeinsame Karte ausgegeben, über die Kunden jährlich pro Karte im Schnitt 27.000 Mark ausgaben. Zur Zeit sind etwa 7,6 Millionen Visa-Karten im Vergleich zu 50 Millionen EC-Karten im Umlauf. Über die LBBW werden alle Kreditkarten- bezogenen Verarbeitungsprozesse vom Antrag bis zur Rechnungsstellung laufen.

Kundenkarten haben in Deutschland nach dem Fall des Rabattgesetzes Aufwind. Neben Loyalty Partner gibt es auch andere Dienstleister wie die Berliner Firma  E-Loy, die Unternehmen Rabattdienste anbieten. Bekannt sind Bonusprogramme wie  Happydigits,  Bonus.de,  Webmiles und  E-Collect, das unter anderem mit Online-Aktionshändler E-Bay, Sedo oder Ciao kooperiert. Bei Ecollect erhalten Online-Verbraucher für verschiedene Transaktionen im Internet sogenannte Ebuxx (1Ebuxx= 0,015 Euro), die man gegen Prämien darf. eintauschen kann. Bei Webmiles.de erhalten Nutzer für ihre Transaktionen so genannte Webmiles (1 Webmile = 0,03 Euro), die sie in Prämien umtauschen können. Zu den Webmiles-Partnern gehören unter anderem Quelle, Vobis, die Direktanlagebank, dooyoo, Vocatus und Conrad. Wie in den USA werden jedoch nur vier bis fünf große Anbieter auf dem Markt bestehen können.

Ruinöse Preiskämpfe

Nicht immer verlaufen Rabattaktionen im Sinne aller Beteiligten: So gewährte die Tankstellenkette  DEA im Frühjahr 2000 mit der Payback-Karte einen Rabatt, der einer Senkung des Benzinpreises um einen Pfennig entsprach. Damit löste sie einen Preiskampf aus: Die Hauptwettbewerber senkten ihre Benzinpreise ebenfalls um ein Pfennig - jedoch für alle Kunden.

Für mittelständische Mineralölhändler hatte dies drastische Folgen: Händler mussten Dieselkraftstoff an gewerbliche Kunden unter dem Einstandspreis  liefern. Eine ruinöse Aktion, die über  eine Milliarde Mark kostete. Zahlreiche freie Tankstellen mussten  schließen. Das Bundeskartellamt prüfte die Angelegenheit und untersagte im August 2000 zwar nicht die Payback- Karte, aber die für den Mittelstand ruinöse  Preispolitik. Als Gewinner aus dem Preiskampf gingen trotz des Urteilsspruchs die großen Mineralölkonzerne hervor

US-Studien zeigen höhere Preise durch Karten

In den USA haben sich bereits Verbraucher zusammengeschlossen, die die grassierende Rabatterei kritisieren. Die US- amerikanische Verbraucherlobby "Consumers Against Supermarket Privacy Invasion and Numbering" (CASPIAN), die die Website  "No Cards" unterhält, beobachtet regelmäßig  Supermärkte.

In der San Francisco Bay Area untersuchte sie drei Supermärkte, zwei mit Rabattkarten, einer ohne. Die Produkte Rabattkarten- Supermärkte waren im Schnitt 37 Prozent teurer. Mit Karte waren sie immer noch 20 Prozent teurer als die Produkte des Supermarkts, der auf die Karte verzichtete. In einer anderen Studie wies CASPIAN nach, dass die Preise eines Supermarktes nach der Einführung der Karte stiegen: Die Preise von 52 von 89 untersuchten Produkten blieben gleich, 24 Produkte wurden teurer und nur 13 wurden billiger.

Die Konsumentenlogik der Rabattkarten

Noch sind Verbraucherschützern nicht die Rabatte und möglicherweise ansteigende Preise ein Dorn im Auge, sondern das mit den Karten verbundene Data-Mining. Denn anders als bei den alten Rabattheftchen kassieren die Verbraucher ihre Punkte nicht mehr anonym. Payback wertet das Kaufverhalten jedes Karten-Besitzers aus. In anonymisierter Form stellt die Münchner Firma ihren Partnerunternehmen die Daten zur Verfügung. Je mehr Waren und Dienstleistungen die Payback-Nutzer über das Prämiensystem erwerben, desto perfekter wird das Bild, das Payback über ihre Aktivitäten erhält.

Für die Bielefelder Datenschutz-Aktivisten padeluun und Rena Tangens, die Payback wegen  undurchsichtigen  Geschäftspraktiken im Jahr 2000 den  Big-Brother-Preis verliehen haben, ist es "problematisch, wenn zukünftig auch Käufe, die mit Kreditkarten getätigt werden, "rabattiert" werden". Denn damit verteuere sich jede Ware um den Anteil, der später wieder als Rabatt ausgezahlt wird. Ihre Kritik an Loyalty Partner: "Hier soll eine Firma verdienen, die dem Produktionsprozess der Waren oder den Dienstleistungen nichts hinzufügt."

Zwar, so argumentieren padeluun und Rena Tangens, sei die Teilnahme am Payback-System "natürlich freiwillig", aber auch "nicht so ganz": Denn wer keine Payback-Karte verwenden wolle, bekomme selbstverständlich keinen Rabatt. Logische Konsequenz: "Kundinnen und Kunden, denen ihre Privatsphäre wichtig ist, zahlen also mehr für jeden Einkauf." Denn ein Konzern, der massenhaft Rabatte gewähre, schlage sie eben vorher auf die Preise auf. CASPIAN hat dazu in seinem umfangreichen

 FAQS einen Vergleich parat: "Dein Arbeitgeber sagt dir: "Die Teilnahme an dem (unangenehmen oder gefährlichen) Projekt ist freiwillig. Es hängt völlig von dir ab, ob du teilnimmst oder nicht. Aber falls du nicht daran teilnimmst, werde ich dein Gehalt um 15 Prozent kürzen."

Das Argument von Payback, dass die Preise bei den Partnern nicht ansteigen würden, da die Rabatte durch die Rabattaktion erreichten höheren Umsätze abgedeckt seien, entspreche "der Logik des Pyramidenspiels", sagt Rena Tangens: "Denn wenn immer mehr Leute dazu kommen, kann nicht alles über Rabatte aufgefangen werden." Immer mehr Rabatte müsste man demnach durch immer mehr Kunden auffangen.

Das eigentliche Ziel des Bonuspunkte-Sammelsystems bestände, so die Bielefelder, vor allem darin "personalisierte Daten zum Kaufverhalten von Millionen von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu gewinnen und kommerziell zu nutzen, ohne dass diese ausreichend informiert werden." Kein Zweifel: Mit den Visa-Daten wird der Datenpool von Payback noch aussagekräftiger, da das Einkaufsverhalten der Verbraucher noch lückenloser erschlossen wird. Auch für die staatliche Rasterfahndung wären die Daten nützlich, um Täterprofile zu ergänzen.

Konsumentendaten für Terroristenjagd

Männlich, zwischen 23 und 41 Jahre alt. Er leiht vorzugsweise Sixt-Mietwagen und steigt in Ibis-Hotels ab. Er trinkt Coca-Cola, Biomilch und liebt Pizza-Bringdienste. Er verfügt über eine naturwissenschaftliche Ausbildung. Könnte so das Rasterprofil der Zukunft aussehen? US-Strafverfolger wollen jetzt private und staatliche Daten zusammenführen, um präventiv Terroristen bei Flugbuchungen ausfiltern zu können.

CASPIAN-Sprecherin Katherine Albrecht befürchtet, dass die von privaten Unternehmen erhobenen Daten auch zu Strafverfolgungszwecken benutzt werden. Erst kürzlich kursierte in den USA eine Geschichte darüber, dass das FBI das Profil der Terroristen vom 11. September anhand ihrer Shopper-Cards verfeinern wollten.

Auch die Verbraucherdaten der Luftfahrtgesellschaften sollen nun laut einem  Bericht der "Washington Post" ausgewertet werden. So sollen die Reservierungssysteme mit den Datenbanken der Regierungsbehörden verbunden werden, um schon bei der Anfrage feststellen zu können, ob der Kunde vielleicht mit derselben Kreditkarte die Plätze einiger anderer Passagiere bezahlt, mit denen er zufällig für eine Weile dieselbe Wohnung teilte. Auch andere Verhaltensmuster können ausgewertet, sodaß verdächtige Kunden dann noch einmal vor dem Abflug von den Strafverfolgungsbehörden gesondert überprüft werden könnten.

Telepolis, 04. Februar 2002

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