Bielefeld. Wenn es um sein Häuschen geht, dann ist Eigentum für den Paderborner Professor Helmar G. Frank eine gute Sache. Es gehört ihm, und so soll es auch bleiben. Doch Ideen, Geistesblitze und Gedichte sind für den 64jährigen von ganz anderem Kaliber. Niemand habe das Recht, dieses Kulturgut als Besitz zu deklarieren und abzukassieren, wenn es in Form von Büchern, Schallplatten, Software oder Internetseiten vervielfacht werde, meint er. Helmar G. Frank hält das Copyright für Humbug.
"Wir haben uns viel zu lange einlullen lassen durch das Geschwätz der Juristen", wettert der Wissenschaftler. Für den "Informationskommunisten", wie Frank sich selbst bezeichnet, sind die Gedanken frei. Geistiger Diebstahl ist eine Fata Morgana. Milder Fanatismus blitzt aus seinen Augen, wenn er seine ketzerischen Ansichten ausbreitet. Frank liebt es zu provozieren. Aber den streitbaren Geist treibt mehr voran als eitle Selbstinszenie-rung: Helmar G. Frank will die Welt verbessern.
Im Schulterschluß mit dem Kybernetiker Norbert Wiener stellt er fest, daß Information weder Materie noch Energie ist. Information läßt sich aus dem Nichts erzeugen und ist ohne greifbare Substanz. Wer klaut, nimmt anderen eine bewegliche Sache weg. Der Dieb langt hin, der Beklaute steht vor dem Nichts. Das ist Diebstahl und muß bestraft werden, bekräftigt Frank. Doch wenn ein Software-Pirat Programme kopiere oder Internet-Surfer Texte aus dem Datennetz zögen, ohne einen Pfennig dafür zu zahlen, dann gingen dem Urheber weder Informationen noch Arbeitszeit verloren, argumentiert er. Von Raub könne also keine Rede sein. "Daß man Informationen zwar kopieren, aber nicht stehlen kann, haben die Juristen immer noch nicht begriffen", bedauert der Professor.
"Copyright ist wie Hexenwahn", meint er im Mittelalter habe man ein raffiniertes Regelwerk aufgestellt,auf. um zu beweisen, daß Hexen mit dem Teufel unter der Decke steckten. "Doch nur weil es Rechtsvorschriften gibt, heißt das noch lange nicht, daß Hexerei und Softwarediebstahl tatsächlich. existieren", bemerkt Frank.
Romane, Computerprogramme, Texte und Kompositionen seien Kulturgüter und keine Ware, die veräußert werden könne. "Der Kapitalismus hat sich im Materiellen bewährt, nicht jedoch im Kulturellen. Privateigentum dürfe es hier nicht geben. Nur wenn Kultur ohne Einschränkungen verbreitet werde, könne sich die Menschheit weiterentwickeln. "Doch das Copyright blockiert den kulturellen Austausch", kritisiert der Pädagoge.
Doch wie hält es Helmar G. Frank persönlich mit dem Copyright? In seinen Büchern fordert der Professor zum hemmungslosen Nachdrucken Der Hinweis ist allerdings in der Kunstsprache "internacilingua" abgefaßt, damit der Verlag nicht Wind davon bekommt. Keine Gnade kennt Frank allerdings für Plagiatoren. Wer sich mit fremden Federn schmückt, handelt unmoralisch. Geistige Schöpfungen zu kopieren und weiterzuverbreiten sei zum Vorteil der Gesamtkultur und daher wünschenswert, aber der Urheber müsse fairerweise mit Namen genannt werden.
Letztlich läuft für Helmar G. Frank alles auf einen Satz des englischen Philosophen Francis Bacon hinaus: Wissen ist Macht. "Wer Wissen zurückhält, will Macht ausüben", meint er. "Ich bin aber Demokrat und kein großer Anhänger von Macht", begründet der Forscher, warum er sich gegen das Copyright auflehnt. In einer demokratischen Gesellschaft müsse Wissen allen unentgeltlich zugänglich sein.
Nachdenklich wird der Paderborner Professor, wenn seine noble Utopie mit der krassen Wirklichkeit konfrontiert wird. Wovon sollen die armen Schreiberlinge, Tonsetzer und Programmierer künftig leben, wenn sie ihre geistigen Erzeugnisse im Dienste des kulturellen Fortschritts gratis zur freien Verbreitung in die Welt hinausschicken? Diese Frage berühre einen "üblen Punkt" in unserer Gesellschaft, räumt Frank ein. Auf Copyrightgesetze und "unproduktive Verwertungsgesellschaften" wie die GEMA, die im Namen der Kreativen Geld eintreiben; könnten wir erst dann verzichten, wenn die Gesellschaft das Existenzminimum jedes einzelnen sicherstelle.
Bis dahin ruft Helmar G. Frank dazu auf, das Copyright-System in kleinen Schritten auszuhöhlen und munter drauflos zu kopieren: "Jede kleine Gesetzesübertretung trägt zur Revolution bei."
Neue Westfälische, 10. Januar 1998