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Neuronale Telefonie

Ein neues Konzept auf dem Telekommunikationsmarkt

Mit »Silicium, Intelligenz und Habgier« will Winrich Hoseit großen Telekommunikationsunternehmen auf die Plätze verweisen. »Digital Inter Relay Communication«, kurz: DIRC, heißt sein Zauberkasten, der Funk, Telefonie und Internet ohne zentralen Netzbetreiber für eine pauschale Monatsgebühr von etwa fünfzig Mark zusammenbringen soll.

Der Kölner Unternehmer, Hobbyfunker und Erfinder stellte seine Idee am letzten Wochenende im Rahmen der monatlichen Public Domain, einer Veranstaltungsreihe der FoeBulD e.V., vor. Das Funknetz, mit dem er die gewohnten Telekommunikationssysteme ablösen will, besteht nur aus Endgeräten, die den Datenverkehr des Nutzers regeln und zusätzlich als Knotenpunkt für die Daten anderer Netzteilnehmer dienen. Damit wäre jedes Telefon gleichzeitig eine Vermittlungsstelle, was einen zentralen Netzbetreiber ebenso wie Zeit- und Tarifzonen überflüssig machte. Mit zwei Watt Sendeleistung könnten die DIRC - Stationen in einem Abstand von maximal fünf Kilometern ein neuronales Netz aus intelligenten Funkverbindungen bilden. Die Daten würden verschlüsselt abgeschickt und im Gerät des Zielteilnehmers wieder dekodiert. DIRC stellt in bis zu tausend »Hops«, den Sprüngen von Station zu Station, die günstigste Verbindung her. Das System ist lernfähig, es speichert die erfolgreichsten Verknüpfungen.

Ist der kürzeste Weg zum Ziel durch zu hohes Datenaufkommen verstopft, steuert DIRC günstige Umwege an. So könne für jede Verbindung eine eigene Leitung aufgebaut werden, Überlastungen des Netzes seien damit praktisch unmöglich, versichert Hoseit: »Im DIRC-Netz könnten alle Europäer gleichzeitig telefonieren, das schafft kein anderes System.« Kleine lokale DIRC-Netze sollen über eigene Glasfaser werden, um die Zahl der Hops möglichst gering zu halten. So könnten Teilnehmer per DIRC in beliebige Ortsnetze anderer Telefonanbieter einsteigen und Ferngespräche zu deren Ortstarif führen.

Doch nur wenn sich von Anfang an möglichst viele Teilnehmer gewinnen lassen, kann DIRC ernsthaft mit anderen Net in Konkurrenz treten. Daher bedarf es einer »Initialzündung«, so denkt Hoseit daran, mit einem Schlag zwei Millionen DIRCFunkkästen unters Volk zu bringen. In dieser hohen Stückzahl kostete einer unter achthundert Mark, die nicht zu Lasten des Nutzers gingen, auf den nur die bereits erwähnten fünfzig Mark entfallen sollen. Weiter ist geplant, in einer Probephase kostenlose Internet-Zugänge zur Verfügung zu stellen und den Netzteilnehmern die Werbung eines neuen Kunden mit einem weiteren kostenfreien Monat zu vergolden. Die Finanzierung dieser Vorhaben ist allerdings noch ungesichert.

»Alle Europäer könnten gleichzeitig telefonieren.«

Eine Machbarkeitsstudie der Cetecom GmbH bestätigt die Technik, die Hoseit bereits beim Bundespatentamt angemeldet hat. Die Industrie bekundet reges Interesse an seinem Konzept. Die ersten Prototypen sind im Bau, für den Raum Rhein-Ruhr-Wupper ist eine Zulassung für einen Probebetrieb beantragt. Doch erst in etwa zwei Jahren soll DIRC ausgereift sein, schätzt Hoseit, der in der Entwicklung seines Systems von namhaften Unternehmen und Technischen Hochschulen unterstützt wird. Die Bedeutung seiner Erfindung sieht Hoseit auch darin bestätigt, daß die Konkurrenz bereits versucht habe, ihm die 51%-Mehrheit seiner DIRC KG abzuluchsen, wohl um das Konzept noch rechtzeitig in der Schublade verschwinden zu lassen.

aiko

Stadtblatt, 18. Juni 1998

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