Astrid Marxen
Wir schreiben das Jahr 2075. Doug Quaid, alias Arnold Schwarzenegger, legt den rech. ten Daumen auf den Kontaktscanner, der prüft, ob sein Finger mit dem zur Identifizierung gespeicherten Abdruck übereinstimmt. Identifikation erfolgreich. Nun ist es sicher, er ist der Mann, der Held, der den Mars retten wird. Was hat diese Szene aus Paul Verhoevens "Total Recall" mit einem verregneten Sonntagnachmittag im Bunker Ulmenwall zu tun?
Wir schreiben das Jahr 2075. Doug Quaid, alias Arnold Schwarzenegger, legt den rech. ten Daumen auf den Kontaktscanner, der prüft, ob sein Finger mit dem zur Identifizierung gespeicherten Abdruck übereinstimmt. Identifikation erfolgreich. Nun ist es sicher, er ist der Mann, der Held, der den Mars retten wird. Was hat diese Szene aus Paul Verhoevens "Total Recall" mit einem verregneten Sonntagnachmittag im Bunker Ulmenwall zu tun?
Viel, denn mit der Veranstaltung "Mein Finger ist mein Pass" griff Foebud e.V. in ihrer Reihe Public Domain das kontroverse Thema biometrische Erkennungsverfahren auf. Anhand persönlicher Merkmale wie der Stimme, dem Gesichtsbild, der Iris oder eben dem Fingerabdruck werden Personen identifiziert. Vorbei die Zeiten also, in denen man sich ca. 35 verschiedene PINs, also Personal Identifikation Numbers, merken muss. Vorbei auch die Zeiten, in denen Unbefugte Zugang zu Arbeitsplätzen und vertraulichen Daten haben. Denn "der Mensch ist das größte Problem" in Sachen Sicherheit, weiß Hugues Lüdi, der im ersten Teil der Veranstaltung in die Thematik eingeführt hat. Manipulation, Diebstahl und Betrug kann mit biometrischen Erkennungssystemen vorgebeugt werden, besonders in Banken, Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Hochsicherheitsbereichen.
Ist Biometrie also "Technik, die begeistert". Oder führt der vermehrte Einsatz von biometrischen Erkennungsmethoden einen Schritt weiter in Richtung des "gläsernen" Bürgers, der anhand seines Fingerabdrucks überall erfasst und kontrolliert werden kann? Der Betriebswirt Lüdi näherte sich dieser Frage aus der Perspektive des Unternehmers und referierte über die Anwendungsmöglichkeiten und Vorzüge einer besonderen Technik der Personenidentifikation per Fingerabdruck, die seine in Zürich ansässige Firma, die FingerPin AG, entwickelt hat. Im Gegensatz zu bisher genutzten Verfahren, z.B. der polizeilichen Untersuchung von Fingerabdrücken, erklärte Lüdi, wertet FingerPin mehr unverwechselbare Charakteristika des Abdrucks aus, die neben Gabelungen, Endungen und Kreuzungen an der Hautoberfläche auch Informationen speichert, , "die unter
die Haut gehen", also auch Schweiß- und Talgdrüsen, Ein etwas makaberer Teil dieses Erkennungssystems: ein "lifetest", der überprüft, ob der Finger noch durchblutet ist, um Missbrauch mit abgeschnittenen Körperteilen zu vermeiden.
Nach dieser rasanten Einführung mit Overheadprojektor und Folien stand der Mitbegründer der FingerPin AG und Koreferent, Markus M. Müller, Fragen aus dem Publikum Rede und Antwort. War die Einführung schon gespickt mit einigen Fach- und Fremdwörtern, so war die Diskussionsrunde streckenweise eine aufregende Reise in die wundersame Welt der Technik, bei der man allerdings auch an einigen Böhmischen Dörfern vorbeikam.
Fachmänner und -frauen aus dem Publikum und der Informatiker Müller warfen sich gegenseitig Wörter wie "Algorithmen", "symmetrisches Verfahren", "Typologiepunkte" und "Minuzien" an den Kopf, deren Bedeutung den anwesenden Laien verschlossen blieb. Trotzdem hob die Diskussion nicht ins Un verständliche ab. Der kritische Impetus der meisten Beiträge, die zumeist auf technische Si- cherheitsaspekte und Fragen des Datenschutzes abzielten, war deutlich. Eine Reihe von Fragen drehten sich um Missbrauchsmöglichkeiten durch Datenweitergabe oder durch Zugriff von Institutionen wie Polizei oder anderen Staatsorganen. Müller war sehr bemüht, die Kritik ernst zu nehmen. Er unterstrich mehrfach, dass man natürlich auch Fragen der Ethik berücksichtigen müsse und versuchte, die Zweifel zu verstreuen. Wahl weise wies er auf die technische Überlegenheit des FingerPin-Systems oder den gut funktionierenden deutschen Datenschutz und die Vertrauenswürdigkeit der deutschen Polizei hin, was vom Publikum mit Lachern quittiert wurde. Unstrittig scheint nach dieser Veranstaltung jedoch, dass nicht die Technik an sich schlecht ist, sondern dass der Mensch das größte Problem ist. Wie Herr Lüdi eingangs schon festgestellt hatte.
Stadtblatt, 11. November 1999