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Knast für den verschlüsselten Liebesbrief

Wer Post in Briefumschlägen verschickt, macht sich strafbar. Was bei der Briefpost absurd klingt, ist für elektronische Nachrichten in Vorbereitung.

So werden Codes geknackt Das Bundesinnenministerium plant einen neuen Vorstoß zum Verbot von verschlüsselter E-Mail. Der Grund ist, daß Steuerfahnder, Polizei und Geheimdienste ihre Probleme mit der modernen Technik haben: Nicht nur, daß D-Netz-Funktelefone praktisch nicht mehr abzuhören sind - auch der Datenverkehr wird für die Behörden schwieriger zu überwachen. Seitdem auch privaten Anwendern hochsichere Verschlüsselungsprogramme zur Verfügung stehen, rauscht ein unkontrollierbarer Nachrichtenstrom an den Geheimdiensten vorbei. Ist es ein harmloser Liebesbrief oder der Bauplan für eine Bombe? Verschlüsselte elektronische Post nach Libyen oder in den Irak macht die Geheimdienste hilflos. Die zunehmende Zahl kryptierter Nachrichten mit aus Behördensicht uninteressantem Inhalt läßt ein Dechiffrieren unmöglich werden und gibt kriminellen Botschaften Deckung. Deshalb hat das Innenministerium vor wenigen Wochen in den zuständigen Bundestagsausschüssen vorgefühlt. Um die harmlose Spreu leichter vom kriminellen Weizen unterscheiden zu können, möchte es bereits die Codierung unter Strafe gestellt wissen.
Ausgelöst hat den Ärger vor allem die Software Pretty Good Privacy (PGP). Anders als bei den vergleichsweise simplen Kryptierverfahren in den gängigen Standardanwendungen kapitulieren bei diesem Programm auch die hochgepowerten Behördencomputer.
Als Freeware über Compuserve und alternative Mailboxen verbreitet, hat PGP die Kryptierung bei E-Mail-Nutzern chic werden lassen. "Wir stecken unsere Post jetzt eben in Briefumschläge", sagt Padeluun von der Bielefelder Mailbox Bionic. Daß er mit Vertrieb und Verwendung des Programms kriminelle oder staatsfeindliche Bestrebungen unterstützt, mag er sich nicht vorwerfen lassen: "Freiheit läßt sich immer auch mißbrauchen." Aber es gelte auch nicht als Bürgerpflicht, nur noch Postkarten zu benutzen - zur Erleichterung der Fahndungsarbeit. Offiziell mögen sich die Sicherheitsbehörden zu PGP allerdings nicht äußern: "Wir geben prinzipiell keine Auskunft zu operativen Angelegenheiten", sagt Bodo Becker, Sprecher des Bundesamts für Verfassungsschutz. "Wenn wir sagen, wo wir Probleme haben, wäre das ja wie ein Tip an die Gegenseite."
Die Opposition im Bundestag lehnt die Regierungspläne ab: "Hier verludern Prinzipien zum Schutz der Privatsphäre, ohne daß es etwas bringt", ärgert sich der Telekommunikationsexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Peter Paterna. Internationale organisierte Kriminelle ließen sich durch ein Kryptierverbot wohl kaum behindern: "Die lachen sich doch kaputt."

RUDI ATTLFELLNER

Pretty Good Privacy

Das in den USA umstrittene Kryptierprogramm Pretty Good Privacy (PGP) soll sicherer sein als das weitverbreitete DES-Verfahren (Data Encryption Standard) und hat die Diskussion um ein Verschlüsselungsverbot neu entfacht. Der Programmierer, Philip Zimmermann, widmete sein PGP dem Schutz der E-Mail-Anwender vor staatlicher Ausspähung und erlaubte die kostenlose Verbreitung. Die Behörden rächten sich: Da PGP über Compuserve auch international verfügbar war, wurde gegen den Amerikaner Zimmermann ein Strafverfahren wegen unerlaubten Exports eingeleitet. Zu spät - inzwischen wird das Programm für 20 Mark auch in Deutschland vertrieben.

RUDI ATTLFELLNER

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PC Professionell, Juli 1994

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