FoeBuD e.V.  ·  Marktstraße 18  ·  D-33602 Bielefeld
http(s)://www.foebud.org  ·  foebud@bionic.zerberus.de

WARNUNG Googeln kann gefährlich sein!

20. medienforum.nrw. vom 9. bis 11. Juni 2008 - klicksafe-Panel: Web 2.0 – Social Communities: Vom Wert der Daten

Die Datensammelwut des Staates hat das Bundesverfassungsgericht in diesem Jahr gebremst. Ungeachtet dessen sind die Nutzer von Social Communities im Internet generell freigiebig mit ihren persönlichen Daten. Beim 20. medienforum.nrw diskutierten Experten die Risiken dieses Verhaltens und plädierten für eine bessere Medienerziehung und eine veränderte Gesetzgebung. Das Panel wurde in Zusammenarbeit mit klicksafe und dem Institut für Europäisches Medienrecht (EMR) angeboten.

Der frühere Bundesinnenminister Gerhard Baum hält den Datenschutz für ein Grundrecht, das die Menschenwürde schützt. Zuletzt sei das in der Entscheidung über die Beschwerde gegen das Verfassungsschutzgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen bestätigt worden, als das Bundesverfassungsgericht den Bürgern das Grundrecht auf Gewährung der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme einräumte. In zehn anderen Verfahren habe das Bundesverfassungsgericht außerdem die Gerichtsurteile unterer Instanzen zur Da-tensammlung korrigiert. "Wir befinden uns im Abwehrkampf im Bereich des Staates", sagte Baum und fügte hinzu, es sei aber auch an der Zeit, über den privaten Bereich zu reden.

Baum forderte "den Aufbruch in ein neues Datenschutzrecht" und vermisst gesetzgeberische Aktivitäten auch im Hinblick auf den Datenschutz bei der Internetnutzung. Man müsse über-legen, ob nicht Warnungen auf Internetseiten notwendig seien. Warum, so fragte Baum provokativ, könne man sich nicht die Warnungen auf Zigarettenpackungen zum Vorbild nehmen: "Warnung! Googeln kann gefährlich sein!", stände dann da und jeder wüsste, dass Google die Daten der Suchen nicht lösche. Außerdem beobachte er mit Sorge, wie das Internet weiterhin als "Entblößungsmedium" genutzt werde und nur wenig Bewusstsein bei den Internetnutzern darüber existiere, dass das Netz nichts vergesse.

Rechtsanwalt und FDP-Politiker Baum sieht die Öffentlichkeit in einer Phase der Orientierung und des Übergangs. Die Skandale um die Überwachung von Arbeitnehmern bei Lidl, die Überwachung von Journalisten durch die Telekom oder die Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung hätten die Menschen für die Notwendigkeit von Datenschutz sensibler gemacht.

Eine Phase des Übergangs, so führte Prof. Dr. Norbert Schneider, Direktor der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) aus, spiegele sich auch in den Aktivitäten seiner Behörde wider, wenn es um die Regulierung von Online-Angeboten gehe. Der Gründungs-mythos des Netzes, bei dem "Anarchie" und "Freiheit" als positive Leitbegriffe eine große Rolle gespielt hätten, werde gerade "abgearbeitet".

Schneider berichtete, seine Landesmedienanstalt befinde sich nun in einer Zeit der Analyse. Welche Schlüsse für die Medien-Aufsichtsbehörden gezogen werden müssten, sei noch nicht absehbar. Als großes Problem der deutschen Gesetzgebung komme hinzu, dass so er-folgreiche Anbieter einer Social Community wie MySpace oft keinen Sitz in Deutschland hät-ten und somit außerhalb jeglicher deutscher Regulierungsmöglichkeiten lägen.

Dr. Peter Wehner, Mitgründer der Internetplattform lokalisten.de, versuchte die Kritiker zu beruhigen. Hauptziel der Lokalisten-Community sei nicht die Weitergabe von gesammelten Daten, sondern ein virtueller Raum, in dem sich die User gerne aufhielten. Man verwende zwar zielgruppenorientiertes Marketing ("Target Marketing"), doch dafür würden die Daten nicht so individualisiert ausgewertet, wie dies möglich wäre, sagte Wehner. User würden nämlich nicht alles, was mit ihren Daten geschehe, akzeptieren. Der Lokalisten-Mitgründer wies in diesem Zusammenhang auf die heftige User-Kritik am Geschäftsgebaren von Facebook hin.

Wie Wehner ist auch Ibrahim Evsan, Gründer der deutschen Videoplattform sevenload.de, bereit, Online-User über die Gefahren im Web 2.0 zu informieren. Schon jetzt fordere sein Unternehmen dazu auf, kein pornographisches Bild- und Filmmaterial hochzuladen. Einig waren sich alle Diskussionsteilnehmer, dass zur Medienerziehung von Kindern auch die För-derung Internet-spezifischer Medienkompetenz gehören müsse. Friedemann Schindler, Leiter von jugendschutz.net, forderte von der Politik, auf Mindeststandards für Web 2.0-Anbieter zu drängen.

Als heftigster Kritik der Datenerfassung erwies sich der Künstler und Netzaktivist padeluun, der seinen wirklichen Namen aus Gründen des Datenschutzes in keinem Zusammenhang mehr öffentlich macht und dem Vorstand des Vereins zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e. V. (FoeBuD) angehört. Digitale Daten seien ein Fundus für Leute, die Macht haben und andere Leute manipulieren wollten, warnte er. Darüber müsse man aufklären – an Schulen und so früh wie möglich.

Bildungsklick, Osnabrück, 12. Juni 2008
Original: http://bildungsklick.de/pm/60953/warnung-googeln-kann-gefaehrlich-sein/

© WWW-Administration, 17 Jun 08