FoeBuD e.V.  ·  Marktstraße 18  ·  D-33602 Bielefeld
http(s)://www.foebud.org  ·  foebud@bionic.zerberus.de

De Maizieres Thesen zur Netzpolitik

Das Netz und die CDU, das war bisher nicht wirklich eine harmonische Beziehung. Immer wieder bekam man sich in die Haare, etwa bei den Netzsperren oder bei der Vorratsdatenspeicherung. Das soll seit gestern alles anders werden. Da stellte Innenminister de Maizière im Berliner Museum für Technikgeschichte seine 14 Thesen zur Netzpolitik vor.

These 1: Bewusstsein für gemeinsame Werte schärfen

Gemeinsame Werte sind das Fundament unseres Zusammenlebens. Unser Menschenbild und unsere Werte prägen auch die Einstellung zum Internet. Wir sollten uns an den Werten der Freiheit, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung, dem Gebot des gegenseitigen Respekts und der Rücksichtnahme sowie der Chancengleichheit und Solidarität orientieren.

"Gemeinsame Werte", "Freiheit", "Solidarität", "Selbstbestimmung" und "Eigenverantwortung": Am Anfang wirkt das Internetmanifest des Bundesinnenministers so, als habe jemand die Must-have-Begriffe deutscher Politikerreden ausgeschnitten und statt "Arbeitsmarkt" oder "Sozialstaat" einfach das Wort "Internet" dazugemischt. Doch immerhin: Das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, gibt es so etwas wie ein netzpolitisches Konzept einer Bundesregierung. Das ist doch schon mal was, findet die Datenschutzaktivistin Rena Tangens vom Verein FoeBuD (Für Bürgerrechte, Datenschutz und eine lebenswerte digitale Welt):

Rena Tangens: "Das zeigt, dass die Bürgerrechtsbewegung großen Erfolg hat. Das ist wie Ghandi einst gesagt hat: Erst ignorieren sie dich, dann bekämpfen sie dich, und am Ende versuchen sie dich zu umarmen. Aber trotzdem müssen wir aufpassen. De Maizière ist wie eine Gummiwand, er lässt Leute kommen, geht einen Schritt zurück, weicht aus und ist nicht angreifbar."

Wie man die Netzgemeinde umarmt, das hat der Innenminister gelernt. In den letzten Monaten gab es netzpolitische Dialogveranstaltungen in denen er Blogger, Internet-Unternehmen und Datenschutzaktivisten zu Gesprächen einlud. De Maizière bemüht sich um die Netzgemeinde, kein Wunder also, dass er die größten Fettnäpfchen umgeht. Anders als Schäuble & Co., spricht er nicht vom Internet als "rechtsfreiem" Raum. Stattdessen heißt es in These 9: "Wir dürfen das Internet weder als rechtsfreien noch in erster Linie als 'kriminellen' Raum betrachten. Der Staat muss sich dabei am milderen Mittel und den Eingriffsbefugnissen der realen Welt orientieren."

Das Internet soll also nicht überreguliert und totalüberwacht werden, doch trotz Bauchpinsel-Rhetorik stößt das Papier im Netz nur auf geteilte Zustimmung: Einerseits begrüßen Blogger und Aktivisten die vielen guten Ideen, wenn es um Verbraucherschutz und Technologieförderung geht. So möchte der Innenminister die Möglichkeit schaffen, Daten mitzunehmen, wenn man von einem sozialen Netzwerk zu einem anderen wechselt. Auch soll das flache Land endlich in den Genuss einer schnellen Netzanbindung kommen. Und schließlich soll das Internet vergesslich werden: Geht es nach de Maizière, können User ihre persönlichen Daten mit einem Verfallsdatum versehen und Suchmaschineneinträge zur eigenen Person mit einem "digitalen Radiergummi" löschen. Doch wenn es um Bürgerrechte und Überwachung geht, sind die Thesen nichts als alter Wein in neuen Schläuchen, findet Rena Tangens:

Rena Tangens: "In der Subtanz unterscheidet er sich nicht von Schily und Schäuble. Denn nach wie vor ist er für die Vorratsdatenspeicherung und auch die Internetsperren findet er nach wie vor in Ordnung."

Die Vorratsdatenspeicherung, also das Speichern von Daten ohne konkreten Verdacht, und die Netzsperren kommen in dem Papier nicht konkret vor, werden aber auch nicht ausgeschlossen. Es sind Formulierungen wie etwa die zur Anonymität, die Misstrauen hervorrufen:

These 5: Anonymität und Identifizierbarkeit abwägen

Der freie Bürger zeigt sein Gesicht, nennt seinen Namen, hat eine Adresse. Gleichzeitig sind wir es gewohnt, im Alltag grundsätzlich unbeobachtet zu handeln. Beides muss auch im Internet normal bleiben. Eine schrankenlose Anonymität kann es jedoch im Internet nicht geben.

Wofür und in welchen Fällen die Anonymität im Internet aufgegeben werden soll, bleibt im Dunklen. Unkonkret bleibt auch die Forderung, Internetprovider sollten den Datenverkehr kontrollieren um Viren herauszufiltern. Wer garantiert, dass dabei nicht auch Inhalte kontrolliert werden? Es gibt also vieles, dass noch bis Herbst diskutiert werden muss. Dann sollen, passend zu den Thesen, konkrete Maßnahmen vorgestellt werden.

Christian Schiffer

Bayrischer Rundfunk, München, 23. Juni 2010
Original: http://www.br-online.de/bayern2/zuendfunk/zuendfunk-kolumne-netzstrom-technik-thema-ID1277298093085.xml

© WWW-Administration, 29 Jun 10