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Kampf gegen Kinderpornografie:

Die Bundesregierung plant, Internetseiten mit kinderpornografischen Inhalten zu sperren. Bürgerrechtler und Internetexperten sehen die Maßnahmen kritisch.

Um Kinderpornografie zu bekämpfen, hat die Bundesregierung diese Woche ein Gesetz zur Sperrung von Internetseiten beschlossen. Danach müssen Internetprovider künftig anhand von Listen des Bundeskriminalamts den Zugang zu illegalen Seiten unterbinden. Die Maßnahmen stoßen bei vielen Bürgerrechtlern, Internetexperten und Politikern auf Kritik. BRIGITTE.de sprach über die Risiken mit Rena Tangens, Mitbegründerin des Vereins Foebud, der sich für Bürgerrechte und Datenschutz einsetzt.

BRIGITTE.de: Die Bundesregierung will gegen Kinderpornografie vorgehen, indem sie entsprechende Internetseiten sperren lassen will. Eigentlich doch ein vernünftiger Plan - warum sieht der Verein FoeBud das dennoch kritisch?

Rena Tangens: Es gibt zwei Punkte, die wir kritisieren. Zum einen halten wir die Pläne von der Bundesregierung für reine Symbolpolitik, die in erster Linie dem Wahlkampf dienen soll. Das heißt, es wird von Politikern so getan, als ob sie ein drängendes Problem anpacken würden - tatsächlich ist Maßnahme selbst aber völlig ungeeignet, um wirklich langfristig etwas gegen Kindesmissbrauch zu bewirken. Außerdem halten wir, genauso wie andere Bürgerrechtsbewegungen und Netzspezialisten, die Sperrmaßnahmen nicht nur für untauglich, sondern sogar für gefährlich.

BRIGITTE.de: Inwiefern gefährlich?

Rena Tangens: Die Sperrung der Seiten lässt sich relativ leicht umgehen, und Menschen, die wirklich gezielt kinderpornografische Inhalte suchen, werden dies auch tun. Der Reiz des Verbotenen ist eine große Triebkraft bei Kinderpornografie, die kriminelle Energie ist also vorhanden. Es ist zudem absehbar, dass die Sperrlisten mit den illegalen Seiten, die an die Provider verteilt werden, an die Öffentlichkeit gelangen. Dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Listen im Internet kursieren, zusammen mit Anleitungen, wie man die Sperrung umgehen kann. Pädophile können sich darüber also gezielt informieren, wo sie verbotene Inhalte finden - und so erreicht man einen genau gegenteiligen Effekt.

BRIGITTE.de: Aber durch die Sperrung würde man doch zumindest die Menschen abhalten, die zufällig auf die illegalen Seiten gelangen.

Rena Tangens: Ich bin nun schon sehr lange im Internet unterwegs und durch meine Arbeit auch an dessen Aufbau beteiligt - und ich bin noch nie einfach so über Kinderpornografie gestolpert. Dass man von irgendeiner harmlosen Seite durch einen Klick auf illegalen Inhalten landet, ist höchst unwahrscheinlich. Man muss schon danach suchen.

BRIGITTE.de: Viele Internetprovider reagierten zunächst ebenso skeptisch auf den Vorstoß der Regierung, begrüßen aber, dass es nun eine klare gesetzliche Grundlage für die Verbote gibt.

Rena Tangens: Natürlich haben Provider ein Interesse daran, sich gesetzlich abzusichern. Aber wir sehen hier eine weitere Gefahr: Nämlich dass über den Kampf gegen die Kinderpornografie der Zensur des Internets die Tür geöffnet wird. Denn wenn einmal die gesetzliche Grundlage für eine Sperrung da ist, folgen womöglich weitere Zensur-Forderungen. Schon jetzt wurde der Wunsch laut, auch Gewaltdarstellungen zu sperren. Und bald könnten womöglich auch legale Websites betroffen sein, die zum Beispiel der Politik ein Dorn im Auge sind, weil sie Kritik üben oder zu Protest aufrufen.

BRIGITTE.de: Ursula von der Leyen würde nun sagen: Wenn es um Kinderrechte geht, müssen die Bürgerrechte hinten angestellt werden.

Rena Tangens: Ja, und kaum jemand würde da widersprechen. Bei einem solch abscheulichen Verbrechen bekommt man für jegliche Maßnahme leicht die Zustimmung der Bevölkerung. Und wer Kritik übt, gerät gleich in den Verdacht, Kinder nicht ausreichend schützen zu wollen. Doch während die Kriminellen kaum von der Zensur berührt werden, können sie für unbescholtene Bürger in der Zukunft schlimme Folgen haben.

BRIGITTE.de: Was sollte man Ihrer Meinung nach stattdessen gegen Kinderpornografie unternehmen?

Rena Tangens: Man muss dort ansetzen, wo die tatsächlichen Verbrechen passieren und versuchen, sie zu unterbinden. Aufklärung spielt dabei eine wichtige Rolle, damit Menschen aus dem Umfeld solcher Kriminellen schneller aufmerksam werden und damit Kinder merken, dass ihnen Unrecht getan wird und sie sich wehren können. Außerdem braucht die Polizei sehr viel mehr kompetente Experten, die in Foren und so genannten Peer-to-Peer-Netzwerken ermitteln, über die Nutzer pornografisches Material austauschen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Kampf gegen Spammer. Denn die Werbung für illegale Websites wird vor allem über E-Mail-Spam verbreitet - und damit wird richtig Geld verdient. Gegen diese Kriminellen muss noch mehr unternommen werden, dafür brauchen wir dringend internationale Vereinbarungen.

Michèle Rothenberg

Brigitte.de, 19. Juni 2009
Original: http://www.brigitte.de/gesellschaft/politik-gesellschaft/kinderpornografie-internet-sperrung-1013300/

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