Datenspeicherung darf nur zur Verfolgung schwerer Straftaten genutzt werden. Dieser Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ist für Florian Glatzner vom Verein "FoeBuD", der sich für Bürgerrechte und Datenschutz einsetzt, ein Ansporn, weiter zu machen.
Glatzner: Seit Anfang 2008 müssen die Telekommunikationsanbieter anlassunabhängig speichern, welche Person welche Seite ansurft. So wird zum Beispiel vermerkt, wann ich mich in meinen Email-Account einlogge, um meine Emails zu lesen. Auch beim Telefonieren wird gespeichert, wer wann mit wem spricht. Beim Handy wird sogar zusätzlich gespeichert, von wo aus ich telefoniere. Insgesamt geht es um die Telekommunikationsdaten.
Glatzner: Es können komplette Bewegungsprofile erstellt werden, aus denen Rückschlüsse über mein Leben gezogen werden können. Wenn ich zum Beispiel häufig mit einer Aidsberatungsstelle telefoniere, könnte man daraus schließen, dass ich an Aids erkrankt bin. Und das, obwohl dort möglicherweise nur meine Freundin arbeitet. Außerdem werden die Menschen sich zurückhalten, wenn bei ihnen das Bewusstsein vorherrscht, dass sie überall beobachtet und überwacht werden. So werden sie zum Beispiel nicht mehr auf Demonstrationen gehen – und das gefährdet unsere Demokratie. Die Vorratsdatenspeicherung hat aber auch Auswirkungen auf die Arbeit von Journalisten, die ihren Informantenschutz nicht mehr gewährleisten können, oder auch auf die Arbeit von Rechtsanwälten.
Glatzner: Bei den Telefonverbindungsdaten kann man nur wenig gegen die Speicherung tun. Für die Nutzung des Internets gibt es so genannte Anonymisierungsprogramme, die die IP-Adresse, also die Erkennungsnummer des Computers verschlüsseln. Dadurch hinterlässt man nicht überall seine Fußspuren. Die Software kann sich jeder einfach auf unserer Internetseite kostenlos runterladen oder – wenn man uns unterstützen möchte – vorinstalliert auf einem USB-Stick kaufen. Doch die, die so ein Programm nicht haben, sind der Vorratsdatenspeicherung restlos ausgeliefert. Deswegen ist es viel wichtiger, auf das Problem aufmerksam zu machen. Unser Weg ist, dagegen auf politische Weise vorzugehen, zu demonstrieren und mit den Abgeordneten zu sprechen.
Glatzner: Das ist wirklich schwierig. Wenn man einmal seine Adresse im Internet weiter gegeben hat, dann hat sie irgendein Adressenhändler in seiner Datenbank gespeichert und verkauft sie weiter. Natürlich sind diese Händler verpflichtet, einem Auskunft über die Speicherung zu geben. Aber dem Weg der Datenweitergabe hinterher zu telefonieren ist schon sehr mühsam. Am Besten ist es, von vornherein auf Datensparsamkeit zu achten.
Glatzner: Ja. Damit hat man sich vollständig ausgeliefert. Ganz abgesehen davon, ob sich die Punkte überhaupt lohnen. Genauso kann ich von der Anmeldung bei StudiVZ nur abraten. Und wenn man schon angemeldet ist, sollte man so wenig Informationen wie möglich preisgeben. Der Anbieter ist ja schließlich kein karitativer Verein – nein, die wollen mit den Daten Geld machen. Bei diesen Systemen kann jedoch jeder für sich entscheiden, ob er da mitmacht oder nicht. Schwieriger ist es, wenn faktische Zwänge vorherrschen. Ich kann zwar sagen, dass ich mit einem Schufa-Vermerk nicht einverstanden bin – aber dann bekomme ich eben kein Konto bei einer Bank.
Glatzner: Nicht so richtig. Wir haben den Eilantrag mit initiiert, und das ist jetzt ein minimaler Erfolg. Es bleibt jetzt abzuwarten, was in der Hauptverhandlung passiert. Noch immer steht in der Anordnung, dass nicht das Speichern von Daten selbst, sondern erst der Abruf der Daten ein Eingriff in die Freiheit der Bürger ist. Vielleicht wird dieser Punkt in der weiteren Verhandlung noch geändert. Ich würde den heutigen Entscheid nicht als Etappensieg, sondern als ersten Führungstreffer werten. Der lange Weg folgt noch.
Glatzner: Wir werden weiter in der Öffentlichkeit aufzeigen, dass die immer weiter fortschreitende Überwachung zu großen Problemen führen kann. Außerdem monieren wir, dass Politiker immer häufiger Gesetze einbringen und beschließen, die nicht verfassungskonform sind. Und dann warten die Politiker ab, ob das Bundesverfassungsgericht zustimmt. Der richtige Weg wäre, die Gesetze direkt so zu formulieren, dass das Bundesverfassungsgericht gar nicht erst eingreifen muss. Die Gesetze zum Lauschangriff oder zur Online-Durchsuchung hat das Gericht beispielsweise schon kassiert. Um diese Verhaltensänderung bei den Politikern in Zukunft zu erreichen, müssen die Menschen ihre Abgeordneten ansprechen, auf die Straße gehen oder Initiativen unterstützen, die gegen die ausufernde Überwachung ankämpfen.
Vera Kaemper
Der Westen Online, Essen, 19. März 2008
Original: http://www.derwesten.de/nachrichten/nachrichten/2008/3/19/news-31747566/detail.html