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Wir denken immer noch in Akten

Datenschützer warnen: Die Bürger machen sich selbst zu gläsernen Menschen

Geburtsdatum und -ort, die Post- und E-Mail-Adresse, Telefonnummern, dazu Hobbys, Lieblingsessen und das favorisierte Urlaubsland-diese Angaben sind wenn nicht Eckpfeiler einer Identität, so doch höchst privat. Dennoch geben viele Deutsche ihre persönlichen Daten bedenkenlos aus der Hand-aus Ahnungslosigkeit, aus praktischen Gründen oder auch, weil sie keine Wahl haben, wenn sie Rabatte erhaschen oder Preise gewinnen wollen. Der Datenschutzverein "FoeBuD" warnt davor, persönliche Daten alzu freigiebig herauszugeben.

Über 40 Millionen Internetnutzer gibt es in Deutschland heute, die Mehrheit von ihnen wähnt sich anonym im weltweiten Netz. Eine trügerische Annahme, denn ohne Schutzmaßnahmen können die Unternehmen, deren Website besucht wird, bei der Kommunikation die IP-Adressen der Nutzerinnen und Nutzer abrufen-jene Nummernfolge, die den Rechner jedes Internet-Nutzers eindeutig identifiziert. Auch Cookies (Profildateien), Browserinformationen und zuletzt besuchte Seiten können weitergegeben werden, ohne dass der Nutzer etwas davon merkt. In vielen Fällen hilft er sogar aktiv mit, sein Profil zu vervollständigen, etwa indem er in speziellen Themenforen mitdiskutiert, sich über seine finanziellen Probleme, jüngst ausgestandene Krankheiten oder auch den geplanten Urlaub austauscht. In Registrierungformularen und beim Online-Einkauf gar zur Eingabe privater Daten aufgefordert. Mit jeder Angabe über sich verdichten sie selbst das Nutzerprofil, das Aufschluss gibt über sie und ihre individuellen Lebensumstände und das für Kundensammler sehr interessant ist. Werden wir tatsächlich offener, was unsere eigenen Daten angeht? Oder fehlt uns in dieser vernetzten Welt einfach der Durchblick? "letzteres trifft zu", meint der Netzaktivist padeluun, der sich mit seinem Computerverein FoeBuD e.V. (Verein zur Förderung des öffentlich bewegten und unbewegten Datenverkers) seit 20 Jahren für digitale Bürgerrechte einsetzt und ausschließlich einen Künstlernamen angibt: " Vieles kann derzeit nur deshalb im Internet geschehen, weil die Menschen noch nicht wissen, was da läuft." Das müsse sich ändern. Der normale Nutzer sei arglos und gebe seine Daten so freigiebig an Unbekannte weiter, "weil er noch immer in Papier, in Akten denkt. Beim Wort 'Daten' hat er den großen Aktenschrank in seiner Gemeinde im Kopf, in dem es auch eine Akte über ihn gibt." Dass mittlerweile aber die Daten zentral auf Unternehmens-Rechnern erfasst und bearbeitet, geändert und zusammengeführt werden können, das hätten viele Menschen nicht vor Augen. Ähnlich unklar sei die Vorstellung der meisten Nutzer in Bezug auf die Suchmaschinen. Etwa 90 Prozent aller Nutzeranfragen werden in Deutschland von Google bearbeitet-und gespeichert. Nur wenigen ist bekannt, dass das Unternehmen die Suchwörter, Uhrzeit und die IP-Adresse des Anfragenden auf seinen Servern speichert. Darüber hinaus legt Google auf den Rechnern seiner Nutzer Cookies ab, die ihr Profil speichern. Dies alles diene einer "Qualitätsverbesserung des Service", heißt es aus der Google-Pressestelle. Im übrigen sei man "sehr um Datenschutz bemüht". Eine Aussage, an der angesichts der Tatsache, dass der Konzern die Cookies zwei Jahre lang speichert, Zweifel aufkommen. In dieser Zeit, kritisieren Datenschützer, könne rückverfolgt werden, wer sich hinter den Angaben und den dazugehörigen Anfragen verberge. "Google dringt tief in die Privatsphäre von Internetnutzern ein", zu diesem Ergebniss kommt auch die britische Organisation Privacy International, die seit 1990 den Datenschutz im Netz scharf kontrolliert. In einer im Juni veröffentlichten Studie verleiht sie dem kalifornischen Technologiekonzern wegen seines Umgangs mit Kundendaten die schlechteste Wertung: "Feind der Privatsphäre". Die von Google gespeicherten Daten enthalten wichtige Informationen für Unternehmen, die auf der Suche nach geigneter Kundschaft für ihre nächste Kunden-Aktion sind. Dazu dienen jedoch nicht nur die eigenen Daten, sondern unter Umständen auch die der Nachbarn oder der Wohngegend. "Geomarketing" nennt sich die Verknüpfung von Informationen über Einkommen, Zahlungsmoral und Konsumverhalten der Nutzer mit digitalen Landkarten. "Die Unternehmen haben quasi freie Kriterien-Auswahl", sagt padeluun. So könne eine Krankenversicherung für ihren neuen Luxustarif junge, dynamische, gesunde Leute auswählen. "Sie kann aber auch einen Schritt weitergehen und sagen: Wir nehmen nur Leute die in einer guten Wohngegend leben." Gleiches gelte für die Adressaten von Sofortkrediten: "Das könnensozial schwächere Menschen sein, oder eben Menschen die nur in sozial schwachen Gegenden wohnen." Im Oktober vergibt der FoeBuD e.V. zum achten Mal den BigBrotherAward an Firmen, Organisatoren und Personen, die "in besonderer Weise und nachhaltig die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigen oder persönliche Daten Dritten zugänglich machen". Einer der ersten Gewinner dieses Negativpreises war im Jahr 2000 die Firma "Loyalty Partner" für ihre Payback-Karte. Einkaufen, Bonuspunkte sammeln, Rabatte ausschöpfen und Prämien einlösen, das macht nach Angaben der Firma jeder dritte in Deutschland.

Protest gegen Payback & Co. Vor allem die Verbraucherschutzverbände kritisieren Kartensysteme wie Payback und Happy Digits: Sie ermöglichen den "Gläsernen Kunden", wird argumentiert, aus den Daten ließen sich Rückschlüsse auf den Lebenswandel des Kunden ziehen und der Erfolg von Werbung messen. Dass so viele Nutzer ihr Einkaufsverhalten per Payback-Karten freiwillig ausspionieren lassen, erklärt sich padeluun mit dem Instinkt des Herdentriebs: "Sie lassen sich überreden, trotz des Gefühls, dass da etwas nicht in Ordnung ist. Aber dann nehmen sie die Payback-Karte eben doch, weil man ja sparen muss und Rabatte ausnutzen", so der Datenschützer. "Es ist schwer, diesem Trend zu widerstehen." Zuweilen sei aber die Herausgabe persönlicher Daten der praktischere Weg: "Beispiel Deutsche Bahn AG: Ich kaufe meine Fahrkarten im Internet, also gebe ich jedes Mal meine Daten in das Online formular ein." Beim alternativen Kartenkauf am Bahnschalter entfalle zwar die Angabe persönlicher Daten, "doch dafür benötigt man wesentlich mehr Zeit als für ein paar Klicks." Auch die Möglichkeiten, die Datensammler durch die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte haben könnten, bereitet Datenschützern Sorge. Bisher ist unklar, wohin die Daten gelangen können. Kritiker befürchten, dass sie für andere Zwecke wie beispielsweise strafrechtliche Ermittlungsverfahren oder Risikoabwägungen von Versicherern verfügbar gemacht werden. Zudem werde durch die Karte, die nun Mitte 2008 eingeführt werden soll und der Schlüssel zur elektronischen Patientenakte sein wird, das Recht der Bürger auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Denn um eine einheitliche Behandlung der Patienten zu erzielen, sollen die Patientenakten vernetzt und einrichtungsübergreifend angelegt werden, das heißt, dass medizinische Informationen über die Patienten gespeichert und ausgetauscht werden können. Ärzte und Datenschützer warnen vor der Gefahr des "Gläsernen Patienten". Bis dahin wird weiter gerungen:einerseits um neue Kunden, andererseits um die eigene Privatsphäre.Offen bleibt, wie Nutzer selbst künftig mit ihren Daten umgehen werden. "Bisher fehlt ihnen die Erfahrung der heißen Herdplatte", erklärt padeluun ihr sorgloses Verhalten, "sicher werden einige aufmerksam, wenn ein Fremder vor ihrer Tür steht und sagt: "Sie sind der Hobbygärtner mit 155.000 Euro Schulden der nach Brasilien verreisen möchte? Ich habe einen tollen Sofortkredit für sie."

Silvia Harbord

dieGesellschafter; Bonn, 01. September 2007
Original: http://www.dieGesellschafter.de

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