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Scoring - Wie Verbraucher durchleuchtet und bewertet werden

Die meisten Verbraucher wissen nicht, dass sie täglich bei fast jedem Vertragsabschluss - also auch beim simplen Einkaufen - gerastert und in Schubladen gesteckt werden. Scoring heißt das automatisierte und mathematisch komplizierte Verfahren, in das viele Faktoren einfließen - verdeckt, denn transparent wird das keineswegs gemacht.

"Menschen denken, das sei Zufall, unterhalten sich mit ihren Freunden darüber, ah, ich war wieder ewig an dieser Hotline und musste warten und jemand anderes sagt, ich weiß gar nicht, wo das Problem ist, ich komm immer sofort dran. Das ist kein Zufall. Das wird danach gehandhabt, wie profitabel ein Kunde oder Kundin eingeschätzt wird."

Die Datenschutz-Aktivistin Rena Tangens vom Bielefelder Verein FoeBuD kennt zahlreiche solcher Fälle. Für Banken, Versandhäuser oder Mobilfunkanbieter gibt es immer zwei Klassen von Kunden; je nach Bonität werden sie schneller oder eben langsamer bedient.

Woher aber weiß ein Call-Center-Mitarbeiter, ob Sie, beispielsweise, ein guter oder ein schlechter Kunde sind? Sie haben, oft ohne es zu wissen, einen Wert zugewiesen bekommen, er nennt sich Score-Wert. To score heißt zählen, einstufen. In den USA gibt es Scoring schon seit Jahrzehnten, in Deutschland erst seit gut zehn Jahren. Scoring ist den meisten Deutschen kein Begriff. Dabei entscheidet der Score-Wert an vielen Stellen darüber, was wir uns leisten können. Die Zahl, die beim scoring ermittelt wird, soll ausdrücken, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Kunde einen Kredit zurückzahlt - oder seine Handyrechnung begleicht. Dieter Korczak hat im Auftrag des Bundesverbandes Verbraucherzentrale Scoring-Verfahren getestet.

"Scoring-Verfahren können ja direkte Konsequenzen haben, weil sie zu höheren Preisen für die Betroffenen führen, und in der Regel gilt dann: The poor pay more, also dieser amerikanische Spruch, dass die Armen mehr bezahlen, und das ist de facto auch so."

Die meisten Verbraucher wissen nicht, dass sie täglich bei fast jedem Vertragsabschluss - also auch beim simplen Einkaufen - gerastert und in Schubladen gesteckt werden. Scoring ist ein automatisiertes und mathematisch kompliziertes Verfahren, in das viele Faktoren einfließen - verdeckt, denn transparent wird das keineswegs gemacht.

Rena Tangens, unabhängige Datenschützerin beim Bielefelder Verein FoeBuD:

"In Deutschland existiert von jedem Menschen ein Score-Wert, egal, ob der stimmt oder nicht oder aufgrund welcher Daten der errechnet wurde, und die Folgen für die einzelnen Menschen bestehen darin, dass sie aufgrund dieser Daten beurteilt werden, also es ist so was wie ein automatisiertes Vorurteilssystem. Sie werden nicht aufgrund von Wahrheit oder aufgrund ihres derzeitigen Verhaltens beurteilt, sondern aufgrund von Daten aus der Vergangenheit wird ein Urteil über sie gefällt."

Oder aufgrund von Umständen, die nichts mit dem bisherigen Verhalten eines Kunden zu tun haben: Alter, Geschlecht, Familienstand und Adresse. Denn neben den "harten" Daten: welches Einkommen hat jemand, hat er Schulden - greifen viele Auskunfteien auch auf die zweitbesten Daten zurück: Auf das so genannte Geo-Scoring, auf Daten, die sich aus der Wohnsituation des Antragstellers ergeben. Neubau- oder Altbaugegend, wenig oder viele Ausländer, Studenten oder alte Leute als Nachbarn - all das sind "weiche" Merkmale, die den eigenen Score-Wert beeinflussen können. Datenschützer sagen: Menschen in den neuen Bundesländern haben per se schlechtere Scoring-Karten als Verbraucher im Westen Deutschlands. Peter Schaar, der Bundesdatenschutz-Beauftragte:

"Ein Arzt beispielsweise, der seine Praxis in Berlin-Neukölln eröffnet, hat dann plötzlich einen schlechteren Score-Wert und bekommt dann keinen Kredit. Er muss für seinen Handyvertrag mehr zahlen, als wenn er in Berlin-Steglitz wohnen würde oder in Hamburg-Blankenese."

In letzter Konsequenz, so fürchtet Schaar, könnten ganze Stadtteile abgehängt werden; denn der Arzt, der in einem problematischen Bezirk eine Praxis eröffnen möchte, wird sich das bei schlechten Kreditkonditionen zweimal überlegen oder dort zumindest nicht wohnen.

Was aber sagt es beispielsweise über die Bonität eines Kreditnehmers aus, wenn er zwei Häuser entfernt wohnt von einem hoch verschuldeten Glücksspieler? Oder wenn er eine Automarke fährt, die unter säumigen Schuldnern besonders verbreitet ist? Pech gehabt! Das alles kann den Score-Wert drücken. Wer schlecht weg kommt bei der Bonitätsprüfung, der dürfte beim Waschmaschinenkauf nur schwer einen Ratenvertrag kriegen, und Versandunternehmen liefern auch nur gegen Vorkasse.

Bevor Rainer Neumann 1977 seinen ersten Kredit für ein Auto bekam, war ein - nach eigenen Angaben - quälend langes Verhandlungsgespräch nötig. Das Ganze wäre schneller gegangen, hätte der Autohändler über den damals 26-jährigen Mathematiker eine Schufa-Auskunft eingeholt: Neumann war unbescholten und kreditwürdig. Heute ist Rainer Neumann selbst Chef der Wiesbadener Schutzvereinigung für allgemeine Kreditsicherung, der bekanntesten Auskunftei Deutschlands - und damit einer der mächtigsten Männer im deutschen Datengeschäft.

"50 Millionen mal im vergangenen Jahr haben wir eine Auskunft gegeben und mehr als 45 Millionen Mal, vielleicht 47 Millionen Mal, wurde der Verbraucher sofort durchgewunken und bekam einen Kredit, bekam ein Handy, bekam Ware auf Rechnung. Und da, wo es nicht klappt, da wird man aufmerksam. Das ist dann der Fall, wenn Negativdaten bei uns vorliegen und der Kreditgeber aufgrund der Daten den Kredit nicht gibt. Das muss nicht immer so sein. Also wenn alle Personen, die Negativdaten hätten, kein Handy hätten, dann hätten wir Hunderttausende Handys weniger."

So versucht der Schufa-Chef die Brisanz seiner eigenen Daten herunterzuspielen. 4500 Unternehmen greifen auf sie zurück: nicht getilgte Kredite, unbezahlte Rechnungen, bei denen alle Mahnungen ins Leere liefen, gerichtliche Daten wie eidesstattliche Versicherungen, früher kurz: Offenbarungseid. Ob jemand in einer gehobenen Lage oder einem sozial schwächeren Wohnort lebt, fließt nach Angaben Neumanns aber nicht in den Score-Wert ein, den die Schufa als Dienstleister für andere Firmen entwickelt.

Neumanns Unternehmen verwaltet Daten über praktisch jeden Deutschen, der über 18 Jahre alt ist. Man möge Scoring, also das Herunterbrechen der Kreditwürdigkeit auf eine einzige Zahl, doch auch einmal positiv sehen, argumentiert er. Wenn der Banker nicht einschätzen könne, ob sein Kunde kreditwürdig sei, dann würden die Kredite für alle teurer oder die Bewilligung oder Ablehnung ziehe sich länger hin.

Damit gibt Neumann auch die Argumente des Bundesverbandes der Deutschen Banken wieder.

Dass arbeitslose oder nicht solvente Kunden keinen Kredit bekommen, könnte noch plausibel erscheinen. Wozu aber eine Fülle von Informationen über jemanden sammeln, die mit seinem Zahlungsverhalten in der Vergangenheit nur lose in Zusammenhang stehen? Viele Auskunfteien verkaufen Score-Werte, in die weit mehr Merkmale einfließen als die, die in der Schufa-Auskunft auftauchen. Verbraucher würden damit potentiell zu Opfern einer erhöhten statistischen Wahrscheinlichkeit, kritisieren Datenschützer.

"Es ist so, dass ein Kreditnehmer, wenn er einen Kredit haben will, in der Regel dreißig bis fünfzig Informationsmerkmale dem Kreditgeber geben muss, und dass der Kreditgeber darüber hinaus aus Quellen, die er noch dazuspielen kann, 150 bis 300 verschiedene Merkmale eines potentiellen Kreditnehmers bei der Kreditentscheidung berücksichtigt. Und das ist etwas, was für jeden von uns völlig undurchsichtig ist. Diese einzelnen Merkmale werden auch noch unterschiedlich gewichtet. Diese Gewichtungsfaktoren sind auch völlig undurchsichtig, werden auch nicht offen gelegt, auch auf Nachfrage nicht offen gelegt, und es wird ein riesiger Aufwand an Data Mining, also an Datenschürfen betrieben, um zu irgend welchen Prozentwerten zu gelangen. Die aber eigentlich mit der Fragestellung, ob jemand kreditwürdig ist oder nicht, nichts zu tun haben."

Der Soziologe Dieter Korczak von der GP-Forschungsgruppe für Grundlagen- und Programmforschung in München muss es wissen. Er hat das Scoring einem Praxistest unterzogen - im Auftrag des Dachverbandes der Verbraucherzentralen. 21 Testpersonen hat er losgeschickt in vier verschiedene Banken: Zahnarzthelferinnen, Ingenieure, Staatsbeamte. Sie traten überall ähnlich auf, und ihre Kreditanfrage war überall die gleiche. Das irritierende Ergebnis:

Ein und dieselbe Testperson wurde einmal als großes, ein anderes Mal als kleines Risiko eingestuft und bekam völlig unterschiedliche Angebote. Seither glaubt Korczak: Statt sich auf Scoring zu verlassen, könnten Banken und Händler auch in die Kristallkugel schauen.

"Das Ergebnis ist eben, dass die Wissenschaftlichkeit oder das wissenschaftliche Zustandekommen dieser Scoring-Werte nicht belegt werden konnte. Wir halten den Einsatz von Scoring-Verfahren nach wie vor für eine Luftnummer. Das Einzige, was dort einwandfrei ist, ist die Anwendung von mathematischen Verfahren, das heißt aber noch lange nicht, dass das Scoring wissenschaftlich ist."

Denn wie die einzelnen Faktoren gewichtet werden, das bleibt bislang das Geheimnis der Firmen, die die Kundenprofile erstellen. Die Unternehmen kreieren ihren eigenen Mix. Zu einer Offenlegung sind sie nicht verpflichtet. Bei den Verbraucher- und Datenschutzstellen beschweren sich Kunden vor allem darüber, dass niemand ihnen nachvollziehbar erklärt, was ihnen eigentlich zur Last gelegt wird.

Korczak: "Es gibt solche Absurditäten und Absonderlichkeiten, dass zum Beispiel ein Staatsbeamter, ein Regierungsrat im Alter von 55 Jahren, der zwei Leasingverträge für Autos laufen hat und die auch von den Leasingraten her regelmäßig bedient hat, also ein völlig einwandfreier solventer Kunde, keinen Kredit bekommt, weil die Scoring-Verfahren und die Banken, die diese nutzen, nur sehen: Dieser Mann hat zwei Kredite und dann sagt natürlich die Bank, bei der er einen neuen Kredit anfragt: Dieser Mann ist schon so belastet mit Kreditrückzahlungen, dem können wir keinen neuen geben."

In vielen Fällen, beklagt Deutschlands oberster Datenschützer Peter Schaar, entscheidet nicht mehr ein Mensch, wer kreditwürdig ist, sondern ein Computer. Das deckt sich mit den Erkenntnissen von Dieter Korczak:

"Das Erstaunliche ist, dass selbst wenn Bankkredit-Sachbearbeiter auf diesen Umstand hingewiesen werden, sie nicht in der Lage sind, das computergenerierte Ergebnis zu korrigieren."

Die Kreditsachbearbeiter wollen den berühmten "Nasen-Faktor" ausschließen: Wenn mir Deine Nase nicht gefällt, kriegst Du keinen Kredit. So aber wird der Computer zum deus ex machina, was er berechnet, führt zu einer automatischen Entscheidung, über die sich Kreditsachbearbeiter nur in den wenigsten Fällen hinwegsetzen. Was vermeintlich objektiv ist, kann nach Ansicht von Datenschützern leicht ins Gegenteil umschlagen, warnt Deutschlands oberster Datenschützer Peter Schaar:

"Die Frage ist doch: Findet über Scoring gegebenenfalls eine bestimmte Form von Diskriminierung statt? Diskriminierung von bestimmten Personengruppen, eine Benachteiligung von Bewohnern bestimmter Stadtteile, eine Benachteiligung von Personen, die genau das machen, was auch die Bundesregierung verlangt - nämlich flexibel auf dem Arbeitsmarkt zu sein. Das kann doch eigentlich nicht damit angestrebt werden."

Scoring, so kritisieren Datenschützer und Experten, wird dann problematisch, wenn es an Merkmale anknüpft, die der Einzelne nicht oder kaum beeinflussen kann: an seine Herkunft, sein Geschlecht, seinen Wohnort. Plausibel mag erscheinen, dass ein gut verdienender Manager zunächst einmal kreditwürdiger eingestuft wird als ein Fliesenleger. Nicht einsehbar ist, dass ein Ausländer einen negativeren Score-Wert bekommt als ein Deutscher, nur deswegen, weil viele Ausländer hierzulande weniger verdienen als der Durchschnittsdeutsche.

Korczak: "Der Einsatz von Scoring-Verfahren dient letztlich nur dazu, dass höhere Preise erzielt werden können. Wir haben das bei unserem Banken-Test festgestellt und ich denke, das gilt für alle anderen, wenn man tiefer drüber nachdenkt, genau so: Dass unabhängig von der tatsächlichen Leistungsfähigkeit eines Kreditnehmers oder eines potenziellen Kreditnehmers in unserem Fall ganz unterschiedliche Angebote von den Banken an diesen Kreditnehmer gerichtet worden sind, und die Abweichungen betrugen teilweise fünf Prozent."

Fünf Prozent Zinsen mehr für einen Kredit - weil ein Kunde anhand von Daten, die er nicht kontrollieren kann, als Risiko eingestuft wird. Warum reichen nicht ein Einkommensnachweis und sein Schufa-Eintrag? Die Unternehmen gehen ohnehin nur ein begrenztes Risiko ein. Wer einen Kredit zwei Monate lang nicht tilgt, dem kann die Bank seinen Kredit unmittelbar aufkündigen. Wer eine Wohnung mietet, muss eine Kaution hinterlegen, Banken nehmen den Kfz-Brief als Sicherheit für einen Autokredit. Hausbesitzern droht die Zwangsversteigerung, wenn sie zweimal ihre Hypothekenrate nicht bezahlen.

Datenschützer erregen sich besonders darüber, dass Scoring mittlerweile in nahezu jedem Wirtschaftsbereich Einzug gehalten hat. Der Kunde wird gläsern - nur er selbst merkt zunächst nichts davon. Die anderen wissen viel besser Bescheid über ihn als er ahnt.

Korczak: "Ich finde, Kunden sollten nicht durchleuchtet werden. Warum sollte ein Kunde durchleuchtet werden? Es geht um Vertragsbeziehungen. Ein Kunde, ganz egal wohin er geht, ob er jetzt in den Supermarkt geht oder in ein Kaufhaus oder ob er eine Wohnung anmieten will oder einen Kredit haben will oder einen Handyvertrag abschließen will, dieser Kunde geht hin und will dieses Produkt oder diese Dienstleistung haben. Und das einzige, was er nachweisen muss, ist, dass er die Zahlungsverpflichtungen, die er mit dem Vertragsabschluss eingeht, auch leisten kann."

Dass die Kunden-Durchleuchtung den Datenschutz empfindlich beeinträchtigt, hat auch die Regierung erkannt. Schon vor der Sommerpause hat das Kabinett einen Gesetzentwurf gebilligt, der das Scoring transparenter machen soll. Verbraucher sollen demnach ab 2010 das Recht bekommen, zu erfahren, nach welchen Kriterien sie beurteilt wurden - warum sie also einen Kredit oder einen Vertrag bekommen haben oder nicht. Schufa-Vorsitzender Rainer Neumann:

"Das Gesetz hat jetzt eine Idee der Banken aufgegriffen, dass man dem Verbraucher, wenn er möchte, erklärt, warum er einen Kredit nicht bekommt. Und ich denke, aus unserer Sicht ist das ausreichend, wenn man dem Verbraucher häufig sehr schnell erklären kann, dass aufgrund seiner Einkommenssituation der Kredit nicht möglich ist."

Dass sein Gehalt nicht reicht, wird sich ein Kunde im Zweifelsfall noch selbst ausrechnen können. Was aber, wenn es komplizierter wird? Vorgaben, welche Daten gesammelt werden dürfen, macht das Gesetz nicht. Wohndaten dürfen demnach weiterhin verwendet werden. Und kein Kunde kann damit rechnen, Details und völlig transparente Begründungen zu erfahren.

Schufa-Chef Neumann gibt sich diplomatisch: Ja, jeder Bürger solle seine eigenen Daten einsehen, kommentieren und verändern können, aber bitte nur die Eckdaten, nicht die Feinheiten. Das sei weltweit unüblich, argumentiert er. Ein völlig transparenter Score verliere an Wert, behauptet Neumann:

"Diese Dinge waren noch nie transparent und sind sinnvollerweise auch nicht transparent, weil Verträge schließen zwei Parteien und wir haben im Grundgesetz garantiert, dass man dem anderen nicht erklären muss, warum man bereit ist, einen Vertrag zu schließen oder nicht zu schließen."

Doch diese Unzufriedenheit gibt es schon jetzt, und sie ist der Grund, warum Datenschützer sich mehr von der Datenschutzgesetz-Novelle erhofft haben. Das Grundproblem bleibt auch nach der Gesetzesänderung voraussichtlich ungelöst: Das umstrittene Verfahren darf weiter auf breiter Front angewendet werden, das Recht auf einen wirksamen Einspruch ist nicht vorgesehen. Der Bundesdatenschutzbeauftragte:

"Wo ich mir eine Nachbesserung wünschen würde, wäre auch noch mal die Frage, wo darf überhaupt eine Auskunftei eingeschaltet werden. Da lässt das Gesetz die Interpretation zu, dass das eigentlich bei allen Gelegenheiten geschehen kann, wo irgend eine Art von vertraglichem Risiko da ist. Da würde ich mir wünschen, dass das auf ein kreditorisches oder vergleichbares Risiko begrenzt wird."

Und: Warum Scoring-Verfahren nicht endlich auf ihre Stichhaltigkeit prüfen?

Schaar: "Ganz wichtig ist mir, dass es eine wissenschaftliche Verifikation eines solchen Scoring- Verfahrens gibt, das heißt dass mit wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen werden kann, dass hier eine Relevanz für die entsprechende Entscheidung besteht und dass nicht irgendwelche Alchemisten irgendwelche Daten zusammenmischen mit der Behauptung, es würde dann die goldene Information entstehen. Bekanntlich hat das ja bei den Alchemisten mit dem Gold-Machen auch nicht so gut geklappt."

Dieter Korczak empfiehlt Testuntersuchungen wie bei Arzneimittelprüfungen: Wie die Pharmaindustrie Medikamente testen muss, bevor sie sie einsetzen darf, sollten auch Scoring-Anbieter nachweisen müssen, dass ihre Datenkombinationen wirklich etwas über die Kreditwürdigkeit aussagen. Welche Kreditnehmer haben ihre Kredite tatsächlich nicht zurückgezahlt, und welche Scoring-Verfahren haben das am besten vorhergesagt? Scoring-Verfahren, die nicht in 95 Prozent aller Fälle das Richtige vorhersagen, sollten vom Markt genommen werden. Doch er hat Zweifel, ob es hier wirklich verlässliche Aussagen geben kann:

"Wir wissen aus anderen Untersuchungen, dass die Gründe, warum Haushalte oder Einzelpersonen ihre Kredite nicht zurückzahlen können, in der Regel außerhalb von Prognosefähigkeit liegen, denn es sind zwei Gründe, die überwiegen. Der eine Grund ist das Eintreten von Arbeitslosigkeit, der andere ist das Eintreten einer Trennung oder Scheidung."

So lange also Scoring aus Sicht vieler Experten diskriminierend sein kann und allzu oft dem Blick der Wahrsagerin in die Kristallkugel gleicht, bleibt nur eines: sparsam umzugehen mit den eigenen Daten.

Tangens: "Wenn Sie tatsächlich an einem Preisausschreiben teilnehmen, was sie nicht tun sollten, denn die sind explizit zum Adressensammeln da: mal angenommen, Sie füllen so etwas aus, dann füllen Sie bitte nicht das Geburtsdatum aus. Denn was hat das Geburtsdatum mit Ihrem Wunsch, eine Reise in die Karibik zu gewinnen, zu tun?"

Schaar: "So, wie man auch ansonsten nicht irgendwelchen Fremden, denen man auf der Straße begegnet, alles Mögliche gegenüber ausbreiten sollte, sollte man auch am Telefon oder im Internet etwas diskreter sein."

Sandra Pfister

Deutschlandradio, Berlin, 09. Oktober 2008
Original: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/hintergrundpolitik/858207/

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