Datenspeicherung: Am Mittwoch wurden rund 28.000 Vollmachten zu einer Verfassungsbeschwerde gegen die zentrale Speicherung von Arbeitnehmerdaten in Karlsruhe eingereicht
Bundesweit wollen rund 28.000 Menschen gegen die umstrittene zentrale Speicherung von Arbeitnehmerdaten (,,Elena") Verfassungsbeschwerde einreichen. Die Akten sind am Mittwoch vom Verein Foebud (Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs) dem Verfassungsgericht in Karlsruhe übergeben wurden. Insgesamt haben merh als 30.000 Menschen die Initiative im Internet unterstützt, entscheidend sind aber die per Brief eingegangenen Vollmachten.
Für ,,Elena" (für: ,,ELektronische EntgeltNAchweis") müssen Arbeitgeber seit Jahresbeginn monatlich die Daten ihrer Angestellten an eine zentrale Speicherstelle bei der Deutschen Rentenversicherung senden. Vermerkt ist dies für die rund 40 Millionen betroffenen Arbeitnehmer nur mit einem kurzen Hinweis auf der Gehaltsabrechnung. Mit dem Projekt sollen Unternehmen und Verwaltung entlastet werden.
,,Elena" ist ein Projekt der Bundesregierung unter der Verantwortlichkeit des Bundeswirtschaftsministeriums. Es wurde früher auch als ,,Job-Card-Projekt" bezeichnet. Beschlossen wurde ,,Elena" im Bundesrat mit einem dazugehörigen Gesetz am 28.3.2009. Das Bundeswirtschaftsministerium erhofft sich damit eine Kostenersparnis für Unternehmen von bis zu 85 Millionen Euro. Mit Hilfe der zentralen Datenerfassung sollen ab dem 1.1.2012 die Arbeits- und Sozialämter beispielsweise schneller und einfacher entscheiden können, ob und in welcher Höhe jemand Anrecht auf Sozialleistungen hat oder auch nicht.
Da sich unter diesen detaillierten Daten viele befinden, die hochsensibel sind, einige (etwa die Gründe für eine Kündigung oder Abmahnung, Schilderungen von ,,vertragswidrigem Verhalten" oder Informationen über Vorruhestandsleistungen und -gelder sowie über Abfindungen ) sogar auch subjektiv, kritisieren Datenschützer, allen voran der Verein Foebud in Bielefeld, das Vorhaben.
Foebud hatte federführend für mehrere Datenschutz-Organisationen in Deutschland die Kampagne gestartet. Dabei konnten bis zum 29. März alle Betroffenen Vollmachten unterzeichnen, um sich an der Verfassungsbeschwerde gegen die Datensammlung zu beteiligen. Die Teilnahme war kostenfrei, Anwaltsgebühren werden nicht erhoben, zur Refinanzierung bat der Verein um Spenden. Gleichzeitig wurden zwei Petitionen beim Bundestag im Internet gegen ,,Elena" von Privatpersonen initiiert. Die Klage vertritt der Berliner Rechtsanwalt Meinhard Starostik, der bereits die Sammelklage von Bürgern und Vereinen gegen die Vorratsdatenspeicherung vertrat.
Bundesinnenminister de Maizière sieht trotz der Massenbeschwerde Chancen für das zentrale Speichern. Die umfangreichsten Daten gebe es in der Finanzverwaltung und der Rentenversicherung, sagte der CDU-Politiker in Berlin. ,,Das ist bisher nicht beanstandet worden." Die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz, wandte sich aber gegen eine ,,Mega-Vorratsdatenbank" und forderte einen ,,Systemwechsel". Die Grünen im Bundestag begrüßen die Verfassungsbeschwerde gegen ,,Elena". ,,Wer Datenschutz wirklich ernst nimmt, muss die Lücken bei der Datenschutznovelle schließen und ,,Elena" aussetzen", sagte Grünen-Vorsitzende Claudia Roth am Mittwoch.
In der Kritik steht beim Projekt ,,Elena" aber nicht nur die Datenerfassung und -speicherung. Ein zweites, langfristiges Ziel der Bundesregierung sei es, so Foebud, die so genannte elektronische Signatur verpflichtend einzuführen. Bei einer elektronischen Signatur ist die Unterschrift mit Informationen verknüpft, die den Unterschreibenden durch ein elektronisches Verfahren der Datenübermittlung identifizierbar machen. Die elektronische Signatur erfüllt somit technisch gesehen den gleichen Zweck wie eine eigenhändige Unterschrift auf Papierdokumenten, liefert aber gleichzeitig bei jeder Handlung eine Menge persönliche Daten über den Unterzeichnenden mit, die nicht alle im jeweiligen Kontext relevant sind.
Der Vorteil der elektronischen Signatur wird darin gesehen, dass ein einziges Verfahren mit den hinterlegten individuellen Daten für jeden Lebensbereich anwendbar ist, ob man nun als Arbeitnehmer seine Steuererklärung übermittelt oder im Internet ein Buch kauft. Die technische Handhabung und Einführung der elektronischen Signatur sei jedoch ziemlich teuer und derzeit nicht langfristig sicher zu handhaben, kritisieren Datenschützer. Auch der neue elektronische Personalausweis, den die Bundesregierung im November dieses Jahres einführen will, soll mit der elektronischen Signatur funktionieren.
Der Foebud e.V. wurde 1987 von den Künstlern padeluun und Rena Tangens in Bielefeld gegründet und setzt sich für Bürgerrechte, ungehinderte Kommunikation und Datenschutz ein. Leitgedanke ist die Erhaltung einer lebenswerten Welt im digitalen Zeitalter. Nach eigenen Angaben waren schon Sprecher des Vereins als Experten zum Thema Datenschutz von Verbraucherschutzministerium, Wirtschaftsministerium, vom Nordrhein-Westfälischen Landtag, von einer Bundestagsfraktion und der EU-Kommission eingeladen. Foebud ist gemeinnützig, erhält eine Basisförderung von einer Stiftung und finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge und private Spenden. Mitglieder des Vereins haben schon Verschlüsselungs-Software entworfen, seit 2000 verleiht der Verein die ,,Big Brother-Awards", einen ,,Negativpreis für Datenschutzsünder".
Foebud wurde einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, als er 2004 aufdeckte, dass nicht nur Waren, sondern auch die Rabattkarten des Metro-Konzerns einen so genannten RFID-Chip enthielten - ohne Wissen der Kunden. RFID (für ,,Radio Frequency Identification") funktioniert mit Mini-Antennen über Funk-Verbindungen. Seitdem wird diese Technologie wegen ihres Überwachungspotenzials allgemein kritisch beurteilt.
Ebenfalls seit 2004 engagiert sich Foebud zusammen mit dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung gegen die Vorratsdatenspeicherung, die zentrale Speicherung aller Telefon- und Internetverbindungsdaten, die am 2. März vom Bundesverfasungsgericht gekippt wurde.
Kerstin Fritzsche
Echo Online, Darmstadt, 30. März 2010
Original: http://www.echo-online.de/nachrichten/hintergruende/20100330daten./Rund-28-000-Arbeitnehmer-klagen-gegen-Datenspeicherung%3Bart2638,776925