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Hinter Bonuskarten verbirgt sich mehr als nur Rabatt

Seit es Plastikkarten gibt, wissen Händler, was die Leute kaufen. Die meisten Kunden stört das wenig. Sie denken lieber an das nächste Schnäppchen.

Die Deutschen erzählen nur ungern von sich selbst. Ob sie gerne Feinrippunterhosen mit Jeans kombinieren und ob sie nach jeder Fernsehwerbung gleich in den Laden rennen, wollen sie im Grunde für sich selbst behalten.

Weil Unternehmen ihre Kunden aber gerne besser kennen, müssen sie mit Ködern locken. Und zwei Worte kitzeln im Ohr der meisten Deutschen so süß, daß alles Unbehagen schnell dem Jagdinstinkt weicht: Sammeln. Und Schnäppchen.

Seit dem Fall des Rabattgesetzes vor vier Jahren umgarnen die Konzerne ihre Kunden wie selten zuvor. Mindestens 78 Millionen Karten stecken derzeit in den Geldbörsen der Deutschen. Jeder fünfte Verbraucher ist sogar bereit, mehr als sechs Karten herumzutragen, ergab eine Umfrage des Aachener Marktforschungsunternehmens Dialego.

Belohnt werden die Konsumenten mit allerhand Gutscheinen und Prämien: Für 1990 Bonuspunkte gibt es beim Kundenbindungsprogramm HappyDigits eine Sockenklammer, mit der Strümpfe zu Paaren verbunden werden. Das Ganze ist patentiert und sogar bei 90 Grad waschbar. Wer 5590 Bonus punkte gesammelt hat, bekommt ein Abo der Fachzeitschrift „Kikker" oder eine Bohrmaschine.

Glaubt man den Verbraucherschützern, dann lohnen sich die Karten allerdings nicht mehr so stark wie früher. Vor einigen Jahren waren viele Anbieter großzügiger, und Kunden konnten häufig noch bis zu 3 Prozent bekommen.

Heute räumen die meisten Unternehmen nur noch geringere Basisrabatte ein. Als die Stiftung Warentest die Rabatte kürzlich unter die Lupe nahm, ermittelte sie die durchschnittliche Ersparnis bei den meisten Kundenkarten zwischen 0,25 und 3 Prozent - viele Rabatte erhalten Kunden erst ab einem bestimmten Umsatz. Hinzu kommen Sachprämien, die schwerer einzuschätzen sind.

Daß die Geldbeutel nicht immer dicker werden können, haben auch die Marketingfachleute erkannt. Firmen bündeln zunehmend ihre Programme zu sogenannten Multi-Partner-Karten. Bonuspunkte aus verschiedenen Unternehmen können Kunden auf einer gemeinsamen Karte sammeln und gegen Prämien eintauschen.

„Die Konzentration in der Branche wird weiter zunehmen", sagt Horst Rüter vom Forschungsinstitut EHI in Köln. Zu den größten Anbietern gehören derzeit Payback und HappyDigits. Gemeinsam haben sie über 50 Millionen Plastikkärtchen ausgegeben.

Für die Marktforscher sind solche Multi-Partner-Programme besonders interessant: Aus dem Kaufverhalten bei unterschiedlichen Firmen können sie besser auf den Kunden schließen. Wer viel im Sportgeschäft einkauft, gilt als aktiv, grundsätzlich also auch ein Interessent für Telefontarife.

Mit den Daten, die die Kunden mit Plastikkärtchen an der Kasse hinterlassen, können die Unternehmen viel Geld sparen. Wer gerne liest, dem werden Angebote über Buchneuheiten zugeschickt. Wer auf Sonderangebote anspringt, bekommt auch mal einen Gutschein extra. Sonderrabatte werden gezielt an solche Kunden vergeben, bei denen die Wahrscheinlichkeit größer ist, daß sie nicht nur die Rabatte nutzen, sondern auch andere Produkte kaufen.

Seit dem Boom der Kundenkarten sprudeln die Daten an den Kassen: Allein in den Häusern von Karstadt laufen wöchentlich fünf Millionen Transaktionen über das Bonusprogramm „HappyDigits".

Um die Datenmassen zu bewältigen, wühlen sich spezielle Programme durch die Daten. „Data Mining" heißt das Schlagwort in der Branche. Mit Hilfe aufwendiger statistischer Verfahren sucht die Software nach Auffälligkeiten und Mustern. Das Frühwarnsystem meldet rechtzeitig, wenn ein Kunde verlorenzugehen droht.

Ob sich ein Werbebrief an untreu gewordene Kunden lohnt, läßt sich mit Hilfe der Software gut einschätzen. Aus dem bisherigen Verhalten und dem Verhalten anderer Kunden kann die Software genaue Wahrscheinlichkeiten ausrechnen, wie der Kunde wohl reagieren mag. Auf Werbebotschaften. Und auf spezielle Rabatte. Je mehr jemand einkauft, um so schärfer wird das Bild, daß die Programme über den Kunden zeichnen.

Kein Wunder, daß der Markt für solche Software boomt: Eine Studie der Meta-Group kam auf durchschnittliche Wachstumsraten von 16 Prozent in den kommenden drei Jahren.

Datenschützer sehen die Offenherzigkeit der Verbraucher mit Sorge. Große Verstöße gegen das Datenschutzgesetz konnten sie den großen Kundenbindungsprogrammen aber bis lang nicht nachweisen. Rena Tangens vom Bielefelder Datenschutzverein Foebud gibt den noch zu bedenken: „Daten, die heute gesammelt werden, können später für Zwecke verwendet werden, an die man derzeit noch gar nicht denkt."

Die meisten Verbraucher nehmen die Auswertung ihrer Daten achselzuckend in Kauf. Jeder vierte will die Karten künftig häufiger nutzen. Verglichen mit England, gehört Deutschland allerdings noch immer zur Karten-Diaspora. Jeder Engländer nimmt im Schnitt an 2,6 Bonusprogrammen teil, die Deutschen nur an knapp 0,7.

Die größten Rabatte gibt es noch immer bei den einfachen Treuekärtchen vom Kaffeehaus nebenan oder im Kebap-Haus. Wer sein Kärtchen regelmäßig abstempeln läßt und dafür jeden zehnten Döner umsonst bekommt, spart immerhin zehn Prozent - ohne daß seine Vorliebe für „Knoblauchsoße ohne scharf" von Computerprogrammen analysiert wird und am nächsten Tag ein Sonderangebot für Mundwasser im Briefkasten liegt.

Tillmann Neuscheler

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 20. Februar 2005
Original: Nicht bekannt

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