Der Bundesrat stoppt das umstrittene Meldegesetz. Zur Nachbesserung wird es jetzt an den Vermittlungsausschuss überwiesen. Datenschützern geht das nicht weit genug.
Berlin/Düsseldorf - Die Bundesländer lehnen in seltener Einigkeit den geplanten Datenhandel der Einwohnermeldeämter ab. Alle 16 Bundesländer sprachen sich in Berlin gegen das neue Meldegesetz aus und riefen den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat an, um einen Kompromiss zu finden.
„Staatliche Melderegister dürfen keine Grabbeltische der Werbewirtschaft und Adresshändler sein“, erklärte der schleswig-holsteinische Innenminister Andreas Breitner (SPD). Ähnlich äußerte sich Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU), der forderte, personenbezogene Daten dürften die Einwohnermeldeämter nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Betroffenen herausgeben.
Das Meldegesetz war bereits in der Sommerpause heftig in die Kritik geraten. Denn der Bundestag hatte die „Fortentwicklung des Meldewesens“ am 28. Juni mit den Stimmen von Schwarz-Gelb verabschiedet.
Nordrhein-Westfalen macht Front gegen das umstrittene Meldegesetz. Die Initiative ist Thema im Bundesrat in Berlin. Unter Federführung von NRW haben zehn Länder - darunter auch unionsgeführte - eine Fülle von Änderungswünschen für eine Revision des bereits vom Bundestag beschlossenen Melderechts zusammengetragen.
Die Ursprungsfassung des Meldegesetzes war auf heftigen Widerstand gestoßen. Demnach hätten Meldeämter Namen und Adressen ohne ausdrückliche Einwilligung der Bürger zu Werbezwecken an Firmen weitergeben dürfen.
Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) kritisiert, dass Bürger einer Weitergabe ihrer Daten durch Ämter an Unternehmen ausdrücklich widersprechen müssten - statt umgekehrt ausdrücklich zuzustimmen. Der in Düsseldorf erscheinenden „Westdeutschen Zeitung“ sagte er: „Wir nehmen den Datenschutz sehr ernst. Deshalb soll die vom Bund vorgesehene Widerspruchsregelung vom Tisch.“
Das umstrittene Meldegesetz hat nach Einschätzung des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck keine Chance, im Bundesrat durchgewunken zu werden. „Dieses Gesetz, das da durch den Bundestag geschlüpft ist, das wird so nicht den Bundesrat verlassen“, sagte der SPD-Politiker am Freitagmorgen im Deutschlandfunk. Er sei zuversichtlich, dass künftig niemand mehr in einer „lockeren Form“ mit Daten von Bürgern umgehen werde.
Für große Empörung hatte gesorgt, dass bei der Abstimmung im Bundestag nur wenige Abgeordnete beteiligt waren - parallel lief das Halbfinalspiel der Fußball-EM zwischen Deutschland und Italien. „Es wird ja auch 47-Sekunden-Gesetz genannt“, sagte Beck. „Daten sind keine Ware und kein Handelsgut.“ Möglich solle aber sein, Daten wie zum Beispiel eine diamantene Hochzeit weiterzugeben.
Der Innen- und der Rechtsausschuss des Bundesrats empfehlen der Länderkammer, den Vermittlungsausschuss anzurufen und eine Rückkehr zu der Einwilligungslösung zu verlangen. Datenschützern reicht das aber noch nicht. Sie fordern eine Verschärfung der Ausschussvorlage. Vor allem ein Passus, wonach Firmen gegenüber den Ämtern erklären können, dass ein Bürger in die Datenweitergabe eingewilligt habe, stößt auf Kritik.
Das Vorstandsmitglied der Deutschen Vereinigung für Datenschutz, Karsten Neumann, verlangte: „Ganz klar muss sein, die Bürgerinnen und Bürger sollen erklären, und zwar gegenüber dem Melderegister: Ja, ich möchte, dass meine Daten auch für gewerbliche Zwecke verwendet werden können.“ Es sei zwar schon ein Fortschritt im neuen Gesetzentwurf, dass er von der bisherigen Widerspruchslösung wegkomme, sagte er im Deutschlandradio Kultur. „Aber die jetzt vorgesehene Einwilligungslösung, also die Voraussetzung, dass die Unternehmen eine Einwilligung vorlegen müssen, reicht uns nicht“, machte er klar.
Mehrere Dutzend Aktivisten demonstrierten am Freitag vor dem Bundesrat und forderten deutliche Nachbesserungen am bisherigen Gesetzentwurf. Es dürfe nun keine faulen Kompromiss geben, sagte Christoph Bautz vom Kampagnennetzwerk Campact. Die Demonstranten übergaben dem rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) eine Sammlung von fast 200.000 Unterschriften gegen die bisherigen Gesetzespläne.
dpa, dapd, rtr
Frankfurter Rundschau Online, Frankfurt, 21. September 2012
Original: http://www.fr-online.de/politik/meldegesetz-aenderungswuensche-beim-meldegesetz,1472596,17594220.html