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Deutscher IT-Gipfel fast ohne Zivilgesellschaft?

Technische, wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Fragen hängen zusammen

In einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisieren Vertreter der deutschen Zivilgesellschaft die konzeptionelle Ausrichtung und eine mangelnde Einbindung der Zivilgesellschaft in den so genannten deutschen IT-Gipfel. Dieser findet am 18. Dezember 2006 im Hasso-Plattner-Institut (HPI) in Potsdam unter der Schirmherrschaft von Angela Merkel statt.

"Nach unserer Ansicht aber verengt eine überwiegend technische oder wirtschaftliche Ausrichtung des IT-Gipfels die Chancen, Potenziale zu nutzen", heißt es in dem offenen Brief, der unter anderem von Christiane Aschenfeldt (Creative Commons), Markus Beckedahl (Netzwerk Neue Medien, netzpolitik.org), Christoph Dowe (politik-digital.de), Olga Drossou (Heinrich-Böll-Stiftung), Johnny Häusler (Spreeblick.com), Dr. Jeanette Hofmann (Wissenschaftszentrum Berlin, Mitglied IGF Advisory Group), Werner Hülsmann (Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung [FIfF] e.V.), Dr. Heike Jensen (Humboldt-Universität zu Berlin, Medienbeauftragte von Terre des Femmes), Prof. Wolfgang Kleinwächter (Medienstadt Leipzig e.V., Special Adviser IGF Chair), Prof. Rainer Kuhlen (Universität Konstanz, Vorsitzender von NETHICS e.V.), Barbara Lison (Sprecherin von Bibliothek & Information Deutschland - Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheks- und Informationsverbände), Oliver Moldenhauer (Attac), padeluun (FoeBuD e.V.) und Dr. Wolfgang Sander-Beuermann (SuMa-e.V.) unterzeichnet wurde.

Zudem sei die Zivilgesellschaft nicht ausreichend eingebunden. Im Rahmen des WSIS-Prozesses sei fünf Jahre lang über die verschiedenen Ansätze mit dem Ergebnis diskutiert worden, dass die technischen und wirtschaftlichen Aspekte nicht separiert werden können von den gesellschaftspolitischen und sozialen Implikationen der neuen IT-Technologien. In der WSIS-Deklaration habe man sich daher auf ein breites Konzept von der Informationsgesellschaft verständigt, das auf den Menschen orientiert ist. Dieses spiegele sich auch in dem vom WSIS-Prozess entwickelten Grundprinzip wider, wonach die Gestaltung der Informationsgesellschaft die volle Einbeziehung von Regierungen, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft in ihren jeweiligen spezifischen Rollen und Verantwortlichkeiten erfordert. Doch diesen Prinzipien werde der deutsche IT-Gipfel nicht gerecht, heißt es in dem offenen Brief.

Es sei lediglich ein Vertreter des Verbraucherschutzverbandes eingeladen, der die Belange der Zivilgesellschaft mit abdecken soll. Die wirtschaftlichen Fragestellungen des IT-Gipfels ließen sich nicht von gesellschaftspolitischen Fragen wie Meinungsfreiheit und Datenschutz im Cyberspace, Verbraucherschutz bei E-Commerce, Bürgerbeteiligung bei E-Government, freie Software und offene Publikationsmodelle trennen: "All diese gesellschaftlichen Fragen sind auch von hoher wirtschaftlicher Relevanz. Wirtschaftliche Projekte, die das Thema der digitalen Spaltung und/oder digitalen Ausgrenzung ignorieren, lassen zukünftige Marktpotenziale ungenutzt", so der Vorwurf, den die Unterzeichner aber mit einem Angebot zur konstruktiven Mitarbeit verbinden.

Der offene Brief wurde bei politik-digital.de veröffentlicht und kann dort auch unterzeichnet werden.

golem.de, Berlin, 04. Dezember 2006
Original: http://www.golem.de/0612/49264.html

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