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Unionsparteien nicht kompromissbereit

Kurz nach der Wahl betonte die CDU/CSU erneut, dass mit ihr kein Kompromiss zum Thema Bürgerrechte und innere Sicherheit zu machen ist. Dabei griff sie die politischen Gegner scharf an.

Manche Bürgerrechtler setzen große Hoffnungen in die FDP, in der kommenden Legislaturperiode den Kurs der Sicherheitspolitik in Deutschland zu verändern - hin zu einem größeren Schutz von Bürgerrechten. Dies jedoch will die CDU nicht zulassen. Wichtige Landesminister der konservativen Partei bezogen gegenüber der Zeitung Welt am Sonntag deutlich Stellung und erklärten, dass für sie ein Eingehen auf Forderungen der FDP auf keinen Fall in Frage kommt.

"Mit der Union wird es auf diesem Feld keinen Kurswechsel geben", sagte der Innenminister-Sprecher der unionsregierten Länder, Volker Bouffier (CDU) aus Hessen. Wer die angesprochenen Sicherheitsgesetze, zu denen das BKA-Gesetz zählt, ersatzlos streichen wolle, handele "unverantwortlich". "Online-Durchsuchungen, das Abhören von Wohnungen, die Speicherung von Telefondaten und die Erfassung von Autokennzeichen sind absolut notwendig. Dieser Sicherheitsstandard darf von der FDP nicht untergraben werden", so Bouffier.

Auch die geplanten Netzsperren verteidigte Bouffier, unter anderem mit dem bekannten Argument, es gäbe keinen Rechtsanspruch darauf, kinderpornographische Darstellungen herunterzuladen, ohne dass der Staat eingreift.

Anstatt Sicherheitsmaßnahmen abzubauen, forderte Bouffier gar deren Erweiterung. Ein von ihm befürwortetes Konzept: "Der Verfassungsschutz muss zuständig werden für die Beobachtung der organisierten Kriminalität." Mit einer ähnlichen Forderung hatte das Innenministerium kurz vor der Wahl bereits für Aufsehen gesorgt (gulli:news berichtete). Zudem sprach sich der CDU-Politiker für einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren "in einem vernetzten Sicherheitssystem für besondere Aufgaben" aus.

In eine ähnliche Richtung gehen auch die Äußerungen von Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU), der nach Berichten der Welt "an die Vernunft der FDP appelliert". "Es darf an dem Sicherheitspaket, das die große Koalition geschnürt hat, keine Abstriche geben," betonte Schünemann, "Die FDP will dahinter zurück, aber das ist angesichts der angespannten Sicherheitslage und immer neuer Terror-Drohvideos schlichtweg unverantwortlich". Schünemann sprach sich dafür aus, die bisher nur dem BKA eingeräumten Befugnisse zur Terrorismusbekämpfung (wie etwa Online-Durchsuchungen sowie optische und akustische Wohnraum-Überwachung) auch den Behörden der Bundesländer zu ermöglichen. Auch Maßnahmen wie die Vorratsdatenspeicherung und die Überprüfung von Autokennzeichen seien für eine effektive Verbrechensbekämpfung unbedingt erforderlich, so der CDU-Politiker. Daher werde in diesen Fragen "die Union der FDP auch [...] nicht entgegenkommen."

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann schloss sich seinen Parteifreunden an. Bei seiner Ablehnung der FDP-Positionen wird er sogar polemisch: "Wir können den Terror nicht mit der Steinschleuder bekämpfen, wie es die FDP offensichtlich vorhat", sagte er der "Welt am Sonntag". Er kritisierte, der Forderungskatalog des potenziellen Koalitionspartners sei "von einem tiefen Misstrauen gegen alle staatlichen Einrichtungen geprägt". Nach Berichten der Online-Ausgabe der Welt nannte Hermann es "einen eklatanten Widerspruch, dass die FDP einerseits völlige Freiheit für sämtliche Aktivitäten im Internet verlange, andererseits aber dem Staat bei der Verfolgung von Terroristen und Schwerverbrechern Fesseln anlegen wolle." "Freiheit für Terroristen, massive Beschränkungen für Polizisten - das kann nicht die Lösung sein", sagte Herrmann. Er sehe es als Aufgabe der Unionsparteien an, zu "verhindern, dass die Koalitionsverhandlungen bei der inneren Sicherheit zu einer Profilierungsshow der FDP verkommen".

Angesichts dieser offensichtlich sehr stark abweichenden Positionen der beiden potenziellen Koalitionspartner ist es absehbar, dass sich die anstehenden Koalitionsverhandlungen schwierig gestalten werden. Dies vermutet auch Bouffier. Wichtig sei nun, so der Politiker, dafür zu sorgen, dass es zu "keiner Blockade bei der inneren Sicherheit kommt". In vielen Fällen würde wohl kaum ein Konsens zu erzielen sein. "Man kann sich mit der FDP aber darauf verständigen, bestimmte gesetzgeberische Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen", schlug er vor. Bouffiers Parteifreund Hermann sieht einen Kompromiss zumindest bei der Fluggastdatenspeicherung als machbar an. Diese nämlich findet auch der CSU-Politiker selbst "völlig überzogen".

Verärgert zeigten sich die Unions-Innenminister dagegen über das generelle Auftreten der FDP. Sie werfen den Liberalen vor, "ein Exklusivrecht zur Verteidigung der Bürgerrechte" für sich zu beanspruchen. Für die Unionsparteien stünde dagegen "die Schutzverpflichtung des Staates gegenüber den Bürgern" im Vordergrund. "Für die Union heißt das erste Bürgerrecht ganz klar die innere Sicherheit. Ohne sie gibt es keine Freiheit. Doch die FDP will diesen Grundsatz umdrehen. Das machen wir nicht mit", sagte Schünemann. Dem Staat die Möglichkeit einzuräumen, seine Bürger effektiv zu schützen, müsse "eigentlich auch das Anliegen der FDP sein. Deren Forderungskatalog ist ein Oppositionspapier, das für Parteitage taugt, aber nicht für die Regierung."

Um der FDP einen Anreiz zu geben, nicht direkt von zu vielen ihrer Forderungen abzurücken, planen Bürgerrechtler für den kommenden Montag eine Mahnwache vor dem Schauplatz der Koalitionsverhandlungen. Unterstützt wird diese Aktion unter anderem von Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, Arbeitskreis gegen Zensur und Internetsperren, FoeBuD und dem Verein Missbrauchsopfer gegen Internetsperren. Ob ihre Forderungen Gehör finden, wird sich zeigen - fest steht, dass es auf beiden Seiten dieser Debatte sehr leidenschaftliche Vertreter gibt, die kaum bereit sein werden, von ihrer Position abzurücken.

Annika Kremer

Gulli, Bochum, 04. Oktober 2009
Original: http://www.gulli.com/news/innere-sicherheit-2009-10-04/

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