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Demo gegen den Überwachungswahn wieder in Berlin

Bürgerrechtsorganisationen rufen unter der Ägide des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung für den 22. September zum vierten Mal dazu auf, gegen die "ausufernde Überwachung durch Wirtschaft und Staat" auf die Straße zu gehen. Die Demonstration unter dem Motto "Freiheit statt Angst – Stoppt den Überwachungswahn!" wird erneut in Berlin stattfinden, wo die Reihe von Protestzügen gleichen Zuschnitts im Juni vergangenen Jahres ihren Ausgangspunkt nahm. Im Herbst hatten Bürger zudem ihre Sorgen über den Ausbau des Überwachungsnetzes in Bielefeld und im April in Frankfurt zum Ausdruck gebracht, zuletzt mit 1500 bis 2000 Teilnehmern. Treffpunkt für die neue Demo ist am 22.9. um 14:30 Uhr am Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor unweit vom Reichstag.

"Mit der Vorratsspeicherung der Telekommunikation und Online-Durchsuchungen von Computern stehen weiter verschärfte Sicherheits- und Überwachungsbefugnisse auf der unersättlichen politischen Agenda", heißt es in dem Aufruf. "Dabei bewirkt die zunehmende elektronische Erfassung und Überwachung der gesamten Bevölkerung keinen verbesserten Schutz vor Kriminalität, kostet Millionen von Euro und gefährdet die Privatsphäre Unschuldiger. Wo Angst und Aktionismus regieren, würden gezielte und nachhaltige Maßnahmen zur Stärkung der Sicherheit ebenso auf der Strecke bleiben wie ein Angehen der wirklichen, alltäglichen Probleme der Menschen. Zudem könne sich nicht mehr unbefangen und mutig für seine Rechte und eine gerechte Gesellschaft einsetzen, wer sich ständig überwacht und beobachtet fühlt.

Zu dem vierten Protestzug gegen die Überwachungsgesellschaft laden 20 Organisationen ein, zu denen neben Gruppierungen aller Oppositionsparteien unter anderem der FoeBuD, das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIFF), die Humanistische Union oder das Netzwerk Neue Medien sowie STOP1984 gehören. Konkret fordern die Organisatoren neben einem Nein zur "Totalprotokollierung" der Telekommunikation und zu geheimen Computerdurchsuchungen ein Ende der Videoüberwachung des öffentlichen Raums, einen Verzicht auf eine automatische Gesichtskontrolle sowie den Stopp von Biometrie und RFID-Chips in Ausweisen und Pässen. Ferner wenden sie sich gegen eine Aufzeichnung des Flugreiseverkehrs, einen automatischen Kfz-Kennzeichenabgleich auf öffentlichen Straßen sowie zahlreiche seit dem 11. September 2001 neu geschaffene Anti-Terrorbefugnisse. Nach der "inneren Aufrüstung der letzten Jahre" dürften keine neue Gesetzesvorhaben auf dem Gebiet der inneren Sicherheit beschlossen werden, "wenn sie mit weiteren Grundrechtseingriffen verbunden sind".

Unbeeindruckt davon pocht die Union nach jüngsten Warnungen deutscher Sicherheitsbehörden und des Bundesinnenministeriums vor möglichen Terroranschlägen in Deutschland sowie unter dem Eindruck des Geiseldramas in Afghanistan auf die schnelle Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Ausweitung von Anti-Terrormaßnahmen durch Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD). So genannte Vorfeldhandlungen wie die Ausbildung in Terror-Lagern und die Verbreitung von Anleitungen zum Bombenbau müssten künftig strafbar sein, forderte der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Wolfgang Bosbach (CDU), in der Passauer Neuen Presse. "Wir müssen das jetzt unter Strafe stellen. Frau Zypries sollte liefern", verlangte Bosbach. Ein Entwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches müsse jetzt schnell auf den Weg gebracht werden, forderte er. Das Bundesjustizministerium soll bereits einen entsprechenden Entwurf vorbereitet, ihn jedoch zunächst wieder auf Eis gelegt haben.

Kanzlerin Angela Merkel will zugleich alles daran setzen, dem Bundeskriminalamt (BKA) die umstrittenen verdeckten Online-Durchsuchungen zu ermöglichen. Die entsprechende, innerhalb der Koalition heftig umkämpfte Novelle des BKA-Gesetzes müsse so schnell wie möglich stehen, forderte die CDU-Politikerin in der ARD. "Es liegt mir am Herzen, dass das BKA die richtigen Möglichkeiten bekommt", stärkte Merkel Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) erneut den Rücken. Die Befugnis zur Ausforschung privater Festplatten müsse dazugehören. Zugleich verteidigte die Kanzlerin trotz aller Kritik auch wieder die jüngsten Überlegungen Schäubles zum Umgang mit potenziellen Terroristen und "Gefährdern". Sie halte es für "legitim", dass der Innenminister alle Möglichkeiten durchdenke. Zu den Hinweisen von Sicherheitsbehörden auf konkrete Anschlagsgefahren für Deutschland äußerte sich Merkel nicht näher. Sie rief lediglich dazu auf, dies nicht zu sehr zu dramatisieren, aber auch nicht zu bagatellisieren: "Wir müssen der Bedrohung ins Auge sehen und uns vorbereiten".

Stefan Krempel

Heise Online, Hannover, 23. Juli 2007
Original: http://www.heise.de/newsticker/meldung/93102

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