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Online-Petitionen: Schöne Schale, wenig Kern?

Aktuell geht wieder eine Online-Petition durchs Internet: Eine Eingabe zum Thema Netzneutralität hat in Rekordzeit die erforderlichen 50.000 Unterstützer erreicht. 75.836 Unterzeichner hoffen, dass der Bundestag das Thema aufgreift. Sicher ist das nicht. Wie wirksam sind Online-Petitionen?

Die offizielle Annahmestelle für Bürgereingaben aller Art an die Regierung ist hierzulande der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages. Dort ist es seit acht Jahren möglich, sich auch online zu beteiligen. Persönliche Anliegen können in einer Einzelpetition on- wie offline eingereicht werden. Für allgemeine Anliegen gibt es öffentliche Petitionen. In einem umfangreichen Verfahren prüfen im Vorfeld diverse Instanzen, ob die Petition Aussicht auf Erfolg hat.

Kuhfänger-Verbot geht auf Petition zurück

Wie viele Bürgerbegehren zu einer Gesetzesänderung führten, ist auf der Webseite leider nicht ersichtlich. Im Laufe der Jahre wurde nach Auskunft eines Mitarbeiters des Ausschusses dadurch nur ein einziges Gesetz verändert. Der Frontschutzbügel an Pkw, auch Kuhfänger genannt, wurde so auf Deutschlands Straßen verboten. Der Erfolg war nur von kurzer Dauer, denn seit Anfang 2006 gilt das Verbot EU-weit. Es ist leider nicht bekannt, warum die Arbeit von 80 Mitarbeitern bei täglich etwa 60 Einreichungen nur ein einziges Gesetz modifizieren konnte. Dabei ist die Mitbestimmung in Artikel 17 Grundgesetz verankert. Der ehemalige Bundestagsageordnete Jörg Tauss (Piratenpartei) fordert im Gespräch mit Hyperland deshalb eine gründliche Reform des Petitionswesens und verlangt, dass unangenehme Petitionen nicht mehr unter den Tisch gekehrt werden.

Der Jahresbericht 2012 (PDF) bringt nämlich zutage, dass von den 15.000 eingereichten Petitionen nur fünf Prozent veröffentlicht wurden. Schon seit längerer Zeit beschäftigt sich Tauss, der vor seinem Wechsel zu den Piraten fast 40 Jahre SPD-Mitglied war, mit dem Thema. Auf Anfrage wurde ihm bereits vor drei Jahren mitgeteilt, es gebe kein Anrecht auf eine Publikation seiner eingereichten Petitionen. Seine Forderung nach einem Verbot der indirekten Abgeordnetenbestechung landete damals im Schredder. Über seine Forderung konnte dementsprechend weder abgestimmt noch im Petitions-Forum diskutiert werden (gerade erst in dieser Woche ist das Gesetz im Bundestag gescheitert).

1.000 Petitionen werden geprüft

Mehr als 1.000 Petitionen befinden sich derzeit "in der Prüfung", einige davon schon längerfristig. Eine Petition zur Vereinfachung der Visa-Anträge (ID 540) befindet sich seit Dezember 2007 in der Warteschleife, eine Petition zur GEMA-Vermutung (ID 4517) seit Juni 2007.

Im Vorjahr wurden zwölf Einreichungen öffentlich beraten, allerdings hatten nur vier Petitionen das Mindestmaß von 50.000 Unterschriften erreicht. Dazu kommt: Selbst bei 50.000 Unterschriften kann eine Anhörung mit einer Zweidrittelmehrheit des Ausschusses abgelehnt werden. Zudem wurde weitere Kritik laut. Die überaus erfolgreiche Hebammen-Petition (ID 11400) mit 186.000 Unterschriften wurde letztlich nur an die Bundesregierung weitergereicht. Mehr ist bis heute nicht passiert.

Es lohnt sich doch

Der Netzaktivist und Künstler "padeluun" vom Verein digitalcourage e. V. hält Petitionen dennoch für teilweise sinnvoll. Sie können aber nur unterstützend zu Demonstrationen und der eigenen Medienarbeit eingesetzt werden. Auch bei Politikern mit viel gutem Willen sei mitunter eine positive Wirkung erkennbar. Die Online-Petition von Franziska Heine im Mai 2009 gegen Netzsperren beispielsweise habe damals "eine wahre Revolution ausgelöst". Durch Online-Petitionen passiere politisch etwas. Man könne nur schwerlich nachvollziehen, welche Aktionen zum erwünschten Erfolg führten. Grundsätzlich sei es wichtig, eine Vorauswahl zu treffen, um die vielen sinnlosen Anliegen zu löschen. Und: "Für den Datenschutz muss man sein Gesicht zeigen." Die Angabe des Namens der Petenten und Teilnehmer im Petitions-Forum hält "padeluun" grundsätzlich für sinnvoll.

Lars Sobiraj

heute, Mannheim, 14. Juni 2013
Original: http://www.heute.de/Online-Petitionen-Sch%C3%B6ne-Schale-wenig-Kern-28381996.html

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