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7.500 gegen staatliche Überwachung

Gestern fanden sich in Berlin siebentausendfünfhundert Menschen ein, um gegen den immer massiver werdenden Eingriff des Staates in die Privatsphäre der Bevölkerung zu protestieren. Mit einer Kundgebung am Potsdamer Platz begann die Demonstration. Mit einer Schweigeminute für die Opfer des 11. September endete sie an gleicher Stelle.

Auch in diesem Jahr rief ein breites Bündnis von Parteien, Vereinen und Bürgerrechtsorganisationen zur „Freiheit-Statt-Angst“-Veranstaltung auf. Die Fotos können das Spektrum nur schwer widerspiegeln, da hier vor allem die großen (und kleinen) Parteien optisch überwiegen. Den Aufruf haben aber auch zum Beispiel die Humanistische Union und die „Evolutionären Humanisten Berlin-Brandenburg“ (EHBB) unterschrieben. Der Chaos Computer Club, der „Arbeitskreis Netzsperren“, FoeBuD und etliche andere Bürgerrechtsverbände waren dabei.

Kaum bemerkt und wenn, dann nur wenig hinterfragt, wurde Anfang des Jahres ELENA eingeführt; ein System, das Arbeitgeber dazu zwingt, alle Einkommensdaten zentral an staatliche Stellen zu übermitteln. Gegen diese staatliche Datensammelwut wurde ebenso protestiert wie gegen die Einführung der Gesundheitskarte. Auf der zwar auch Krankendaten von Patienten gespeichert werden; aber eben auch die Möglichkeit besteht, dass diese Daten in falsche Hände geraten. Die technischen Möglichkeiten sind gegeben und vorbereitet, dass sowohl Arbeitgeber als auch zum Beispiel Versicherungen sich darüber informieren können, ob und an welchen Krankheiten ein Mitarbeiter leidet. Bei der Eröffnungsveranstaltung wies Martin Grauduszus von der Freien Ärzteschaft darauf hin, welche Auswirkungen das bei Einstellungsgesprächen oder beim Abschluss einer Lebensversicherung haben kann.

Ver.di-Chef Frank Bsirske forderte die Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung, die den Telekommunikationsanbietern auferlegt, die (Telefon)Verbindungsdaten „auf Verdacht“ zu speichern und so jeden Bürger zu einem möglichen Verbrecher abzustempeln. Während es früher der Anordnung eines Richters bedurfte, um das Post- und Fernmeldegeheimnisses aufzuheben, werden heute die Daten gesammelt und genutzt ohne richterliche Verfügung und vor allem auch ohne dass der, dessen Daten benutzt und ausgewertet werden, etwas darüber erfährt.

Die Journalistin und Bloggerin Anne Roth berichtete aus eigener Erfahrung, wie es sich anfühlt, in den Fokus des BKA zu geraten und keine Auskunft zu erhalten über den Grund von Ermittlungsverfahren. Und damit konfrontiert zu werden, dass der Staat Daten zur Verfügung hat, die der Privatsphäre des Betroffenen zuzurechnen sind.

Auch wenn in Berlin am gestrigen Tage gut ein Viertel weniger Menschen auf der Straße waren als noch im Vorjahr, war die Demonstration – mit den Worten der Veranstalter – ein Erfolg und ein Achtungszeichen, dass wache Bürger sich nicht einlullen lassen. Die „Freiheit-statt-Angst“-Demo fand im Rahmen des europaweiten Aktionstages "Freedom not Fear" statt. Auch in Stockholm, Warschau, Helsinki, Paris, Venedig, Wien und Luxemburg gab es ähnliche Veranstaltungen.

Im letzten Jahr gab es am Rande der Veranstaltung eine unschöne Szene, als ein Unschuldiger - „der Mann im blauen T-Shirt“ - von der Polizei misshandelt wurde. (Daran erinnerte im Übrigen eine Installation auf dem Potsdamer Platz.) Die seitdem lauter erhobene Forderung nach einer Kennzeichnunspflicht der Polizisten war auch eine der Forderungen der diesjährigen Demonstration. Insgesamt hielt sich die Polizei in diesem Jahr sehr zurück – man spricht von einem verletzten Polizisten und der Verhaftung des Angreifers. Ansonsten blieb alles erfreulich friedlich. Der „schwarze Block“ versuchte zwar verbal, zu provozieren; aber ich sah die Damen und Herren in Grün in diesem Jahr dies belächeln. Ob es an dem tollen Wetter lag, das alle friedfertig machte?

humanistischer Pressedienst Berlin, 12. September 2010
Original: http://hpd.de/node/10192

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