Meine gesamte Krankenakte steht darauf. Und: Es wird das Gesundheitssystem teurer machen. Das sind die landläufigen Vorurteile über die elektronische Gesundheitskarte, die sich in einigen Regionen Deutschlands in der Testphase befindet und in einer Grundform ab 2009 bundesweit eingeführt werden soll.
Eine Tagung an der Fachhoschule Brandenburg/Havel sollte mit einigen Irrtümern aufräumen. Einen benannte Christoph Goetz vom Bundesgesundheitsministerium gleich zu Anfang: Es gehe nicht bloß um eine neue Versichertenkarte: „Es geht um eine gesamte Infrastrukturmaßnahme.“ Der Aufwand für eine sichere Datenübertragung sei jedoch riesig. Für die neue Infrastruktur wurde im Januar 2005 eigens die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte gegründet
„Das Zusammenspiel gibt es in dieser Form weltweit nicht“, betonte Goetz. Deutschland könne mit dem neuen Gesundheitssystem zum Vorreiter werden.
Stefan Skonetzki-Cheng, Medizininformatiker an der Universität Erlangen-Nürnberg, stellte die neue Karte als eine Art Minicomputer mit eigenem Prozessor und Datenspeicher vor. Das ermögliche die Eingabe neuer Daten, etwa zu besorgender Rezepte. Letztere würden allerdings nach Abholung des Rezeptes wieder gelöscht werden.
Nicht auf der Karte gespeichert sei die Patientenakte. Die Karte enthalte lediglich einen Verweis auf die Patientenakten, die in anderen Servern vorgehalten werden. Es sei einem Notarzt daher niemals möglich, bei einem Notfall die gesamte Patientenakte nur mit Hilfe der Gesundheitskarte einzusehen, betonte Skonetzki-Cheng. Auf freiwilliger Basis könnten Patienten aber Notfalldaten oder eine elektronische Arzneimitteldokumentation eingegeben.
Das neue elektronische Gesundheitssystem könne Kosten einsparen. Messungen, die vom Patienten zu Hause selbst erhoben würden, könnten im Rechner des Arztes eingespeist und ausgewertet werden. Bei einem Modellversuch der Techniker Krankenkasse sei es so gelungen, die Rate von Patienten, die nach einem Krankenhausaufenthalt erneut eingeliefert werden mussten, um 15 Prozent zu senken. Dies habe trotz der komplizierten Technik zu Einsparungen von 3000 Euro pro Patient geführt.
Skonetzki-Cheng sagte, der Austausch von Informationen im Gesundheitswesen laufe zu langsam und sei unsicher: „Ein Blatt Papier kann jeder lesen, eine verschlüsselte elektronische Datei kann nicht jeder lesen.“ Vollständige Sicherheit werde auch die neue Gesundheitskarte nicht bieten. Sie sei aber gegen Missbrauch besser gefeit als das gegenwärtige System.
Auch die Münchener Informatikprofessorin Heidi Anlauff hält gängige Sicherheitsbedenken für übertrieben. Zugriff auf die verschlüsselten Daten habe nur Heilpersonal, das über eine eigene Karte mit Pin-Nummer verfüge. „Die Daten auf der Karte sind ohne größten Aufwand für mich nicht benutzbar.“
Während bei der jetzigen Versichertenkarte mit handelsüblichen Lesegeräten die Versichertennummer einsehbar sei, brauche man für die Gesundheitskarte eine Pin-Nummer und eine Zugangskarte des Arztes. Sensible Daten seien nur über ein Gerät namens Konnektor erreichbar. Das werde es nur in Praxen oder Apotheken geben.
Rüdiger Braun
allgemeine MaerkischeAllgemeine.de, Potsdam, 12. April 2008
Original: http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/11182080/62249/Experten_stellen_Sinn_und_Funktion_der_elektronischen_Gesundheitskarte.html