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DISKRETION, BITTE!

Verlockende Angebote

Wie Marktforscher das Konsumverhalten ausspähen und wie Verbraucher ihnen die Arbeit leicht machen. Teil III der RM-Serie zum Datenschutz

Mancher mag sich noch an Rabattmarkenhefte mit Kaffeekannen erinnern. Oder an Kinderpreisausschreiben, bei denen Kärtchen mit Name und Adresse hoffnungsfroher Teilnehmer an einen gasgefüllten Luftballon gehängt wurden, mit der Bitte um Rücksendung durch den Finder an das veranstaltende Unternehmen. So sahen Kundenbindung und Adressgewinnung früher aus. „Das ist im Zeitalter der allgegenwärtigen Datennetze allerdings sehr viel komfortabler geworden“, weiß Carola Elbrecht, Juristin beim Verbraucherzentrale Bundesverband. Vier Kundenkarten hat ein Bundesbürger heutzutage im Schnitt, berichtet die Stiftung Warentest in einem aktuellen Test zu Rabattsystemen. Anders als beim Rabattmarkenheftchen, in das der Kunde selbst seine Märkchen klebte, erlauben die Plastikkarten minutiöse Einblicke ins individuelle Kaufverhalten. Dafür werden Rabatte, Zugriff auf Sonderangebote, Bar- oder Sachprämien versprochen. Der geldwerte Vorteil ist dabei nicht immer wirklich messbar, schreibt die Stiftung Warentest. Dafür sind aber bei 11 von 23 Anbietern die Datenschutzbedingungen zu beanstanden.

Datenschützer mahnen zur Vorsicht bei Rabattsystemen, die zunehmend gerade auch Online-Einkäufe in ihr System mit einbauen. „Hände weg von jeglichem Rabattsystem“, rät man beim kürzlich mit dem Theodor-Heuss-Preis ausgezeichneten Verein FoeBuD. Eine bedenkliche Manipulation im Kopf der Menschen sieht FoeBuD-Aktivst Padeluun am Werk, wenn Menschen Riesensprünge vollführten noch für die kleinsten Vorteile. Besonders problematisch aus Sicht der Bielefelder Datenschutzaktivisten sind auch Gewinnspiele, die durchs Internet geistern und den Kunden lange Listen von „Lifestyle-Daten“ entlocken.

Völlig unvermittelt sieht sich der Unbedarfte per E-Mail (oder auch per Telefon) zum Sieger eines Spiels erklärt, an dem er nicht mal teilgenommen hat: „Sie haben gewonnen!!! Ihre E-Mail Adresse xxx.xxx web.de wurde soeben von unserem unabhängigen Zufallsprogramm als Sofort-Gewinner gezogen – ausgewählt aus 250 000 Newsletter-Empfängern!“ Um den bescheidenen Gewinn zu erhalten, werden dann die persönlichen Daten und das Einverständnis verlangt, dass drei Dutzend Unternehmen diese Daten auch nutzen dürfen. „Es ist, als ließe man sich für ein paar Glasperlen an der Nase herumführen“, sagt Padeluun.

Ganz abgesehen von den Skandalen und der missbräuchlichen Verwendung der einmal in den Verkehr gebrachten Daten, wie etwa dem von der nordrhein-westfälischen Datenschutzbeauftragten Bettina Sokol aktuell untersuchten Zugriff des Lufthansa-Vorstands auf das Miles-and-More-Konto eines Journalisten: Schon der rechtmäßige Gebrauch der Informationen macht den Nutzer immer ein Stück gläserner, warnen Datenschützer. Beispiele für große Datensammler gibt es ausreichend. Die Bertelsmann-Tochter Arvato mit 52 000 Mitarbeitern wickelt so nicht nur „Miles and More“ ab, tritt als Anbieter der „DeutschlandCard“ in Erscheinung, vertreibt Online-Unterhaltung und erledigt das Kostenwesen und Logistikdienste für Mobilfunkunternehmen. Sie betreibt unter dem Dach von Arvato Infoscore auch Auskunftei- und Scoring-Dienste, die etwa zur Ermittlung der Bonität von Kunden eingesetzt werden können.

„Gezielte Werbung ist aber noch nicht das Schlimmste“, warnt angesichts der wachsenden Datensammelwut von Unternehmen wie auch Behörden der Informatiker Andreas Pfitzmann, der in Dresden einen Lehrstuhl für Datenschutz und Datensicherheit bekleidet. Schlecht oder schlampig administrierte Systeme bei den großen Datensammlern hält er für noch schlimmer. Sie können persönliche Daten der ganzen Welt zugänglich machen, und das, ohne dass der Nutzer es überhaupt ahnt. Nicht nur skrupellose Unternehmen, auch Kriminelle könnten plötzlich Zugriff auf sensible Daten bekommen.

Den besten Angriffspunkt böten dabei immer die großen, zentralen Datensammlungen, warnt Pfitzmann. Doch das scheinen Politiker zu übersehen, die gerade mit der Einführung der Vorratsdatenspeicherung riesige neue Datenberge einschließlich möglicher Bewegungsprofile in die Hände privater Telekommunikationsunternehmen spielen. „Der Staat geht aus Datenschutzsicht hier nicht gerade mit einem positiven Beispiel voran“, sagt die Sprecherin der NRW-Datenschutzbeauftragten Sokol.

„Viele Informationen über Personen verleihen Macht, Macht korrumpiert und absolute Macht korrumpiert absolut“, sagt Pfitzmann. Der Telekom-Skandal habe es auch noch einmal verdeutlicht, meint Pfitzmann, der seit 25 Jahren für dezentrale IT-Lösungen zur Vermeidung der Aggregation von Daten wirbt: „Wenn Daten erfasst und gespeichert werden, dann werden sie missbraucht.“

Trotz Bedenken oder eines unguten Gefühls, das sich bei manchem Nutzer einstellt, ein Ende der freiwilligen Daten-Nabelschau ist noch nicht in Sicht. Bei TomTom, dem Anbieter von Navigationslösungen, freut man sich etwa über 16 000 tägliche Neuanmeldungen für Map-Share und über den beträchtlichen Erfolg des in den Niederlanden gestarteten Dienstes HD Traffic. Letzterer warnt vor hohem Verkehrsaufkommen und errechnet dieses Verkehrsaufkommen auch selbst – durch eine Fast-Echtzeitübermittlung von Standortdaten der Nutzer. Nicht nur eine Reihe der TomTom-Geräte ist mit GPS zur Standortbestimmung und SIM-Karte zur Rückmeldung ausgestattet. Über einen Vertrag mit Vodafone wird auch der gemeine Handybesitzer zum fahrenden Scout.

Was für die Kunden ganz offensichtlich ein attraktiver Dienst ist, der allerdings nur im ersten Jahr kostenfrei ist, ist aus Datenschutzsicht mindestens beobachtungswürdig. Eine Implementation, die sicherstellt, dass tatsächlich nur die Zahl der langsam fahrenden Fahrzeuge auf einer Autobahnstrecke gemessen und zurückgemeldet wird, sei denkbar, sagt Pfitzmann. Sollten die Daten allerdings mit den Personendaten verknüpft werden, würde es perfekte Bewegungsprofile erlauben. Ein System, das bestens geeignet ist, Verkehrswarnungen zu liefern, aber eben auch Standortdaten von jeder einzelnen Autofahrt, ist Toll Collect. Bedenken wegen des Datenschutzes bei den Nutzern, besonders den technikaffinen Jugendlichen? „Wenn man sieht, wie manche auf Tracking-Portalen wie Traceme.org im Web ihren dauernden Aufenthalt preisgeben“, glaube man daran nicht, sagte ein Vertreter von Nokia bei einer Konferenz zum Automobil der Zukunft – das soll ein rollender Computer und damit noch ein Datenlieferant werden.

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