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Videoüberwachung hat Opfer nicht geholfen

Umstrittenes Projekt in Bielefeld wird vor allem von der Polizei befürwortet / Datenschutz-Verein ist alarmiert

Bielefeld (nw). Kurz vor Mitternacht im Ravensberger Park. Laternen tauchen den Platz in orangenes Licht. Zur Geisterstunde ist der Ort wie ausgestorben. Hier sollte man sich um diese Zeit besser nicht alleine rumtreiben, heißt es - trotz Videoüberwachung.

In einer dunklen Ecke sitzen drei Männer und eine Frau auf einer Bank. Die leeren Bierflaschen stehen aufgereiht neben ihnen, es war anscheinend ein fröhlicher Abend. Gute Laune haben sie trotzdem nicht.

Die Gruppe ist Teil der sogenannten Szene, die aus dem Park vertrieben werden soll, damit andere sich sicher fühlen. "Klar stören uns die Kameras", sagt einer von ihnen, "aber wir verhalten uns nicht anders. Wir tun ja nix". Im schummrigen Licht nähert sich ein junger Mann und fragt nach Gras. Er hat schon andere Gruppen im Park erfolglos nach Marihuana abgeklappert und zieht enttäuscht weiter. "Eine ruhige, ganz normale Nacht", sagen die anderen.

Das mag der junge Bielefelder, der eine Woche zuvor mit einem Messer bedroht, mit der Faust ins Gesicht geschlagen und ausgeraubt wurde, auch gedacht haben. Die vier Kameras, die den Park zum NRW-Pilotprojekt für Videoüberwachung machen, konnten den Überfall nicht verhindern - er passierte im nichtüberwachten Teil des Parks.

Seit ihrer Installation sorgen die Kameras für Diskussionen. In Kürze muss der Landtag entscheiden, ob die Maßnahme für weitere fünf Jahre verlängert wird. Die Polizei sagt Ja, Bürgerrechtler sind dagegen. "Sie sind teuer und bringen nichts", sagt Florian Glatzner, der seine Diplomarbeit über das Bielefelder Projekt geschrieben hat und mittlerweile für den Datenschutz-Verein Foebud arbeitet. Für Glatzner ist die Kriminalitätsdebatte eine Scheindebatte.

Das sieht die Polizei anders: "Der Ravensberger Park war früher ein Kriminalitätsschwerpunkt", sagt Polizeioberrat Michael Borchardt, "das ist er jetzt nicht mehr." Hinter dem alten Spinnereigebäude liegt die andere Hälfte des Parks, die nicht überwacht wird.

Auf dem Rasen hat es sich eine Gruppe junger Leute mit einer Kiste Bier gemütlich gemacht. Auch ihnen sind die Kameras ziemlich schnuppe - was weder den Gegnern noch den Befürwortern gefallen dürfte. "Ich fühle mich nicht sicherer oder unsicherer durch die Videoüberwachung, denn ich glaube nicht, dass Überfälle dadurch verhindert werden", sagt einer.

In Herford ist man da anderer Meinung. Nach Bielefelder Vorbild will die Polizei in Zukunft Bahnhof und Linnenbauerplatz verkabeln - Grüne und Jusos laufen Sturm. Der Foebud befürchtet, dass Videoüberwachung von der Ultima ratio zum Standard werden könnte.

Am Sonntag, 1. Juni, informieren Florian Glatzner und Ingo Lütkebohle (Uni Bielefeld) im Bielefelder Bunker Ulmenwall über Techniken und Risiken der Videoüberwachung. Beginn ist 15 Uhr.

Nicole Hille-Priebe

Mindener Tageblatt, Minden, 31. Mai 2008
Original: http://mt-online.de/mt/lokales/regionales/?sid=26cae2779223afc4cd8b7a0c5324c22e&cnt=2395393

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