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NRW: Europa weicht den Datenschutz auf

Verordnungsentwurf ermöglicht Handel mit personenbezogenen Informationen

Bielefeld (nw). Datenschützer und Journalistenverbände schlagen Alarm. Durch eine neue EU-Verordnung könnte schon bald der Handel mit sämtlichen personenbezogenen Daten erlaubt werden. Für die Wirtschaft gelten dann keine Beschränkungen mehr, wenn sie Daten verarbeiten will. Zudem erlaubte die Verordnung eine Kontrolle redaktionell genutzter Daten.

Mit diesen Veränderungen würden Werbeindustrie, Schufa, GEZ und andere Adresshändler unbegrenzt Zugriff auf Daten erhalten und diese auch für jeden Zweck weiterverkaufen dürfen. "Ein millionenschweres Geschäft auf Kosten der Bürger", sagt Rena Tangens von der Bielefelder Bürgerrechtsorganisation Digitalcourage.

Nach bislang geltendem deutschem Recht gilt das "Verbotsprinzip". Wer Daten sammelt, muss dafür die Erlaubnis der betroffenen Personen einholen. Dieses Prinzip soll ausgehöhlt werden, indem die Wirtschaft Verhaltensregeln für die Selbstregulierung erarbeitet. In einem von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) in Brüssel vorgelegten Papier wird betont, dass Datenschutz kein "absolutes Recht" darstelle und mit zahlreichen anderen Grundrechten ausbalanciert sowie verhältnismäßig sein müsse.

"Da wird der Bock zum Gärtner gemacht", sagt Tangens zum Vorschlag einer Selbstregulierung. Selten seien in Brüssel so viele Lobbyisten aktiv wie bei der Datenschutzreform. Allein die US-Handelskammer habe 70 Interessenvertreter im Einsatz. Besorgt ist auch der europäische Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx, der von einem "exzessiven Lobbydruck" spricht. Es warnt vor einem "Ausverkauf der Privatsphäre".

Als Augenwischerei betrachten Datenschützer die Regelung, Daten über Identifikationsnummern und nicht personenbezogen zu sammeln. Besonders bei der Verbreitung großer Datenmengen sei eine Verknüpfung über individuell zugeordnete Identifikationsnummern wesentlich präziser. Zudem blieben es personenbezogene Daten, auch wenn der Name der Person im Datensatz direkt nicht sichtbar sei.

"Mit dieser Praxis werden schon seit Jahren die bestehenden Datenschutzgesetze systematisch unterlaufen, indem behauptet wird , sie seien anonymisiert und fielen daher nicht unter den Datenschutz", berichtet der Österreichische Rundfunk. Verkauft würden pseudoanonymisierte Daten, die über einen mitgelieferten Katalog von Ordnungszahlen in der Regel per Knopfdruck wieder personalisierbar seien. Die Regierung in Wien hat daher bereits einen "Generalvorbehalt" gegen die Verordnung angemeldet.

Vor einer Aushöhlung der Pressefreiheit warnt der Deutsche Journalistenverband (DJV). "Der Entwurf durchlöchert jeden eigenständigen Schutz der Datenverarbeitung zu ausschließlich redaktionellen Zwecken", kritisierte DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken. Er ließe es in den Mitgliedsstaaten zu, den nationalen Datenschutzbeauftragten eine Kontrolle über die redaktionell genutzten Daten zu verschaffen und die Medien ihrer Aufsicht zu unterwerfen.

Nach Meinung des Bielefelder EU-Parlamentariers Elmar Brok (CDU) wird es "keine totale Freigabe durch das Parlament geben". Schon gar nicht dürfe die "Vertraulichkeit journalistischer Recherche aufgeweicht" werden.

Bernhard Haenel

Mindener Tageblatt, Minden, 30. Mai 2013
Original: http://www.mt-online.de/start/top_news_rotation/8584677_NRW_Europa_weicht_den_Datenschutz_auf.html

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