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Gemeinsame Erklärung: Datenspeicherung ist inakzeptabel

Diese Pressemitteilung wurde heute von einem zivilgesellschaftlichen Netzwerk aus Bürgerrechts- und Verbraucherschutzorganisationen samt Erklärung zur Vorratsdatenspeicherung veröffentlicht.

Widerstand gegen geplante Vollprotokollierung der Telekommunikation - Gemeinsame Erklärung von Datenschützern, Journalisten und Verbraucherzentrale: „Datenspeicherung ist inakzeptabel“

Berlin, 07.02.2006 - In einer gemeinsamen Erklärung vom Dienstag sprechen sich Datenschützer, Verbraucherschützer und Journalisten gegen die von der Bundesregierung befürwortete „Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten“ aus. EU-Pläne sehen vor, dass künftig jede Benutzung von Telefon, Handy und Internet protokolliert werden soll, damit Strafverfolgungsbehörden auf diese Informationen zugreifen können. Nachdem das Europäische Parlament im Dezember grünes Licht gab, steht die Entscheidung der EU-Justizminister noch aus.

Zehn Verbände, darunter der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) und der Chaos Computer Club (CCC), bezeichnen die geplante Datenspeicherung als „inakzeptabel“. „Sie bewirkt keinen verbesserten Schutz vor Kriminalität, kostet Millionen von Euro, gefährdet die Privatsphäre und die Sicherheit Unschuldiger, beeinträchtigt vertrauliche Kommunikation und ebnet den Weg in eine immer weiter reichende Massenüberwachung der Bevölkerung“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung der Verbände. Die Vereinbarkeit einer Vorratsdatenspeicherung mit den Grundrechten solle gerichtlich überprüft werden.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) sieht in den Plänen zur Vorratsdatenspeicherung eine Bedrohung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. „Eine demokratische Gesellschaft zeichnet sich dadurch aus, dass nicht der Staat die Bürger, sondern die Bürger den Staat kontrollieren“, so vzbv-Vorstand Prof. Dr. Edda Müller. Eine verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung bedeute den Einstieg in eine flächendeckende Überwachung der Nutzer digitaler Kommunikation. Das Prinzip der informationellen Selbstbestimmung drohe zunehmend zu einem Grundsatz der informationellen Fremdbestimmung zu werden.

Die zehn Verbände fordern die Mitglieder des Bundestags auf, an ihrer 2005 erklärten Ablehnung der Massendatenspeicherung festzuhalten. Falls die EG-Richtlinie nicht zu verhindern sei, müssten wenigstens die verbleibenden Spielräume zugunsten der Bürger und der Wirtschaft voll ausgeschöpft werden. Die Organisationen präsentieren einen Zehn-Punkte-Forderungskatalog zur nationalen Umsetzung der Richtlinie. So soll die Datenspeicherung und der Datenabruf auf ein Minimum beschränkt werden. Die bestehende Identifizierungspflicht vor dem Abschluss von Telefon- und Handyverträgen soll aufgehoben werden. Weitere Punkte sind:

Die Erklärung im Wortlaut:

Gemeinsame Erklärung zur Vorratsdatenspeicherung in Deutschland

Die systematische Aufzeichnung und Aufbewahrung von Informationen über die Kommunikation, Bewegungen und Mediennutzung der gesamten Bevölkerung („Vorratsdatenspeicherung“) ohne Einwilligung der Betroffenen ist inakzeptabel. Sie bewirkt keinen verbesserten Schutz vor Kriminalität, kostet Millionen von Euro, gefährdet die Privatsphäre und die Sicherheit Unschuldiger, beeinträchtigt vertrauliche Kommunikation und ebnet den Weg in eine immer weiter reichende Massenüberwachung der Bevölkerung.

Wir fordern, Vorratsspeicherungspflichten von den deutschen und europäischen Gerichten auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundrechten hin überprüfen zu lassen.

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestags fordern wir auf, an ihrer Ablehnung einer verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung festzuhalten und stattdessen weniger eingreifende Alternativen zu prüfen (z.B. das „Quick-freeze“-Verfahren).

Für den Fall, dass der Deutsche Bundestag eine EG-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung trotz allem umsetzen sollte, fordern wir:

1. Die maximale Umsetzungsfrist bis Mitte 2007 – für Internetdaten bis Anfang 2009 – ist auszuschöpfen. 2. Bürger dürfen nicht verpflichtet werden, sich vor der Nutzung von Telefon, Handy oder Internet zu identifizieren. Bestehende Identifizierungspflichten sind aufzuheben. 3. Eine Vorratsspeicherung wird nur für die in der Richtlinie genannten Datentypen und nur für die Dauer von sechs Monaten eingeführt; danach sind die Daten unverzüglich zu löschen. Zu speichern sind nur Daten, die bei dem jeweiligen Anbieter zur Bereitstellung von Kommunikationsdiensten ohnehin erzeugt oder verarbeitet werden. 4. Der Staat hat die zur Datenspeicherung und -vorhaltung verpflichteten Anbieter für die daraus resultierenden Zusatzkosten (Investitionskosten, Vorhaltekosten, Personalkosten) voll zu entschädigen. 5. Der staatliche Zugriff auf Informationen über die Kommunikation und die Kommunizierenden („Verkehrsdaten“, „Bestandsdaten“) hat den gleichen Voraussetzungen zu unterliegen wie der Zugriff auf die Inhalte der Kommunikation. 6. Der Zugriff auf Kommunikationsdaten ist nur zur Verhinderung oder Verfolgung schwerer Straftaten zuzulassen, wenn im Einzelfall der konkrete Verdacht einer solchen Tat besteht. Der Zugriff zwecks Strafverfolgung sollte beschränkt sein auf Fälle organisierter Kriminalität, in denen eine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe zu erwarten ist. 7. Eine Nutzung von Kommunikationsdaten zu anderen Zwecken, beispielsweise durch Nachrichtendienste, durch sonstige Behörden oder durch private Dritte, ist auszuschließen. Den speichernden Diensteanbietern selbst ist die Nutzung der Daten nur insoweit zu gestatten, wie es zur Entgeltermittlung und Entgeltabrechnung erforderlich ist. 8. Der Zugriff auf und die Verwertung von Informationen über die Kommunikation von Ärzten, Rechtsanwälten, Steuerberatern, anderen Berufsgeheimnisträgern sowie Journalisten sind nur in besonderen Ausnahmefällen zuzulassen. 9. Zur Datenspeicherung und -vorhaltung sind nur Anbieter öffentlich zugänglicher Kommunikationsdienste und Betreiber öffentlicher Kommunikationsnetze zu verpflichten. Kleine Anbieter, insbesondere im Internetbereich, sind auszunehmen. 10. Die positiven und negativen Auswirkungen der Vorratsdatenspeicherung auf die Gesellschaft sind von einer unabhängigen Stelle zu untersuchen. Die Ergebnisse sind zu veröffentlichen. Der Bundesdatenschutzbeauftragte hat dem Deutschen Bundestag alle zwei Jahre Bericht über die Erfahrungen mit der praktischen Anwendung der Vorratsdatenspeicherung zu erstatten. Die Berichte sind zu veröffentlichen.

07.02.2006