FoeBuD e.V.  ·  Marktstraße 18  ·  D-33602 Bielefeld
http(s)://www.foebud.org  ·  foebud@bionic.zerberus.de

Kontodaten in Behördenhand

Bundesverfassungsgericht weist Klagen gegen automatisierten Zugriff ab

Der heimliche Zugriff auf Kontodaten durch Finanzämter und Sozialbehörden verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts können Behörden auch weiterhin Stammdaten – Kontonummern, Namen, Adressen und Geburtsdaten – der Kontoinhaber abfragen, um Steuerhinterziehung oder Sozialhilfemissbrauch zu verhindern. Eine Ermittlung „ins Blaue hinein“ sei aber nicht zulässig.

Der Erste Senat wies fünf Verfassungsbeschwerden von Sozialhilfeempfängern, einem Notar und einer Volksbank gegen die automatisierte Kontenabfrage ab. Diese widerspreche nicht dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, hieß es zur Begründung.

2005 wurde das „Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit“ erlassen. Behörden dürfen seitdem überprüfen, ob der Steuerzahler oder Sozialleistungsempfänger eine verdächtige Vielzahl von Konten unterhält.

In Kontostände und Kontobewegungen haben die Behörden bei der automatisierten Abfrage keinen Einblick. Nur bei Unstimmigkeiten mit Angaben des Steuerzahlers oder Sozialleistungsempfängers können Ermittlungsverfahren mit Konto-Einsicht eingeleitet werden.

„Im vergangenen Jahr gab es in NRW 3.900 Überprüfungen“, sagt Steffi Hagelüken, Sprecherin des Finanzministeriums auf Anfrage dieser Zeitung. Dabei handele es sich nicht zwingend um Verdachtsfälle, sondern um Stichproben. „Die Steuerverwaltung erfährt so überhaupt erst von Konten, von denen sie bisher nichts weiß“, sagt Hagelüken. Das Urteil bestätige die gängige Praxis. Quantitativ werde sich die Zahl der Überprüfungen dadurch nicht erhöhen.

Dieses Verfahren und die Bestätigung aus Karlsruhe stößt bei Datenschützern auf große Kritik: „Wir bedauern das Urteil. Hier passiert ein Dammbruch“, sagt Rena Tangens vom Bielefelder Bürgerrechtsverein für Datenschutz FoeBuD. Ursprünglich sei die Kontoüberprüfung zur Terrorabwehr ermöglicht worden, nun dürften Finanz- und Sozialämter frei zugreifen. „In der Regel werden Bafög- und Hartz-IV-Empfänger gegängelt“, sagt Tangens.

Steuerhinterziehung im großen Stil lasse sich nur mit Wirtschaftsfahndern nachweisen, deren Stellen zunehmend gestrichen würden. „Es gibt kein Gesetzes-, sondern ein Verfahrensdefizit“, so Tangens.

Sowohl das Amt für Ausbildungsförderung beim Studentenwerk als auch die ARGE und Arbeitplus in Bielefeld bestreiten, dass Stammdaten abgefragt werden. In beiden Fällen werde aber, beim Studentenwerk in Stichproben, beim Bundesamt für Finanzen die Zinseinkünfte von Beitragsempfängern abgefragt. „Die lassen Rückschlüsse auf das Vermögen zu“, erklärt Günther Remmel, Geschäftsführer des Amtes für Ausbildungsförderung.

„Jeder Hartz-IV-Empfänger gerät mindestens einmal in eine solche Überprüfung“, bestätigt Lutz Wittler, Teamleiter bei Arbeitplus. Nur in Einzelfällen stimmten die Ergebnisse nicht mit den Angaben der Beitragsempfänger überein.

Johann Vollmer

Neue Westfälische, Bielefeld, 13. Juli 2007
Original: Nicht bekannt

© WWW-Administration, 06 Aug 07