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Kleine Karten machen Kummer

Bürgerbüro bereitet sich auf neue Ausweise vor / Immer noch massive Sicherheitsbedenken

Die Tage des liebgewonnen grün-laminierten Personalausweises sind gezählt. Knapp zwei Monate vor Einführung des neuen Ausweises in Scheckkartenformat arbeitet das Bünder Bürgerbüro intensiv an den Vorbereitungen auf die Umstellung. Moderner, vielseitiger und wesentlich sicherer soll das Identifikations-Dokument ab 1. November sein. Zweifel und Kritik aber werden immer lauter.

Axel Biermann hat den Fahrplan genau im Kopf. "Noch in diesem Monat werden die Mitarbeiter des Bürgerbüros an speziellen Schulungen teilnehmen", sagt der Mann vom Ordnungsamt der Stadt Bünde. Diese scheinen auch bitter nötig, schließlich unterscheidet sich der neue Personalausweis massiv von seinem derzeit noch gültigen Vorgängermodell. Nicht mehr nur einfache persönliche Daten beinhaltet das neue Dokument. So bietet etwa ein Chip im Inneren der Ausweiskarte neue Möglichkeiten für Internet-Geschäfte, auch der elektronische Identitätsnachweis (eID-Funktion) ist für Online-Arbeiten gedacht und eine digitale Unterschrift. Wie beim Reisepass ist ein biometrisches Lichtbild verpflichtend, die Speicherung von Fingerabdrücken hingegen nicht zwingend erforderlich – sofern sich der Nutzer zuvor dagegen entscheidet.

Unterm Strich eine ganze Menge an Neuerungen. "Man kann sagen, dass wir bei einer Beantragung etwa den dreifachen Zeitaufwand wie sonst haben", glaubt Axel Biermann. Schon allein die eID-Funktion erfordere zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen, "und wenn man das etwas betagteren Herrschaften erklären muss, nimmt das schon etwas Zeit in Anspruch". Dennoch gibt man sich optimistisch, bis zum 1. November alles auf der Reihe zu haben.

Gerade die eID-Funktion, der elektronische Identifikationsnachweis gibt derzeit aber noch vielerorts Anlass zur Sorge. "Sie wird dafür sorgen, dass man sich zukünftig im Internet für jeden Quatsch identifizieren muss, etwa bei sozialen Netzwerken", fürchtet Florian Glatzner von der Bielefelder Datenschutzorganisation "FoeBud e.V.". Anonymität sei so kaum noch möglich. Darüber hinaus generiere das Lesegerät, das für das ausweisen im Web von Nöten ist, weitere Probleme – beispielsweise bei der Eingabe von PINs. "Hier werden die Sicherheitsvorkehrungen auf den Nutzer abgewälzt", so Glatzner, "dabei ist es gar nicht möglich, für klare Sicherheit zu sorgen". Der berühmt-berüchtigte "Chaos Computer Club" habe Entsprechendes bereits bewiesen. Insgesamt stehen Glatzner und seine Organisation dem neuen Personalausweis sehr kritisch gegenüber. "Der konkrete Nutzen ist für uns nicht erkennbar".

Zuspruch erhält der Datenschützer vom Bünder Informatik-Lehrer Kai Schneider. Seine Bedenken richten sich im Wesentlichen an die Technologie des eingebauten Chips, auf dem die persönlichen Daten des Inhabers gespeichert werden. "Dieser basiert auf dem RFID-System und ist ohne direkte Berührung eines Gerätes lesbar", erklärt er. Im schlimmsten Fall könnten auf diese Weise Daten gestohlen werden. "Dazu muss nur jemand mit entsprechendem Gerät neben mir stehen und ganz unbeteiligt tun". Schneider hält diese Technologie für äußerst kritisch, reichen doch Name, Adresse und Geburtsdatum bereits aus, um im Internet Schindluder zu betreiben. "Nicht umsonst gibt es bereits Metallhüllen für diese Karten", so Schneider. Diese würden den Ausweis vor derlei Angriffen nämlich schützen.

Die gewollte Erleichterung für Wirtschaft und Behörden durch den neuen Ausweis ist so auch laut Axel Biermann noch längst nicht erreicht. "Möglicherweise wird das Ganze aber eine Eigendynamik entwickeln". Wie dem auch sei: Der neue Ausweis wird kommen. Die Bedenken aber bleiben.

Felix Eisele

Neue Westfälische, Bielefeld, 08. September 2010
Original: http://www.nw-news.de/lokale_news/buende/buende/3739927_Kleine_Karten_machen_Kummer.html

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