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Big Brother im Hörsaal

Hochschule. Leipziger Studenten protestieren gegen die geplante Videoüberwachung.

Big Brother an der Universität: Im Zuge des 120 Millionen Euro teuren Umbaus ihres Campus in der Innenstadt plant die Universität Leipzig den Einsatz von Videokameras auch in den Hörsälen. „Die Videoüberwachung soll der besseren Kommunikation zwischen Lehrenden und Hausmeister dienen, wenn etwa Probleme mit der Technik auftreten“, sagt der Kanzler der Hochschule, Frank Nolden. Es gehe ferner darum, die Universität als einen für jedermann offenen und sicheren Ort zu erhalten. Deshalb würden schon jetzt Eingangs- und Außenbereiche zahlreicher Gebäude der Universität überwacht. Rund 80 Kameras sind bereits im Dienst. Nolden versichert, dass die Universitätsleitung kein Interesse daran habe, Studenten und Dozenten zu überwachen. Das sehen die Studenten allerdings anders und machen gegen die Kameras mobil.

Der StudentInnenrat (Stura) befürchtet eine totale Kontrolle. „Die Universität will den gläsernen, unkritischen und angepassten Studenten“, sagt Stura-Sprecher Hannes Delto. Die Freiheit von Forschung und Lehre werde mit der Überwachung beeinträchtigt. Niemand könne sich mehr in der Universität bewegen, ohne auf Schritt und Tritt beobachtet zu werden. Der Stura will Unterschriften gegen die Kameras sammeln, auch Demonstrationen sind geplant.

An deutschen Hochschulen ist Videoüberwachung nach Einschätzung des Datenschutz-Vereins FoeBuD nicht ungewöhnlich. Der Verein schrieb 300 Hochschulen an, 60 antworteten. Davon hatten neun Videoüberwachung. Vorreiter war Paderborn. In Münster klagt eine Initiative kritischer Juristen gegen die Kameras an der Hochschule.

Braveres Verhalten

Die Leipziger Politikwissenschaftlerin Rebecca Pates sieht in der Überwachung einen Verlust von Anonymität. Die Selbstkontrolle des eigenen Verhaltens wachse. „Menschen, die sich beobachtet fühlen, verhalten sich braver“, sagt sie.

Die Planungen der Universitätsleitung seien bereits weit vorangeschritten und die Studenten würden vor vollendete Tatsachen gestellt, bemängelt der Stura. Kanzler Nolden kündigt aber Gesprächsbereitschaft an. Einen möglichen Kompromiss deutet der Datenschutzbeauftragte der Hochschule, Thomas Braatz, an: „Die neueste Technik könnte die Videoüberwachung in den Hörsälen überflüssig machen.“ Es gebe bereits Beamer, die selbstständig Störungen meldeten. Auf Kameras in Hörsälen, die nur zur Überwachung der Technik eingesetzt werden sollen, könnte damit verzichtet werden.

Erik Nebel

Sächsische Zeitung, Dresden, 27. April 2006
Original: http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=1145132

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