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Die Uni macht große Augen

Die Abteilung Horch & Guck lebt. An der Universität Leipzig darf jeder mal ins Fernsehen - sie will den Campus überall observieren, auch die Hörsäle. Studentenvertreter aber glauben nicht an den Segen durch Hightech und wehren sich gegen die Spähoffensive.

"Es gibt bereits 86 Kameras auf dem Campus", sagt Hannes Delto, Vorsitzender des StudentInnenrates (StuRa) an der Universität Leipzig. Er hat sie alle gezählt. "Wie viele es genau sind, wusste man ja lange gar nicht." Warum es noch mehr werden sollen, wieso die Hochschule jetzt sogar in Hörsälen filmen lassen will, das kann und will Delto nicht verstehen.

Der Plan der Hochschule sieht jedenfalls vor, dass nach dem 120 Millionen Euro teuren Umbau des Campus nahezu flächendeckend observiert wird. "Die Videoüberwachung soll der besseren Kommunikation zwischen Lehrenden und Hausmeister dienen, wenn etwa Probleme mit der Technik auftreten", lautet die Begründung von Uni-Kanzler Frank Nolden. Zudem solle der vermehrte Einsatz von Kameratechnik für mehr Sicherheit und Ordnung auf dem Hochschulgelände sorgen. Überwachung der Studenten und Dozenten? Die Universitätsleitung habe kein Interesse daran, Studenten und Dozenten zu überwachen, versichert Nolden.

Die Leipziger Studenten überzeugt das nicht. Und auch nicht den Datenschutzbeauftragten Thomas Braatz. "Es gibt definitiv bessere Alternativen. Man könnte die Technik beispielsweise vernetzen - so hätte der Techniker alle wichtigen Daten auf einmal im Blick. Und zwar viel besser als über eine Kamera", erklärt der 44-jährige. Lange Zeit sei in dieser Richtung nichts passiert, jetzt solle es mit den Kameras wohl schnell gehen, sagt Braatz.

Auch Hannes Delto kann den Kanzler-Argumenten nicht folgen. Kameras seien nicht nur in Hörsälen, sondern auch in Gängen und Foyers vorgesehen. Wie das die Kommunikation zwischen Techniker und Dozent verbessern solle, müsse man ihm erst noch mal erklären. Unklar sei zudem, wie lange die Filmbänder vor dem Überspielen gelagert werden und wer darauf Zugriff hat.

Immer unter Beobachtung

Kanzler Nolden beschwichtigt: "Eine Kontrollitis wird es nicht geben. Dazu haben wir gar nicht das Personal." Die Einrichtung der Videoüberwachung sei ja eine Konsequenz aus dem Sparzwang für die Hochschule. Probleme seien mit Hilfe der Kameras von einem zentralen Ort aus schnell zu beheben; zudem gehe es um die Vorbeugung gegen Straftaten. "Auch wegen der Innenstadtlage müssen wir unsere Wertgegenstände vor Dieben absichern", sagt Nolden. Deshalb würden ja schon jetzt Eingangs- und Außenbereiche zahlreicher Uni-Gebäude überwacht.

"Mehr Sicherheit würden auch mehr Schließfächer bringen", hält Delto dagegen. Videoüberwachung gebe es zudem schon lange in kritischen Bereichen wie den Rechnerpools und der Bibliothek. "Unser Kanzler spricht immer von einer offenen Uni - das steht doch im krassen Widerspruch zu den Kameras", sagt Delto.

Nach Einschätzung von Datenschützern ist Videoüberwachung an deutschen Hochschulen nicht ungewöhnlich. Vor einigen Monaten schrieb der "Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs" (FoeBuD) 300 Hochschulen mit einem Fragebogen an, 60 antworteten. 15 davon gaben an, Videoüberwachung einzusetzen. Axel Rüweler von FoeBud indes hält die Verbreitung für viel größer. 2004 verlieh der Verein den "Big Brother Award" der Uni Paderborn für die dort besonders intensive Kameraüberwachung.

Delto und seinen StuRa-Kollegen ist die große Spähoffensive nicht geheuer. Sie sammeln Unterschriften und haben bereits Demonstrationen angekündigt. Letzten Montag wurde die Sache zum ersten Mal öffentlich diskutiert: Kanzler Nolden stellte sich im Veranstaltungszentrum Moritzbastei den kritischen Fragen von rund 200 Studenten. Indes sind die Planungen der Universitätsleitung weit vorangeschritten: Schon in der kommenden Woche soll die "Ordnung zur Einrichtung und zum Betrieb von Einrichtungen zur Videoüberwachung" beschlossen werden.

Studentenvertreter Hannes Delto schließt eine Klage gegen die Videoüberwachung nicht aus, wie derzeit an der Uni Münster. Dort ist eine Gruppe Jurastudenten vor Gericht gezogen. "Wir beobachten den Prozess sehr genau - das könnte nämlich ein Präzedenzfall werden", sagt Delto.

Spiegel Online, Hamburg, 30. April 2006
Original: http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,413746,00.html

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