Kundenkarten sind groß in Mode. Durch Rabattversprechen und zusätzlichen Service lassen sich viele Verbraucher locken. Doch es gibt einen klaren Gewinner: Den Einzelhandel.
Berlin - "Haben Sie eine Kundenkarte?", fragt die freundliche Verkäuferin an der Kasse. Und schon zückt der Kunde das kleine Plastikding. Oder er füllt gleich einen Antrag aus, damit ihm die versprochenen Rabatte nicht verloren gehen. Um an diese zu gelangen, geben viele Kunden gern Namen und Anschrift, Geburtsdatum und Gehalt preis. Verbraucherschützer sehen den leichtfertigen Umgang mit Kundenkarten jedoch kritisch. Ihrer Ansicht nach sind die Vorteile für die Kunden gering, der gezahlte Preis aber hoch. Knapp 90 Prozent der Verbraucher nutzen eine Kundenkarte, ergab eine Umfrage des Marktforschungsinstituts Dialego in Aachen. Die Mehrzahl der Befragten erklärte, mehrere Kundenkarten zu besitzen.
Neun von zehn Verbrauchern erhoffen sich dadurch Rabatte. Die Vergünstigungen seien jedoch gering. Die Ersparnis für einen Normalverbraucher liegt meist zwischen 0,25 und 3,0 Prozent. In vielen Fällen lasse sich die Höhe des Rabatts nicht bestimmen, weil es sich um Sachleistungen handelt, stellte die Zeitschrift "Finanztest" bereits im Februar 2005 fest.
Daran hat sich bis heute nichts geändert. "Die Rabatte sind erstaunlich niedrig. Niedriger, als viele Kunden denken", erklärt Uwe Döhler, Finanzexperte bei der Stiftung Warentest in Berlin. Wer beim Einzelhändler zehn Euro Ermäßigung auf ein Produkt herausschlage, spare mehr als durch irgendeine Kundenkarte. Auch ein gründlicher Preisvergleich bringe weit mehr.
Rabatte werden überschätzt
Ähnlich kritisch äußern sich Verbraucherschützer. "Die Rabatte werden oft überschätzt, während die negativen Seiten unterschätzt werden", sagt Verbandsprecher Christian Fronczak. Bei den in Deutschland angebotenen Kundenkarten gebe es flächendeckende Verstöße gegen den Datenschutz, heißt es in einem Gutachten des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz (ULD) Schleswig-Holstein aus dem Jahr 2003.
Auch die Ergebnisse dieser Studie besitzen unverändert Gültigkeit. Damals kritisierten die Datenschützer unter anderem, dass mit den Kundenkarten mehr Daten erhoben werden als notwendig. Auf diese Weise ließen sich detaillierte Kundenprofile erstellen, mit denen Kunden gezielt beworben werden können. Seitdem ist die Zahl der abgefragten Daten sogar noch größer geworden. Für Firmen seien die Daten wertvoll, da sie eine aufwendige Marktforschung ersetzen, erklärt Döhler.
Stellt sich die Frage, was problematisch daran sein soll, wenn ein Unternehmen weiß, dass ein Kunde Haarshampoo, Mehl und Wein gekauft hat. Den meisten Leuten sei Datenschutz egal, nach dem Motto "Ich habe nichts zu verheimlichen", sagt der Warentester. "Doch das ist eine naive Vorstellung, die wissen oft nicht, was passieren kann." Kaufe etwa ein Kunde jede Woche Schnaps, könne das von Dritten als Alkoholproblem gewertet werden fügt er hinzu. Denkbar sei beispielsweise, dass sich der Arbeitgeber Zugang zu den Daten verschafft und aus ihnen Konsequenzen zieht.
Datenmissbrauch keine Theorie
Dass solcher Datenmissbrauch keineswegs reine Theorie ist, belegt ein Beispiel aus der Schweiz, von den die Gründerin des Bürgerrechtsvereins Foebud in, Rena Tangens, berichtet: Dort seien alle Kunden einer Supermarktkette, die ein Werkzeug mit ihrer Kundenkarte gekauft hatten, von den Behörden überprüft worden, erzählt Tangens. Das besagte Werkzeug stand im Zusammenhang mit einer Brandstiftung. Foebud vergibt jährlich den "Big Brother Award" an Firmen, Politiker und Institutionen, die missbräuchlich mit Daten umgehen. "Wenn eine Datenbasis einmal da ist, weckt sie Begehrlichkeiten", sagt Tangens
Foebud kritisiert, dass Formulierungen in den Geschäftsbedingungen der Firmen häufig irreführend sind. So schreibe beispielsweise eine große Handelskette, dass Daten grundsätzlich nicht an unberechtigte Dritte weitergegeben würden. Verschwiegen werde dabei, dass es berechtigte Dritte gebe, nämlich diejenigen, die Adressen kaufen.
So bleiben die erhobenen Daten denn auch keineswegs nur beim Supermarkt, der die Kundenkarte ausstellt. Bei vielen Anbietern fehlte sogar jede Information darüber, was mit den Daten passiert, so der vzbv. Der Verband kämpft zurzeit vor Gericht dafür, dass eine gängige Praxis untersagt wird: Bisher muss der Verbraucher bei Anträgen für Kundenkarten häufig selbst aktiv werden, um die Weitergabe seiner Daten zu verhindern. Kreuzt er das entsprechende Kästchen nicht an, gibt er seine Zustimmung zum Datenhandel.
Generell von Kundenkarten abraten möchte Verbraucherschützer Fronczak nicht: "Jeder muss selbst entscheiden, ob er bereit ist, seine Daten preis zu geben." Besorgten sich Verbraucher eine Kundenkarte ihres Stammgeschäfts, die nur dort gilt, machten sie damit nichts falsch. Kein Kunde sollte sich jedoch verleiten lassen, in einem bestimmten Laden nur zu kaufen, weil er dort Punkte bekommt, sagt Döhler.
Carina Frey
Spiegel Online, Hamburg, 05. November 2006
Original: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,446407,00.html