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Vorratsdaten-Streit

Justizministerin stellt sich gegen Innenminister

Es ist ein politisches Kräftemessen: In Frankfurt sprechen sich Innenminister von Bund und Ländern für die Vorratsdatenspeicherung aus, in Berlin inszenierte sich die Justizministerinnen mit Gegnern der umstrittenen Massenspeicherung - sie nahm eine Unterschriftenliste entgegen.

Hamburg - Die Innenminister der Länder diskutieren in Frankfurt über Sicherheitsgesetze und die Vorratsdatenspeicherung, vor dem Bundesjustizministerium in Berlin traf sich Ministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) mit Gegnern staatlicher Überwachung.

Am Nachmittag übergaben Bürgerrechtsaktivisten ihr eine Sammlung mit 58.000 Unterschriften, öffentlichkeitswirksam vor dem Ministerium. Mehrere Kamerateams hatten sich angekündigt, die Presseabteilung gab Journalisten Bescheid. Als die Aktivisten ihre Sammlung am vergangenen Donnerstag Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) übergaben, geschah dies ohne mediale Öffentlichkeit und ohne symbolisches Foto.

Ganz anders die Justizministerin: Sie hat die Unterschriften-Sammler kurzfristig vor ihr Ministerium bestellt, um sich parallel zur stattfindenden Innenministerkonferenz mit den Gegner der Vorratsdatenspeicherung in Szene zu setzen. Die FDP lehnt die sechsmonatige Speicherung ab - und weiß sich damit auf der Seite einer kritischen Öffentlichkeit aus Bürgerrechtsaktivisten, Wissenschaftlern und Journalisten.

"Wie leicht sich Kommunikationsdaten missbrauchen lassen hat sich gerade in Dresden gezeigt", kritisiert Fritz Mielert von der Protestorganisation Campact. "Dort wurden bei einer Anti-NPD-Demo völlig unverhältnismäßig 138.000 Mobilfunkverbindungen von Bürgern ausgespäht, darunter auch die von Anwohnern und Passanten. Solchen Praktiken muss ein Riegel vorgeschoben werden."

Die Gegner der Vorratsdatenspeicherung lehnen auch einen Kompromiss ab, den die Justizministerin vorgelegt hatte. Sie hatte vorgeschlagen, die Verbindungsdaten sieben Tage lang zu speichern. Eine weiterführende Speicherung soll in konkreten Fällen möglich sein, die Daten würden dann auf richterlichen Beschluss den Ermittlern zugänglich gemacht. Damit habe die Ministerin unnötigerweise dem Druck der Sicherheitspolitiker nachgegeben", kritisierte der Netzaktivist padeluun. Dabei lehnt die Union den Vorschlag geradeheraus ab.

Über eine Wiedereinsetzung der massenhaften Speicherung von Kommunikationsdaten wird derzeit heftig gestritten, auf mehreren Ebenen. Die EU-Kommission drängt auf eine rasche Einsetzung der Speicherpflicht ebenso Ermittlungsbehörden und Unionspolitiker. Die Forderungen der Hardliner blockt die Bundesjustizministerin seit Monaten ab, dem Drängeln der EU-Kommission erteilte sie am Mittwoch eine deutliche Absage.

Zuletzt hatten sogar die SPD-Innenminister aus Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen ihre Bereitschaft zu einem neuen Speichergesetz bekundet. Aus Stuttgart und Düsseldorf, wo die Grünen mitregieren, gab es daraufhin erboste Proteste: Der Koalitionspartner wurde zurückgepfiffen, eine Zustimmung im Bundesrat werde es nicht geben.

Der Sprecher der SPD-geführten Länder, der Berliner Innensenator Erhart Körting, keilte am Mittwoch zurück: Er habe kein Verständnis für die Haltung der FDP und auch Teile der Grünen. Bundesinnenminister Friedrich und seine Kollegen aus den 16 Ländern drängten zum Abschluss ihrer zweitägigen Konferenz auf eine schnelle Neuregelung der Antiterrorgesetze und die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung.

Spiegel Online, Hamburg, 22. Juni 2011
Original: http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,769876,00.html

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