Der Datenschutz in der Europäischen Union basiert derzeit auf einer EU-Datenschutzrichtlinie aus dem Jahr 1995. Dass sich seitdem eine Menge getan hat, schon allein was das Verständnis von Daten und deren Weitergabe betrifft, liegt auf der Hand. Deshalb will die EU aktiv werden – indem sie eine Datenschutz-Grundverordnung, die für alle Länder unmittelbar gültig wird, umsetzen möchte. Leider ist aus dem eigentlich löblichen Vorsatz der EU, endlich Einheit beim Datenschutz zu schaffen, ein Kampf geworden – Datenschützer kämpfen für Bürgerrechte und Lobbyisten um die Stellung der Unternehmen.
Max Schrems von „Europe vs. Facebook“ ist so ein Kämpfer, er hat sich dem Datenschutz bei Facebook verschrieben und gesehen, dass es dort gewaltige Lücken gibt. Die Initiative brachte mehrere Anzeigen gegen Facebook auf den Weg, weil sie möchte, dass Facebook nicht zu einer Datenabfangmaschine wird:
„Wir haben damals bei Facebook mal genauer nachgeschaut, was die dort eigentlich mit den Daten tun, und sind dann darauf gekommen, dass sie Daten speichern, die die Nutzer schon längst gelöscht hatten oder Nutzer gar nicht selber eingegeben haben, bzw. Daten über Nutzer im Hintergrund generieren. Wir haben damals Anzeigen in Irland erstattet gegen Facebook, um zu sehen, wie gut das Europäische Datenschutzrecht durchsetzbar ist, das war sozusagen der Grundausgangspunkt."
Und, wie gut war es?
„Naja, die Realität ist nicht so schön wie das Gesetz. Es ist derzeit so, dass wir eigentlich ein recht stabiles Gesetz haben, aber die Durchsetzung total hakt. In einigen Mitgliedsstaaten, z.B. Großbritannien oder Irland, wird der Datenschutz faktisch einfach nicht durchgesetzt gegen die Unternehmen, die dort ihre Hauptquartiere haben. In Deutschland oder Österreich haben wir ein durchaus hohes Datenschutzniveau, aber wenn Facebook und Google und Apple nicht in diesen Ländern ansässig sind, sondern in irgendeinem anderen Mitgliedsstaat sitzen, ist das wirkungslos."
Was kann ich als Bürger tun, um mich zu wehren, wie kann ich da aktiv werden?
„Derzeit ist das größte Problem bei der Datenschutzdiskussion, dass sie nicht öffentlich geführt wird, das heißt es fehlt die kritische Masse. Derzeit wird praktisch nur auf die Industrie Rücksicht genommen, weil die wissen, wie sie Gas geben können. Was man als Bürger machen kann, und das ist eigentlich relativ effektiv, man kann seinem Abgeordneten im Europaparlament eine E-Mail schreiben, das sind vor allem die liberalen und konservativen Abgeordneten, die den Datenschutz kleinschnetzeln, und wenn die mal ihre 20 bis 30 E-Mails von Bürgern bekommen, dann merken die, dass da ein Druck auf der anderen Seite ist. Das andere ist natürlich, mal bei der nationalen Regierung nachzufragen und zu sagen, ihre vertretet mich und nicht Facebook, denkt mal bitte drüber nach, wie ihr hier die Gesetze macht."
Die Datenschutz Grundverordnung sieht wesentliche Änderungen gegenüber dem derzeitigen Datenschutzrecht der Bundesrepublik Deutschland vor. So soll es nunmehr drakonische Sanktionen bei Datenschutzverstößen von bis zu zwei Prozent des Jahresumsatzes eines Unternehmens geben, weitreichende Informationspflichten bei Datenpannen, erweiterte Befugnisse der Aufsichtsbehörden sowie klare Zuständigkeitsregelungen bei innereuropäisch multinational agierenden Unternehmen. Eigentlich also alles ganz löblich, doch es gibt einige Probleme mit der Umsetzung, wie Regina Tangens von der Initiative Digitalcourage erklärt, die gerade einen offenen Brief an den Innenminister geschrieben hat:
„Wir von Digitalcourage haben diesen offenen Brief angestoßen, weil unser Innenminister Hans Peter Friedrich dafür zuständig ist, dass er unsere Interessen, also die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in Brüssel bei der EU vertritt, daran wollen wir ihn erinnern, denn wie wir aus Verhandlerkreisen in Brüssel hören, ist es keineswegs so, dass Deutschland seinem Image als Datenschutzland gerecht werden würde, sondern das offene Ohre scheint sich doch eher in Richtung Firmen zu wenden, die versuchen, dort ihre Interessen durchzusetzen."
Was wären denn die Auswirkungen, wenn die Datenschutzgrundverordnung so in Kraft treten würde, wie sie jetzt ist?
„Zum schlimmsten Szenario gehört, das darin zum einen die Definition von Daten, die es überhaupt betrifft, dann so eng gefasst ist, dass die meisten Geschäftsvorgänge dann gar nicht mehr darunter fallen, dass eine Unzahl von Ausnahmen definiert wird durch wolkige Formulierungen auf der einen Seite und durch Ausnahmen auf der anderen Seite, das wäre schlimm, denn das würde strengere gesetzliche Regeln in Deutschland zum Beispiel aushebeln, das würde dann das grenzenlose Geschäftemachen mit Bürgerdaten möglich machen."
Wie konnte es denn dazu kommen, dass der eigentlich gute Gesetzentwurf der EU so durchlöchert und verwässert wurde?
„Allein die amerikanische Handelskammer hat in den letzten zwei Jahren 70 Lobbyisten nach Brüssel geschickt. Google, Facebook, Ebay, Amazon, Yahoo, Microsoft und wie sie alle heißen, also alle diese großen Unternehmen, die sich mal mehr und mal weniger offen die Europäischen Parlamentarier vornehmen und auch in der Europäischen Kommission vorstellig werden und überall bereits vorformulierte Texte weitergeben. Leider werden diese dann zum Teil von den Europäischen Abgeordneten recht unkritisch übernommen, die diese Änderungen dann einfach einreichen und später nicht mehr genau wissen, was sie da eigentlich veranlasst haben."
Auf der Website von Digitalcourage kann man noch bis Anfang Juni eine Online-Petition gegen die Europäische Datenschutzgrundverordnung in ihrer jetzigen Form unterschreiben. Wie der Kampf zwischen Volksvertretern und Unternehmensvertretern ausgeht, wird sich dann in den nächsten Monaten zeigen.
russlands STIMME RUSSLANDS, Moskau (Russland), 29. Mai 2013
Original: http://german.ruvr.ru/2013_05_29/Europaische-Datenschutzverordnung-wider-den-glasernen-User-6052/